Mein Kopf dröhnt, als ich am nächsten Morgen aufwache. Einige Minuten liege ich nur da, starre an die Decke und hoffe, dass der Kopfschmerz auf wundersame Weise verschwindet. Das tut er natürlich nicht und so krieche ich widerwillig aus meinem Bett, angele meine Jogginghose unter dem Bett hervor und schlüpfe wenig elegant hinein.
Mein Blick huscht zur Badezimmertür, die mit Stickern bepflastert ist.
Kurz überlege ich, mich einfach zusammenzureißen und in mein eigenes Bad zu gehen, doch allein bei dem Gedanken dreht sich mir der Magen um. Stattdessen öffne ich also meine Zimmertür und tapse auf leisen Sohlen die Treppe hinunter in Papas Bad. Da ich weiß, dass er auch heute Frühdienst hat, spare ich mir das Klopfen und gehe direkt auf den Medikamentenschrank zu. Im Spiegel erkenne ich meine leicht fettigen Haare und beschließe, dass eine Dusche nun wirklich ansteht.
Kopfschüttelnd öffne ich den Schrank und fahre mit dem Zeigefinger bedächtig über die vielen Tablettenpackungen und Fläschchen. Ob es Papa auffallen würde, wenn ich einige davon mit in mein Zimmer nehme?
Ich verdränge den Gedanken hastig und greife nach der Paracetamolpackung. Ich drücke zwei der weißen Tabletten heraus, fülle Papas Zahnputzbecher und schlucke sie runter. Einen Moment lang starre ich in das Waschbecken hinab. Das Hämmern in meinem Kopf wird plötzlicher lauter, vernebelt meine Gedanken und aus einem Instinkt heraus, werfe ich mir zwei weitere Tabletten ein.
Das muss reichen.
Auf dem Weg zurück in mein Zimmer, schiebe ich den Kopf durch Leos Tür. Er liegt leise schnarchend auf dem Rücken. Die Gelegenheit, ihn jetzt mit einem fiesen Trick zu wecken, ist perfekt, aber allein die Vorstellung ihn schreien zu hören, bringt meinen Kopf dazu lautstark zu protestieren. Ein anderes Mal. Leise schließe ich die Tür wieder hinter mir.
Zurück in meinem Zimmer, werfe ich mich aufs Bett, schnappe mir mein Handy und öffne Instagram. Sofort blickt mir eine grinsende Lara entgegen, die den Arm um Henri geschlungen hat und allem Anschein nach gut betrunken ist. Sofort durchzuckt mich eine irrationale Eifersucht.
Verdammt, ich will das nicht fühlen!
Ich checke das Datum des Posts und stelle fest, dass das Bild auf der Party vom letzten Freitag entstanden ist. Instinktiv scrolle ich durch die schrecklich kitschigen Kommentare.
jenny_033: ihr seid so süß!!!
ninaa.mai: schönstes pärchen i swear
paulisthier: halt sie gut fest bruder, sonst stiehlt sie dir noch einer haha
Es gibt noch mindestens ein Dutzend weitere Kommentare dieser Art und jeder einzelne treibt meine Gereiztheit durch die Decke. Obwohl ich es eigentlich nicht will, öffne ich Laras Profil und betrachte die Selfies, die sie mit ihren 621 Followern teilt, eins schöner als das Andere. Weil ich mich scheinbar noch nicht genug gequält habe, scrolle ich auch noch durch die Bilder, in denen sie getaggt wurde. Ganz oben stoße ich direkt auf eines, das von einem Mädchen aus unserem Jahrgang gepostet wurde, das ich nur flüchtig kenne. Auf dem Bild zu sehen sind ein Haufen Jugendlicher in Laras Wohnzimmer, alle in unterschiedlichen Stadien der Trunkenheit, wie sie eng zusammenstehen und in die Kamera grinsen.
Ganz unten links entdecke ich zu meiner Überraschung Emil. Ich zoome ihn heran und mustere sein hübsches Gesicht, das ich zum ersten Mal in anständigem Licht sehe. Wie ich vermutet habe, ist sein schwarzes Haar kurz geschoren und seine Haut nur wenig heller, als sie es im Dunkel der Nacht war. Auch sein verschmitztes Grinsen ist dasselbe und ich entdecke sogar die lächerliche rote Wollmütze, die er draußen trug, in seiner Hand.
Alles in allem ist Emil, trotz seines fragwürdigen Modegeschmacks, der attraktivste Junge auf dem ganzen verdammten Bild.
Ich klicke auf seinen verlinkten Account, detektivemil, der, wie es sich herausstellt, privat ist. Genervt schnalze ich mit der Zunge. Mein Daumen schwebt schon über dem 'Folgen'-Button, doch ich kann mich gerade noch davon abhalten.
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Nevermind
Genç KurguLiz hat es getan. Sie hat versucht sich das Leben zu nehmen und ist gescheitert. Als sie Monate später aus der Klinik entlassen wird, muss sie sich von heut auf morgen ihrem Leben und den damit verbundenen Problemen stellen. Zu ihnen gehören auch H...