Endlich war Halloween. Mein absoluter Lieblingsfeiertag des Jahres. Das ganze Gemache um die Gruselsachen, war genau mein Ding und ich genoss es jedes Jahr aufs Neue. Nur heute war volles Programm. Ich hatte nicht wie sonst frei, ich musste bis siebzehn Uhr arbeiten, fünfundvierzig Minuten nach Hause fahren, mich fertig machen, was mit Sicherheit auch eine Stunde dauern würde und anschließend noch eine Stunde zu meinem besten Freund fahren. Warum hatte ich mich bloß für den Job in einem Kinder- Jugendheim entscheiden?!
Da alle Diskotheken geschlossen hatten und ab Montag erneut ein Lockdown folgte, wollten wir heute noch einmal in einem kleinen Kreis feiern. Normalerweise lief immer eine riesige Hausparty oder aber wir gingen in eine Disco.
Völlig außer Atem kam ich zuhause an, stürmte die Treppen nach oben. Fünfter Stock.
Erster Stock.
Zweiter Stock.
Dritter Stock.
Vierter Stock.
Fünfter Stock.
Ich kramte meinen Schlüssel hervor und versuchte, ihn in meine Haustür zu stecken. Nur irgendwie hatte er heute mal wieder einen Hass auf mich. „Fuck! Jetz geh endlich re-"
Plötzlich öffnete sich die Haustür und der dunkelblonde Lockenkopf schaute auf mich hinab. Ein wissendes Grinsen auf den Lippen. „Gabriel...", tadelte er. „Fünfter Stock. Wir zählen hier: Erdgeschoss, erster Stock, zweiter Stock, dritter Sto-"
„Die Nachhilfe kannst du mir gerne wann anders geben, ich bin gerade echt unter Zeitdruck", unterbrach ich ihn forsch. Ein letztes Mal ließ ich meinen Blick über seine muskulösen Oberarme, seine markanten Gesichtszüge, seine Grübchen und die bernsteinfarbenen Augen gleiten. Ashton sah wirklich aus wie ein Surferboy- der Traum eines jeden Mannes. „Heute?!"
„Jap heute. Ich werde dich nicht mehr belästigen, häng am besten ein Schild mit: Vierter Stock an deine Tür", scherzte ich, dann drehte ich mich um und ging, ohne überhaupt seine Reaktion abzuwarten. Mir war bewusst, dass das alles andere als freundlich war. Zwei Stufen auf einmal nehmend ging ich in mein Stockwerk und betätigte dort den Lichtschalter. Nichts geschah.
„Fuck", fluchte ich lautstark und schluck gegen die Betonwand. Geduldig sein war noch nie meine Stärke. Und gerade jetzt, wo ich mich beeilen wollte, schien nichts zu funktionieren.
Den stechenden Schmerz in meiner Hand ignorierte ich, stattdessen holte ich ein weiteres Mal aus. Ein flackerndes Licht, welches näher kam, ließ mich aber innehalten.
„Hey." Es war eindeutig Ashton, der mir mit seiner Handytaschenlampe Licht machte. „Komm, gib mir dein Schlüssel", murmelte er. Ich zögerte, gab aber schließlich nach und reichte ihm meinen Schlüsselbund, welcher mit sämtlichen Schlüsselanhängern verziert war. Schweigend öffnete er mir die Haustür und knipste im Flur das Licht an. „Danke."
„Bedank dich dafür nicht", entgegnete er. „Ich werde deine Hand noch verarzten."
„Oh nein! Du musst gehen, ich muss mich so schnell wie möglich fertig machen und wieder los", entgegnete ich und schüttelte unterstreichend meinen Kopf. Ashton schob mich bestimmt in meine Wohnung, schloss die Tür hinter sich und dirigierte mich in mein Badezimmer. Da meine Wohnung genauso aufgebaut war wie seine, war es leicht zu finden. Ziemlich forsch legte er seine Hände auf meine Schultern und drückte mich auf den Badewannenrand. „Ey!"
„Klappe! Hand!" So forsch kannte ich ihn gar nicht. Schweigend hielt ich ihm meine Hand hin und ließ ihn diese Untersuchen und verarzten. Meine Fingerknöchel waren blutig und bei Bewegung schmerzte sie.
„Ich verbinde sie. Wofür musst du dich fertig machen?"
„Halloween?", fragte ich und musterte ihn. „Türlich... warum frag ich eigentlich. Du bist aber nicht auf einer, der auf die Maßnahmen scheißt und jetzt auf einer der riesigen Straßenpartys geht, oder?"
Ich schüttelte meinen Kopf. An die Maßnahmen hielt ich mich, aber ich wollte meine besten Freunde heute noch einmal sehen. Wer wusste schon, wann wir uns das nächste Mal sehen werden.
„Nein, ich feiere mit meinen besten Freunden. Kleine Hausparty, mit maximal acht Person und das ist erlaubt."
Ashton nickte, schwieg einen Moment, dann schaute er mich schmunzelnd an.
„Okay, Deal", sagte er grinsend. „Ich verarzte deine Hand, schmink dich, das kann ich wirklich gut und fahre die hin. Wenn du so unter Zeitdruck bist, sind Unfälle vorprogrammiert und ich wollte dich eigentlich noch länger als Nachbarn haben. Eigentlich ist es ziemlich amüsant, wie du immer den vierten Stock für den fünften Stock hältst und vor meiner Tür stehst."
„Ok", willigte ich ein und schaute ihm dabei zu, wie er meine Hand verband.
„Aber dafür schuldest du mir ein Essen."
Ein Essen? Kurz sah ich in seine braunen Augen, dann aber nickte ich und stimmte dem Deal zu.
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Short StoryHier findet ihr ein Haufen Kurzgeschichten, die entweder im Rahmen verschiedener Challenges auf Belletristica entstanden sind oder einfach so aus Langerweile :D Es wird ein bunter Mix sein. Daher werde ich FSK 18 Spezial an den Kapiteln kennzeichne...