Mein Name ist Namik. Ja ich bin Ausländer, so würden es zumindest die Deutschen sagen. Ausländer ist man ja immer, wenn man so aussieht, unabhängig davon wo man Geboren wurde. Also meine Eltern sind Türken und wir, also ich und meine beiden Geschwister sind eigentlich Deutsch. Mein kleiner Bruder Davin ist 12, ich bin 14 und mein großer Bruder Ayaz ist 16. Wir leben alle in einer recht kleinen Wohnung und wir haben es wirklich nicht leicht.
Ich liege wach im Bett und will einfach nicht aufstehen. Ich bin noch so müde, weil mein Vater gestern Abend noch so lange rumgeschrien hat. Bis 12 Uhr oder so. Er hatte sich mal wieder mit meiner Mutter gezofft, weil sie aufhören soll, ihren Stoff zu nehmen.
Ich spürte eine Hand an meiner Schulter und dreht meinen Kopf verschlafen zur Seite. Es war mein Bruder, der schon angezogen neben mir auf dem großen Doppelbett saß.
„Ihr müsst aufstehen.", flüsterte er und sah zu Davin, der noch neben mir schlief. Murrend stand ich auf und Ayaz weckte sanft unseren kleinen Bruder. Barfuß ging ich ins Bad und fing mich an fertigzumachen. Es war kalt in der Wohnung, wie immer. Wenig später kamen meine beiden Brüder auch ins Bad. Ayaz stellte sich nur daneben, da er schon fertig war, und passte auf, dass wir uns auch Ordentlich die Zähne putzen.
„Gibt es was zum Frühstück?", fragte Davin Ayaz hoffnungsvoll , aber er schüttelte den Kopf.
„Ich hol euch was beim Bäcker.", sagte er und lächelte. Davin lächelte auch, nur ich lächelte nicht. Ich wusste, dass Ayaz eh kaum Geld hat. Er ging Zeitungen austragen und war deswegen immer vor uns wach. Ich höre morgens immer seinen Wecker, da wir ja alle in einem Zimmer schlafen. Ich schlafe mit Davin in einem Bett und Ayaz, da er der Älteste ist, hat ein eigenes Bett auf der anderen Seite des Raumes.
Nun ja, wir waren jetzt fertig im Bad und angezogen. Essen für die Schule hatten wir nicht, ansonsten hätten wir ja auch was zum Frühstücken gehabt. Also gingen wir alle gemeinsam los. Auf dem Weg kaufte Ayaz Davin noch was zu Essen, ein belegtes Brötchen beim Bäcker. Ich finde die immer viel zu teuer. Als Ayaz mich fragt, ob ich was zu essen haben will, lehne ich ab, obwohl ich einen riesigen Hunger hatte und mir deswegen schon total schlecht war. Anschließend gingen wir weiter zur Schule und Davin aß sein Brötchen im Gehen. Ich sah ihm an, dass er nicht alleine essen wollte, aber ich konnte nichts daran ändern.
In der Schule angekommen, teilten wir uns dann auf und gingen in unsere Klasse. Ich setzte mich auf meinen Platz und legte meinen Kopf müde auf meine Arme auf den Tisch ab.
So wie ich hier hing, hing ich jeden Morgen auf meinem Platz. Müde, k.o. und erschöpft. Und wie man sich jetzt vorstellen kann, bin ich kein guter Schüler. Wie denn auch, zuhause hatte ich nie Ruhe und es gab nur unseren Bruder, der uns helfen konnte. Ayaz ersetzte quasi unseren richtigen Vater. Er sorgte sich um uns, beschützte uns, falls mein Vater mal wieder besoffen durchdrehte. Er war ein toller großer Bruder.Nach der Schule saß ich zuhause auf meinem Bett, zusammen mit Davin, und wir machten unsere Hausaufgaben.
Mit einem lauten Knall flog plötzlich die Tür auf und wir sahen in das wutentbrannte Gesicht meines Vaters. Davin und ich bekamen es mit der puren Angst zu tun und ich fragte mich, warum er wohl diesmal so wütend war. Aber mir war sofort klar, wenn Ayaz nicht da ist, bin ich der große Bruder, der Davin beschützen muss. Ich nahm ihn in den Arm und sah unseren Vater an. Unsere Gesichter waren Angstverzerrt und ich hörte ein leises Schluchzen. Unser Vater ballte seine Hand zu einer Faust und holte aus. Schützend drückte ich Davin fest an mich und beugte mich über ihn. Ich kniff die Augen zusammen und dann kam der Schlag. Die Faust traf mich mit voller Wucht an den Rippen. Er fing an uns auf Türkisch anzubrüllen, aber ich hörte kaum zu. Aber, wenn er schrie, schlug er nicht. Ich drehte mich zu ihm und sah nur noch die Faust. Ich hatte mich getäuscht. Mit voller Wucht schlug er mir in den Bauch und ich schrie auf und hielt mir wimmernd den Bauch.
„Warum?", rief ich und Tränen stiegen mir in die Augen. Ich wollte stark sein und sie unterdrücken, aber es ging nicht. Sie flossen einfach aus meinen nassen Augen raus.
„Wer von euch hat die Drogen besorgt!?", schrie er uns an.
„Mama muss sie selber geholt haben, wir waren den ganzen Tag in der Schule.", sagte ich. Meine Stimme zitterte und ich nahm Davin wieder schützend in den Arm. Ich wusste, dass er uns nicht glauben würde und gleich wieder die Fäuste auf uns niederregnen würden. So wie immer, wenn ich ihm widersprach.Als Ayaz nach Hause kam, war alles vorbei. Mein ganzer Körper tat mir weh und überall waren blaue Flecken.
„Was ist passiert?", rief Ayaz und lief an mein Bett. Davin saß neben mir mit verweinten Augen. Ich hatte auch verweinte Augen.
„Es war wegen Mama wieder.", sagte ich. Ayaz strich mir durchs Haar und gab mir einen Kuss auf den Kopf. Ich lächelte kurz.
Ayaz ging wieder und holte zwei Kühlpacks. Er zog mir mein Shirt aus und legt die Kühlpacks auf mein Rippen und meinen Bauch. Es tat weh und ich fing an zu frieren.
„Davin ist nichts passiert.", sagte ich und lächelte etwas Stolz. Ayaz lächelte zurück.
„Das hast du gut gemacht.", sagte er und deckte mich zu. Dann setzte er sich mit aufs Bett, nahm Davin in den Arm und machte meine Hausaufgaben. Er war ein gute große Bruder, bei ihm fühlten wir uns sicher.
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Namik
Teen FictionIhr Vater schlägt sie und hat oft Wutausbrüche. Als der große Bruder vom Vater totgeschlagen wurde, muss Namik die Stelle vom großen Bruder einnehmen. Er flieht mit seinem jüngeren Bruder Davin und kämpft um deren Überleben, denn es gibt viele gefäh...