Das Blut gefriert mir in den Adern. Schockiert starre ich Maja an und hoffe, dass ich mir ihre Worte nur eingebildet habe. Ihr schuldbewusster Blick und die verwirrten Gesichter der Anderen, sagen jedoch etwas Anderes.Ein und Aus. Ein und Aus. Ein und Aus.
"Oh Gott, sorry", entschuldigt sie sich sofort und kratzt sich verlegen am Kopf. "Ich habe mal wieder nicht nachgedacht. Das ist mir einfach so rausgerutscht. Wirklich! Weißt du, ich habe nicht viel mit Gossip am Hut, vorallem nicht über Leute aus der Stufe unter mir, aber das war schon irgendwie krass, was die Leute erzählt haben. Und da wollte ich, naja", sie zuckt mit den Schultern, "wissen ob es stimmt."
Ich schlucke hart. Was soll ich denn darauf antworten? Klar stimmt es und eigentlich kann ich auch nicht wirklich etwas Anderes behaupten, aber ich habe dieses Mädchen vor zehn Minuten erst kennengelernt! So sympathisch sie auch sein mag, ich bin nicht bereit mit ihr über den intimsten Moment meines Lebens zu sprechen. Und den schamvollsten.
"Mann, Maja, jetzt lass sie doch mit deinen ständigen Fragen in Ruhe!", meldet sich zu meiner Überraschung Julius, der grimmig wirkende Hüne, zu Wort. "Das geht uns doch gar nichts an."
Ich atme erleichtert aus und würde mich am Liebsten für sein Einschreiten bedanken.
"Stimmt." Maja nickt energisch und wirft mir ein weiteres entschuldigendes Lächeln zu. "Sorry nochmal."
Linus fragt das Mädchen mit den wilden Locken nach ihrer Schwester und gibt sich die größte Mühe das Gespräch schnell voranzutreiben. Während die beiden also diskutieren, versinke ich in Gedanken.
Warum läuft alles immer wieder auf diesen einen verdammten Moment zurück?
Wie soll ich denn jemals weitermachen, wenn sogar Leute, die ich nie zuvor getroffen habe, mich sofort als das "Selbstmordmädchen" abstempeln? Wie kann man etwas hinter sich lassen, wenn es so verdammt omnipräsent ist?
Noch immer in Gedanken, spüre ich Emils brennenden Blick auf mir. Ich hebe den Kopf und starre direkt in seine umnebelten dunklen Augen, die mich taxieren. Er hat die Augenbrauen zusammengezogen und betrachtet mich, als wäre ich ein Rätsel, dass er zu lösen versucht. Überraschenderweise ist da kein Mitleid in seinen Augen und auch keine Sorge.
Ist das Interesse auf seinen Zügen? Faszination vielleicht?
Bevor ich mir sicher sein kann, wendet Emil den Blick ab und greift hinter sich. Er holt eine Gitarre hervor, die ich bisher nicht entdeckt hatte, weil sie von den Taschen der Anwesenden verdeckt war.
"Oho, bekommen wir etwa eine kostenlose Kostprobe?", fragt Maja in einem Sing-Sang und wendet Emil ihre Aufmerksamkeit zu.
"Mann, uns brauchst du nicht mehr aufzureißen!", witzelt Linus und schlägt seinem Cousin spielerisch auf den Oberarm. "Wir sind dir doch alle schon verfallen."
Emil grinst ihn an und zwinkert mir heimlich zu. Ich erröte.
War das ein Wink mit dem Zaunpfahl? Denkt er, dass ich ihm verfallen bin? Will er, dass ich ihm verfalle? Vermutlich interpretiere ich da zu viel hinein, denke ich und schüttele den Gedanken rasch ab.
Emils Gitarrenspiel ist überraschend gut. Er nutzt keine geschickten Handgriffe und hin und wieder verspielt er sich, aber er tut es mit so einer Lässigkeit und Selbstbewusstsein, dass es niemanden stört. Es ist schön ihm zuzuhören und einfach ganz chaotisch mitzuschwenken, wie es Linus, Maja und sogar Julius tun. Ihr ausgelassenes Lachen ist ansteckend und so habe auch ich nach einiger Zeit meine Anspannung abgelegt.
"Oh, Mann, du spielst das ganz falsch", kichere ich und überrasche mich selbst, als ich sage: "Lass mich mal!"
Bereitwillig recht mir Emil seine Gitarre, die etwas zu groß für mich ist, sich aber doch gut in meinen Händen anfühlt. Das kalte Holz fühlt sich vertraut an und ich streiche andächtig über die Saiten.
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Nevermind
Teen FictionLiz hat es getan. Sie hat versucht sich das Leben zu nehmen und ist gescheitert. Als sie Monate später aus der Klinik entlassen wird, muss sie sich von heut auf morgen ihrem Leben und den damit verbundenen Problemen stellen. Zu ihnen gehören auch H...