21 | ich warte bis der junge weg ist

17 10 6
                                    

Ich warte bis der andere Junge weg ist und gehe dann auf Felix zu. Er verstaut gerade das Geld sorgfältig in der Innentasche seiner Jacke und schaut erst auf, als ich schon vor ihm stehe.

"Da bist du ja." Meine Worte klingen eher nach einem Vorwurf als einer Begrüßung. Noch immer leicht fröstelnd, verschränke ich die Arme vor der Brust und lege den Kopf schief, während ich meinem Gegenüber einen abschätzigen Blick zuwerfe. "Ich habe dich schon gesucht."

"Hey Liz!" Ein schmales Lächeln stiehlt sich auf die Lippen des Blonden. Als er mich von oben bis unten taxiert, verstärkt sich das unwohle Gefühl in meiner Magengegend. "Du bist gekommen."

"Hab ich doch gesagt", antworte ich knapp und trete von einem Fuß auf den Anderen.

"Ich sehe schon. Du bist noch immer ein Sonnenschein, Lizzie. Deine Freundlichkeit erwärmt mein Herz."

"Halt die Klappe!" Ich schiebe meinen Worten ein Lächeln hinterher um sie etwas abzumildern, doch Felix' Blick wird hart. So sehr ich es auch versuche, ich kann seine Stimmung nicht einschätzen. Konnte ich noch nie.

Ich kenne Felix mittlerweile seit knapp zwei Jahren, doch besonders viel weiß ich eigentlich nicht über ihn. Mein Wissen beschränkt sich auf sein Alter - neunzehn - und die Tatsache, dass er in der Zwölften Klasse von unserer Schule geschmissen wurde. Seither ist er der lokale Dealer seiner ehemaligen Mitschüler.

So auch meiner.

"Wie geht es dir?"

Ich verdrehe die Augen und drücke den Rücken durch. "Habe ich dir nicht schon am Telefon gesagt, dass ich keine Lust auf Smalltalk habe?"

"Ich dachte, ich versuche es nochmal", antwortet Felix noch immer im Plauderton. "Dabei interessiert es mich wirklich, ob es dir gut geht. Wobei die Tatsache, dass du hier bist wohl Antwort genug ist." Er legt den Kopf schief und mustert mich erneut.

Mein Magen krampft sich bei dieser Wahrheit zusammen und am Liebsten würde ich ihm sagen, dass er kein Recht dazu hat, über mich zu urteilen. Doch ich raffe mich zusammen, schließlich würde es mir wahrlich nicht helfen hier und jetzt eine Szene zu machen.

"Bist du jetzt fertig mit der Gefühlsduselei?", frage ich stattdessen schroff. "Ich bin nicht hergekommen um mir von dir in der Kälte eine Predigt anzuhören."

Fast kaufe ich mir die Selbstsicherheit selbst ab.

"Stimmt", entgegnet Felix trocken, "Du bist hier um Pillen zu kaufen, damit du dich zudröhnen und deine Probleme ignorieren kannst."

Ich zucke zusammen. Da ich ihm nicht widersprechen kann, schaue ich nur zähneknirschend und erwartungsvoll zu ihm auf. Genauso gut hätte ich wie ein Bettler die Hände aufhalten können - noch erniedrigender als diese Situation wäre es nicht.

Schließlich seufzt Felix und holt endlich das Tütchen aus seiner Bauchtasche heraus, nach dem ich mich schon viel zu lange sehne. Viel zu auffällig, lässt er es vor meiner Nase hin und her baumeln.

"Lass den Scheiß", zische ich und reiße ihm das Tütchen aus der Hand, bevor ich mich hastig umschaue um sicherzugehen, dass uns keiner bemerkt hat. Dass irgendeiner meiner Mitschüler mich beim Drogenkauf erwischt, ist nun wirklich das Letzte was ich will. Ich schäme mich schon so genug, doch niemand scheint uns zu bemerken.

Felix murmelt eine wenig ernst klingende Entschuldigung. Augenverdrehend drücke ich ihm das Geld in die Hand und fische ungeduldig eine der vielen Pillen aus der Tüte, wie ich es schon so oft zuvor getan habe. Während ich die Xanax trocken schlucke, beobachtet mein Gegenüber mich stirnrunzelnd.

"Hör mal, Liz", beginnt er. "Ich weiß echt nicht, ob das so eine kluge Idee ist. Meinst du nicht, dass du mit jemandem darüber reden solltest? Keine Ahnung, einem Psychologen oder so? Oder wenigstens Henri! Ihr seid doch noch Freunde, richtig? Bestimmt würde er dir aus der Scheiße raushelfen."

NevermindWo Geschichten leben. Entdecke jetzt