Kapitel 2

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Es war Wochenende und Davin und ich machten den Abwasch. Unsere Mutter vegetierte auf dem Sessel im Wohnzimmer vor sich hin und rauchte. Die ganze Wohnung stank immer nach Gras, wenn sie rauchte. Nur unser Schlafzimmer nicht, da wir immer die Tür schlossen und das Fenster aufmachten. Unser Vater saß auf der Couch und rauchte eine Zigarette. Na ja und Ayaz, der war mal wieder Arbeiten, da unsere Mutter das ganze Geld vom Staat ihrem Dealer gab. Unser Vater packte immer gerade so genug zur Seite, sodass wir noch die Miete und sowas bezahlen konnten. Aber Essen war immer knapp bei uns. Süßigkeiten gab es nicht, nur Nudeln und sowas. Halt was Einfaches, billiges und nahrhaftes.
„Können wir nachher zusammen Fußballspielen?", fragte mich Davin auf einmal, während er ein Glas abtrocknete.
„Aber na klar. Sobald wir das Geschirr weggeräumt haben machen wir das.", sagte ich und lächelt. Davin lächelte glücklich zurück. Sein Gesicht strahlte, als wäre Weihnachten und er würde was mega großes bekommen.
Plötzlich viel Davin ein Teller runter und zerbrach scheppernd in tausend Teile. Die Scherben flogen durch die ganze Küche und Davin fing an Angst zu kriegen.
„Nicht bewegen, ich mach das schnell weg.", sagte ich. Ich versuchte meine Angst zu verbergen, aber meine Hände zitterten. Gerade als ich mich umdrehte, um ein Kehrblech zu holen, stand er schon da. Unser Vater Stand in der Tür mit der Zigarette in der Hand und sah uns wütend an.
„Entschuldigung Papa, es war ein Versehen, ich mach das Sofort weg.", stammelte ich. Davin stammelte auch irgendeine Entschuldigung kaum hörbar und klammerte sich an mein Shirt.
„Weißt du wie teuer so ein Teller ist?", fing er an und kam näher. Er trug noch seine Schuhe und sie knirschten auf den zerbrochenen Scherben. Ich trat schützend vor Davin und schnitt mich an einer Scherbe. Ich spürte, wie meine Socke nass wurde und bekam noch mehr Angst.
„Ich ersetze den Teller Papa, versprochen. Ich helfe irgendwem und dann krieg ich Geld und bezahle den Teller. Wirklich. Ich kauf uns ganz ..."
Mit einer lauten Ohrfeige brachte er mich zum Schweigen. Meine Wange wurde ganz warm und fing an zu pochen. Ich sah ihn an. Tränen stiegen in meine Augen, aber ich durfte nicht weinen, dann wäre er wütend, weil ich schwach wäre.
„Wer von euch hat den Teller zerbrochen?", schrie er uns an. Wir zuckten unwillkürlich zusammen und Davin krallte sich doller an mich. Ich spürte wie er zitterte.
Ich schluckte schwer, nahm all meinen Mut zusammen und sagte: „Ich war das Papa."
Nervös sah ich immer wieder zu der Zigarette in seiner Hand. Unser Vater schwieg, so als würde er überlegen, was er mit mir machen will, oder als würde er versuchen sich zu beherrschen. Langsam führte er die Zigarette zum Mund und zog dran. Ich beobachtete wie die Spitze aufglimmte und sich durch das Papier und den Tabak in Richtung Filter fraß. Als er sie absetzte, nahm er sie mit drei Fingern in die Hand. Ich wusste das das bedeutet.
„Bitte nicht Papa. Ich bin brav. Es war nur ein Versehen, wirklich.", flehte ich ihn an. Jetzt kullerte eine Träne aus meinem Auge. Hastig wischte ich sie weg.
Mit einem Mal packte er grob meinen Arm und drückte die glühende Zigarette auf meinen Unterarm. Der Schmerz schoss durch meinen ganzen Arm und ich schrie auf.
„Pass in Zukunft besser auf!", zischte er wütend, während er die Zigarette auf meiner Wunde noch drehte. Dann ließ er die Zigarette falle und ließ mich los.
Er drehte sich um und sagte im Gehen: „Mach hier sauber."
Ich nickte schluchzend, obwohl ich wusste, dass er es nicht sah. Davin klammerte sich noch immer an mich, er weinte und war total fertig. Ich nahm ihn in den Arm und gab ihm einen Kuss auf den Kopf.
„Alles wird gut. Bleib hier stehen. Ich mach eben schnell sauber und dann ziehst du dich um, damit wir Fußball spielen können.", sagte ich und lächelte aufmunternd. Davin nickte stumm.
Ich machte also alles sauber, klebte ein Pflaster über meine Wunde und wir gingen raus zum Fußball spielen. Aber der Schock nagte noch an Davin und mir tat noch immer alles weh. Mein ganzer Oberkörper war voller blauer Flecken und Davin merkte, dass es mir nicht gut ging. Also setzten wir uns auf eine Bank und warteten auf Ayaz. Ich nahm ihn in den Arm, damit er nicht fror und irgendwann schlief er ein.
Heute kam Ayaz erst sehr spät nach Hause. Als er kam, setzte er sich ohne Fragen zu stellen neben uns und nahm uns in den Arm. Ich schloss meine Augen und genoss den kurzen Moment der Geborgenheit.

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