Frau Sieberts Worte liegen mir noch immer in den Ohren, als ich die Tür der Praxis hinter mir ins Schloss fallen lasse und auf die belebte Straße trete. Dann machen wir nächste Woche da weiter. In meinen Ohren klingen diese Worte nach eher einer Drohung, als einer Verabschiedung.Ich atme tief durch, ein verzweifelter Versuch zur Ruhe zu kommen, und schultere meine Tasche. Mit noch immer rasendem Herzschlag, biege ich rechts ab und laufe blind die Straße hinauf.
Ich kann noch immer nicht glauben, dass diese Frau mich dazu gebracht hat, mich so zu verplappern! Dabei wollte ich doch nur die willige Patientin mimen, die ihrer Therapeutin ihr Herz ausschüttet, um so schnell wie möglich wieder in Ruhe gelassen zu werden. Nach meinem heutigen Auftritt kann ich mir das wohl abschminken. Verdammt! Vor einer Woche dachte ich noch, dass es ein Leichtes sein würde, Frau Siebert auf Abstand zu halten, doch heute wurde ich eines besseren belehrt. Wie konnte das passieren?
Ich weiß es nicht genau, aber vielleicht lag es daran, dass sie so ruhig und gelassen war. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, sie würde mich mit ihren Fragen in die Enge treiben oder irgendeine Art umgekehrter Psychologie anwenden, um mich aus der Reserve zu locken. All das war nicht nötig, um mich dazu zu bringen, ihr mein Herz auszuschütten.
Frustriert schnaubend schaue ich auf und stelle fest, dass ich völlig vergessen habe Leo anzurufen, damit er mich abholen kann. Es dauert nur einen Augenblick, bis ich entscheide es dabei zu belassen. Ich bin noch immer so aufgewühlt, dass ich nur wenig Lust empfinde vor meinem Bruder ein Lächeln zu mimen. Er würde es mir sowieso nicht abnehmen. Mit etwas Glück, denke ich, schläft er noch immer und wird erst wach, wenn ich schon Zuhause bin.
Zufrieden mit meinem Entschluss, laufe ich eher planlos durch die Stadt. Ein Ziel habe ich nicht, doch ich hege die stille Hoffnung, dass ein ausgiebiger Spaziergang mir hilft meine Gedanken zu sortieren und meinen Herzschlag zu beruhigen. Die Straßen sind zu dieser Zeit noch nicht besonders voll, aber da das Wetter gut ist, sind doch einige Leute unterwegs. Ich erkenne einige Nachbarn, doch niemand scheint mich wirklich wahrzunehmen. Sie alle sind zu beschäftigt, zu gedankenversunken und zu gestresst, um ihre Umwelt wahrzunehmen.
In für mich untypisch langsamer Geschwindigkeit, schlendere ich durch die Innenstadt und betrachte die Gebäude um mich herum. Ich lebe seit sechzehn Jahren hier und doch fühlt es sich an, als würde ich diese Straßen zum ersten mal wirklich sehen. Ich betrachte die bunt lackierten Haustüren, die Pflastersteine unter meinen Füßen und lese die Werbetafel verschiedener Geschäfte. Vor Schaufenstern bleibe ich stehen, um hinein zu blicken und als ich an einer Bäckerei vorbeikomme, folge ich dem himmlischen Geruch und gehe hinein. Ich ignoriere die anderen unter Strom stehenden Kunden und lasse mir bei der Wahl meines Snacks Zeit. Mit einem freundlichen Gruß verabschiede ich mich von der Verkäuferin, trete hinaus und beiße mit geschlossenen Augen in meine Streuselschnecke. Sie schmeckt köstlich.
Mit einem Blick auf die Digitalanzeige meines Handys, beschließe ich, mich langsam auf den Weg nach Hause zu machen.
Ich hatte meinem Vater gegenüber ziemlich selbstbewusst behauptet, der Weg sei gar nicht so weit, doch ich komme schnell zu der Schlussfolgerung, dass das eine flapsige Lüge war. Es dauert fast eine ganze Stunde, bis ich wieder in unserer Ausfahrt stehe und zögerlich die Haustür aufschließe. Fast erwarte ich einen brüllenden Leo auf mich zukommen zu sehen, doch mich empfängt nichts als Stille. Möglichst leise ziehe ich mir die Sneakers aus und lege meinen Schlüssel in die Schale auf der Kommode. Auf Socken tapse ich durch den Flur ins Wohnzimmer, doch auch da sehe ich Leo nirgends.
Erleichtert und etwas verwirrt, gehe ich nach oben und werfe meinen Jutebeutel auf den bereits überladenen Schreibtisch. Die Versuchung mich direkt ins Bett zu kuscheln ist groß, aber ich reiße mich zusammen und suche zunächst das Haus nach meinem Bruder ab. Ich stoße die Türen aller Zimmer auf und finde Leo schließlich im Gästezimmer, wo er friedlich schlummernd im Bett liegt. Für einen Moment erwäge ich es, ihn einfach schlafen zu lassen, aber ich bin nun mal seine kleine Schwester, weshalb ich mir diese Chance nicht entgehen lassen kann.
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Nevermind
Teen FictionLiz hat es getan. Sie hat versucht sich das Leben zu nehmen und ist gescheitert. Als sie Monate später aus der Klinik entlassen wird, muss sie sich von heut auf morgen ihrem Leben und den damit verbundenen Problemen stellen. Zu ihnen gehören auch H...