Dominic und Ryan #1

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„Vier Bier!", brüllte jemand über die Theke und lehnte sich sehr weit rüber. Dominic waren solche Kneipengäste sehr unangenehm. Je mehr man diese missachtete, desto aufdringlicher wurden sie mit der Zeit.

Während er die Bestellungen so schnell es ging abarbeitete fiel ihm ein schwarzhaariger Mann ins Auge. Er saß hinten alleine auf einer der Ledercouch und zog genüsslich an seiner Zigarette. Während er diesen Rauch langsam aus seiner Lunge gleiten ließ, war Dominic sich ziemlich sicher, dass der Blick ausschließlich auf ihm ruhte.

Er kniff einen Moment lang seine Augen zusammen und rieb sich über die Schläfen. Es war alles bestimmt nur eine Einbildung, hervorgerufen durch den massiven Schlafmangel der letzten Tage. Da halluziniert man schon mal.

Als er seine Augen wieder öffnete, glitt sein Blick zuallererst auf die schwarze Ledercouch. Sie war leer. Dominic ließ seinen Blick über die Gäste schweifen, aber nirgendwo war dieses Gesicht auszumachen, der so sexy an seiner Zigarette gezogen hatte.

„Hey!", rief jemand hinter ihm. Er fuhr erschrocken zusammen und drehte sich langsam herum. Es war das Gesicht. Der Mann lehnte halb über der Theke und hatte ein schiefes Lächeln auf den Lippen. Seine bernsteinfarbenen Augen blickten Dominic direkt an. „Was darf ich dir bringen?", fragte er bemüht locker.

„Einen Becks und einen Corana, bitte."

„Zwei? Wenn ich mich nicht irre, bist du alleine hier?", hakte er vorsichtig nach. Der Gast räusperte sich. „Nun ja... ich hatte gehofft mit dir ein Bier zu trinken."

Er klang überhaupt nicht nervös. Eher als würde er täglich solchen Aussagen treffen, zu beinahe jedem Menschen.

„Mit mir?"

„Ja!", bestätigte er. „Und was ist? Meinst du dein Kollege würde eine Weile übernehmen und du könntest eine Pause einlegen?"

„Äh. Klar! Vince? Übernimmst du?", rief Dominic. Sein Kollege gab ihm einen Daumen hoch.

Er machte nur noch die zwei Bier fertig und sah dann sein Gegenüber an. Der Gast nahm ihm das Bier ab und ging zielstrebig zu der Ledercouch, Dominic folgte. „Hey!", rief er über die Menge. „Wie heißt du eigentlich?"

Der Angesprochene schwieg. Erst stieg er die Stufen hinauf und ließ sich auf der Couch sinken.

„Verzeih... ich bin Ryan."

„Dominic", stellte Dominic sich vor.

„Ich weiß."

Verwirrt hob Dominic eine Augenbraue und sah seinen gegenüber direkt an. „Tut mir Leid! Das muss seltsam geklungen haben. Es ist nur so... ich bin immer sehr aufmerksam und kann gut zuhören. Häufig höre ich Sachen von fremden Gesprächen und kann mir diese merken."

Erleichtert stieß er die angehaltene Luft wieder aus. Für einen kurzen Moment dachte er, dass Ryan der gesuchte Stalker sei, der momentan durch die Stadt London streift. Allerdings hatte dieser Stalker bisher nur Frauen als „Opfer" auserkoren.

Dominic richtete seine Aufmerksamkeit nun vollends auf Ryan.

„Also?", fragte er. „Wie komme ich zu dem Bier?"

„Du hattest vor ein paar Tagen gegenüber deines Kollegen erwähnt, dass der Corana- Bier dein Lieblingsbier sei."

Was? Ryan war schon einmal hier gewesen? Dominic hatte ihn definitiv noch nie gesehen. Aber dennoch wurde ihm jetzt, bewusst, dass Ryan sehr aufmerksam sein musste. Und diese Aufmerksamkeit richtete er nun auf Dominic.

„Dankeschön.", erwiderte er aufrichtig. „Für dein Bier. Das war sehr aufmerksam."

Ryan nahm einen langen Schluck von seinem Beck.

„Ich schätze, das ist mein Fehler. Viele bemängeln diese Aufmerksamkeit an mir."

Dominic war ein wenig überrumpelt, er wusste keine Antwort darauf. Er saß so ziemlich einem Fremden gegenüber und sie redeten bereits über Kleinigkeiten, die so ziemlich in den persönlichen Bereich trafen.

„Was tust du denn beruflich?", fragte Dominic nach.

„Was denkst du denn?", spielte er lächelnd zurück und machte aus der einfachen Frage ein kleines Fragespiel.

„Puh... ein Autor?"

Kopfschütteln.

„Arzt?"

„Wirklich? Seh ich etwa aus wie ein Arzt?", fragte Ryan empört.

Dominic ließ seinen Blick an seinem Gegenüber entlanggleiten. Der Drei-Tage- Bart und die schwarzen Haare. Ganz zu schweigen von dem silbernen Ring an seinem linken Ohrläppchen. Nein, er war definitiv kein Arzt.

„Feuerwehrmann?"

„Vielleicht sind meine Haare deswegen so schwarz? Das ist Russ."

„Du hast einen seltsamen Humor.", entgegnete Dominic locker. Dennoch konnte er sich ein kleines Grinsen nicht verkneifen.

„Und du hast seltsame Berufsvorstellungen von mir."

„Ich dachte zuerst an einen Stalker, weil du meinen Namen und meinen Lieblingsbier wusstest.", gab Dominic zu.

Ryan jedoch lachte auf. Er machte ihm keine Vorwürfe, er lachte einfach nur.

„Ehrlich ein Stalker? Wäre ich einer, würde ich dich Zuhause abfangen oder dich entführen. Außerdem wusste ich nahezu alles von dir. Alles aus deinem Privatleben. Deine bevorzugte Sexstellung. Deinen bekannten Kreis. Deine Familie. Ich konnte dir sagen, welche Lebensmittel du gerade im Kühlschrank hast und welches Buch du momentan liest."

„Ich lese nicht", fiel Dominic ein.

„Siehst du. Ich bin kein Stalker ich bin ein Polizist."

„Ein ziemlicher junger.", murmelte Dominic in sein Glas. Er nahm einen langen Schluck.

Der Bier half Dominic dabei ein wenig lockerer zu werden. Nurso, war dieses offene Gespräch möglich.

„So jung jetzt auch nicht.", entgegnete Ryan. „Ich übernehme Stalking Fälle. Wahrscheinlich deswegen so aufmerksam."

Dominic nickte. Erneut nahm er einen Schluck. Bald war die Pause vorbei und er musste wieder hinter die Theke.

„Wieso sitzt du alleine in irgendeiner Kneipe herum?"

„Ich bevorzuge die Ruhe."

„Ruhe?", fragte Dominic lachend. „Unsere Lautstärke gleicht beinahe einem Schreien. Ruhe ist etwas anderes."

„Diese Lautstärke hilft mir beim Herunterkommen und beim Nachdenken und hat einen spannenden Nebeneffekt.", begann Ryan. Ein Lächeln legte sich auf seine vollen Lippen.

„Zum Beispiel?"

„Sehr viel Versautes. Vorgestern zum Beispiel war wohl ein Mädchen hier, die mit einem Kerl auf die Toiletten verschwunden ist. Vor einer Woche hatte eine ältere Frau einen Vibrator mit. Das war die Lachnummer des Abends. DU kannst mir nicht erzählen, dass du das nicht mitbekommen hast?", fragte er. Seine Stimme klang beinahe vorwurfsvoll.

„Nicht im ernst!", fragte Dominic nach. Auf Ryans Nicken verfielen beide in ein Lachen.

Auch wenn Ryan mit seinen Ohren überall zu sein schien und unheimlich viel mitbekam, so war Dominic die Aufmerksamkeit gewiss.

„Ich muss wieder...", murmelte Dominic und deutete zur Theke. „Wann hast du Feierabend?"

„Bald", entgegnete er.

„Gut. Ich warte! Bringst du mir noch ein Bier?", fragte er.

Dominic nickte und stand mit seinem Glas auf. „Danke fürs spendieren."

Ryans Lippen hoben sich leicht an. „Wir sehen uns."


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