Kapitel 10

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Ich arbeitete jetzt schon 3 Tage für Mo, ich hatte genug Geld um mich und Davin zu ernähren, ich hatte sogar einen Schlafsack für ihn gekauft und trotzdem ging es ihm kaum besser. Davin glühte noch immer und klagte über Übelkeit, Kopfschmerzen und eigentlich allem was man haben kann. Ihm ging es wirklich schlecht und ich musste ihn jeden Tag alleine zurück lassen um zu Arbeiten. Ich hatte solche Angst um ihn, dass ich am Mi zu lange wach blieb und vergesse hatte mein Handy in der Bäckerei zu laden. Wir schliefen aneinander gekuschelt zwischen den Mülltonnen und es ist mir ein Rätsel, wie ich so lange schlafen konnte. Dass Davin viel schlief war mir klar, aber ich? Vielleicht wurde ich ja auch krank. Aber auf jeden Fall wurde ich an Nachmittag wach. Jemand stupste mich mit dem Fuß an. Ich sah auf und sah Mo. Mein Herz blieb stehen vor Schreck und am liebsten wäre ich im Erdboden versunken.
„Lebt ihr hier?", fragte er mich, seine Miene war streng und mir fehlten grad die Worte. Meine Kehle war trocken und ich wusste nicht was ich sagen sollte.
„Antworte!", sagte er etwas lauter in einem kräftigen Befehlston, sodass ich zusammenzuckte.
„Ja.", antwortete ich kleinlaut. Ich hatte etwas Angst vor Mo, ich konnte ihn kaum einschätzen. Ich spürte wie Davin sich bewegte, er wachte auf.
„Wer ist das?", fragte Mo weiter und deutete mit einer Kopfbewegung auf Davin.
„Mein kleiner Bruder.", sagte ich und setzt mich auf. Ich setzte mich schützend vor ihn.
„Packt eure Sachen, die Straße ist kein Ort, wo Kinder schlafen sollten.", sagte er. Ich nickte und fing an unsere Sachen zu packen. Davin sah ich an, dass er nicht verstand was vor sich ging. Verwirrt sah er mich und Mo an und ließ mich die Sachen zusammenpacken.
„Alles wird gut.", sagte ich, stand auf und schulterte den erste Rucksack. Langsam stand Davin auch auf und hielt sich an der Mülltonne fest. Ich sah wie er mit seinen Kopfschmerzen und dem Schwindel zu kämpfen hatte. Mo ging zu ihm und nahm ihn auf den Arm. Davin erschrak sich, wehrte sich aber nicht.
„Danke.", sagte ich und nahm den zweiten Rucksack in die Hand.
„Wir pflegen ihn bei mir gesund und waschen euch und eure Klamotten erst einmal.", sagte er und ging in einem sehr straffen Tempo zu seinem Haus, ich hatte Mühe hinterher zu kommen, so schnell ging er. Als wir bei ihm ankamen setzt er Davin ins Bad und sagte: „Wasch ihn und dich und legt eure dreckigen Klamotten vor die Tür, ich bring euch dann frische und bezieh euch ein Bett."
Ich nickte und dann verschwand er auch schon wieder.
„Wer ist das?", fragte Davin mich.
„Der bei dem arbeite, er will dich gesund pflegen.", sagte ich und zog ihn aus. Fröstelnd zog er seine Beine an sich ran. Ich zog meine Klamotten auch raus und legte sie vor die Badezimmertür. Natürlich wollte ich nicht, dass Mo mich nackt sieht, aber ein Stück weit vertraute ich ihm, weil er uns ein Dach über den Kopf gab.
„Mir ist so kalt.", sagte Davin, seine Zähne klapperten schon vor Kälte.
„Gleich nicht mehr.", sagte ich und ging mit ihm unter die Dusche. Das warme Wasser war angenehm und der Geruch von Seife war so schön wie noch nie. Ich wusch uns beide und trocknete und dann wieder ab. Davin wickelte ich sein Handtuch ein und föhnte ihm die Haare. Dann holte ich die frischen Klamotten, die Mo uns vor die Badezimmertür gelegt hatte, anstelle der alten Klamotten. Wir zogen uns an, wobei uns die Klamotten viel zu groß waren und ich die Schnüre der Jogginghosen besonders festziehen musste, damit sie Davin und mir nicht von den Hüften rutschten. Als wir dann fertig waren brachte ich Davin ins frisch bezogene Bett. Er kuschelte sich sofort ein und schlief schon bald wieder. Mo stand an der Tür und beobachtete mich und meinen Bruder streng.
„Namik! Wir beide müssen ein ernstes Wort miteinander reden.", sagte er und ging runter in die Küche. Ich hatte Angst, vor dem was kommen würde, aber ich folgte ihm.
Mit einem lauten Knall gab er mir eine kräftige Ohrfeige. Ich zuckte zusammen und fing an zu zitternd. Angst stieg in mir auf, die Angst wieder verprügelt zu werden, oder todgeprügelt zu werden, so wie es mein Vater mit Ayaz getan hat.
„Was fällt dir ein mich anzulügen! Du gehst nicht zur Schule!", schrie er mich an. Ängstlich wich ich einen Schritt zurück.
„Es tut mir leid.", stammelte ich und kämpfte gegen die Tränen an: „Ich wusste nicht was du mit mir machen würdest, wenn du weißt dass ich kein Zuhause hab. Ich muss doch Davin beschützen."
Ich hatte solche Angst und ich befürchtete schon eine zweite Ohrfeige, aber sie blieb aus. Stattdessen schrie er mich an.
„Warum bist du überhaupt weggelaufen mir deinem Bruder! Auf der Straße habt ihr doch keine Chance!"
Ich zitterte immer doller und die erste Träne rollte. Ein dicker Klos saß in meinem Hals und ich schaffte es nicht ein Wort rauszubringen. Ich sah wie Mo's Hände auf mich zukamen. Ich zuckte zusammen, drehte meinen Kopf weg und hob instinktiv schützend meine Hände. Da spürte ich seine Hände an meinen Schultern und merkte dass er gar nicht zuschlagen wollte.
„Sag es mir!", sagte er mit Nachdruck und sah mir tief in die Augen.
„Unser Vater hat unsere Bruder todgeprügelt.", brachte ich gerade so heraus. Mir war zum heulen zumute, ich hatte einfach nur Angst und dann noch die Erinnerungen an Ayaz, das war zu viel für mich.
Mo sah mir noch eine Weile weiter in die Augen, dann nahm er mich in den Arm und drückte mich an ihn. Jetzt konnte ich nicht mehr anders und weinte los. Mo drückte mich fest an sich und gab mir einen Kuss auf den Kopf.
„Ich verstehe, alles wird gut. Ihr könnt bei mir bleiben.", sagte er und ich nickte nur, da ich es nicht schaffte das Wort ‚Danke' über die Lippen zu bringen, während ich heulend in seinen Armen war. Es war mir so unangenehm, aber gleichzeitig tat es mir auch so gut, endlich meine Gefühle zeigen zu können und sie rauslassen zu können. Ich hatte sie vor Davin so lange versteckt, weil ich auf ihn aufpassen musste, aber jetzt konnte ich sie nicht mehr zurückhalten, und es war gut so.

NamikWo Geschichten leben. Entdecke jetzt