Kapitel 6

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Davin lag zitternd in zwei Jacke eingekuschelt unter der Brücke. Ich sah ihn kaum, da es so dunkel war und die Laternen die Brücke nicht ausleuchteten.
Er schluchzte.
„Davin!", rief ich und rannte zu ihm.
„Namik.", sagte er wimmernd und sah zu mir. Ich kniete mich vor ihn und nahm ihn in den Arm. Er jaulte auf und fing an zu weinen. Sofort lies ich ihn los und zog sein Shirt hoch. Ich erkannte blaue Flecken an seinem dünnen Körper.
„Es tut mir so leid.", fing Davin an zu stottern.
„Nein, hör auf. Sag mir was passiert ist.", sagte ich und sah ihn an.
„Da waren Jungs und die wollten, dass ich denen unser Geld gebe.", fing er an und ich hörte wie seine Stimme immer doller zitterte und er mit den Tränen kämpfte.
„Die haben mich geschlagen und getreten und mir das Geld weggenommen, es tut mir so leid."
„Es muss dir nicht leid tun, du kannst nichts dafür.", sagte ich und nahm ihn wieder vorsichtig in den Arm.
„Ich hätte dich nicht alleine lassen dürfen. Das wird nie wieder passieren.", sagte ich und fing an selber mit den Tränen zu kämpfen. Ich gab mir die Schuld dafür, ich sollte doch meinen Bruder beschützen. Ich sehnte mich so sehr nach Ayaz, er hat immer für alles eine Lösung und konnte uns auch wenigstens Beschützen.

Als ich aufwachte tat mir alles weh. Davin's Kopf lag auf meiner Brust und drückte ganz fürchterlich. Ich blieb noch eine Weile liegen, Davin sollte noch etwas schlafen.
Die erste Nacht auf der Straße war furchtbar gewesen. Überall hörte man Geräusche und wir konnten nur schwer einschlafen. Davin schlief vor mir ein, da er total fertig war und nicht einschlafen konnte, wenn ich nicht auf ihn aufpasste und wach war.
„Davin, wach auf.", flüsterte ich leise und strich ihm über den Kopf. Müde öffnete er seine Augen.
„Wie spät ist es?", fragte er, ich zuckte aber nur mit den Schultern. Heute war ein wolkiger Tag, alles war grau und ich hoffte einfach, dass es nicht anfangen würde zu regnen. Unsere Klamotten würden wir niemals wieder trocken kriegen.
„Ich hab Hunger, lass uns was frühstücken.", sagte ich und lächelte aufmunternd. Davin richtete sich langsam auf und hielt sich seinen Bauch. Ich stand auf und half ihm auf die Beine.
„Geht es?", fragte ich ihn. Er nickte und nahm seinen Rucksack. Ich sah wie er sein Gesicht verzog und mit den Schmerzen kämpfte.
„Du kannst auch hier bleiben, ich werde schnell sein. Ich renne zum Bäcker und wieder zurück.", schlug ich vor, aber Davin schüttelte den Kopf.
„Ich will nicht wieder alleine gelassen werden.", sagte er und krallte sich an meinen Ärmel.
„Okay, dann gehen wir zusammen dahin und ich kauf dir einen schönen warmen Kakao, was sagst du?"
Ein Lächeln trat in Davin's Gesicht und ich bemerkte erst jetzt wie schlimm er aussah. Seine Lippe war aufgeplatzt und an seiner Stirn waren dünne verkrustete rote Striche zu sehen. Ich richtete seine Haare und klopfte vorsichtig den Dreck von unserer Kleidung.
Wir brauchten lange bis wir bei der Bäckerei waren, da Davin nicht so schnell war und ich mich kaum auskannte. Wir setzten uns rein, in die hinterste Ecke, damit uns keiner sah. Davin saß mit dem Rücken zu den Gästen und wir aßen ein belegtes Brötchen und tranken Kakao, so wie ich es versprochen hatte. Davin war so glücklich, Kakao gab es eigentlich nie, weil es ein Luxusgut für uns war. Ayaz hatte uns vor einigen Jahren mal einen Becher Kakao gekauft und es war so lecker. Aber der Kakao hier, schien noch leckerer zu sein.
„Wir machen uns dann gleich im Bad sauber und dann gehen wir wieder zurück, ok?", flüsterte ich leise zu Davin. Er nickte und sah zur Uhr. Es war 9 Uhr, eine ungewöhnliche Zeit für Schüler und ich hatte Angst erwischt zu werden, weil irgendwer denken würde, dass wir Schwänzen.
Nach einiger Zeit stand ich auf und sagte zu Davin: „Na komm, wir müssen jetzt zur Schule, ansonsten kommen wir noch zu spät."
Ich sagte es laut genug, damit die anderen Leute in der Bäckerei das auch hörten.
Davin nickte und wir beide verschwanden im Bad. Nur ganz schnell, gingen wir aufs Klo, spülten unsere Münder durch und wuschen unseren Gesichter und Hände. Dann gingen wir aus der Bäckerei raus.

Am Nachmittag zog ich mit Davin um die Häuser, aber niemand brauchte Arbeit. Sie alle sahen Davin und mich an und lehnten dann ab. Wir beide wussten natürlich, dass es seinem Aussehen zu verschulden war. Er sah furchtbar aus mit seinen Schrammen und blauen Flecken. Das Leben für uns beide würde nicht leicht werden, zudem wir uns noch irgendwie pflegen müssen. Noch wusste ich nicht wie, weil duschen konnte man ja nicht überall. Für mich und Davin gab es noch viel zu viele Probleme zu bewältigen. Ich wusste gar nicht, wie wir es jemals aus der Gosse rausschaffen sollten.

NamikWo Geschichten leben. Entdecke jetzt