13 - Die Höhle des Löwen

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Der vermeintliche Zoo, in den wir heute fahren sollten, war eigentlich gar kein Zoo, eher glich er einem übergroßen Freizeitpark. Der Lärm von Achterbahnen, Vergnügungsstän­den und der Geruch von Zuckerwatte und salzigem Popcorn strömte einem schon am Eingang entgegen. Der riesige rote Torbogen, der den Eingang zierte, glitzerte im Sonnenlicht.

Kaum hatten wir im Bus gesessen, schon hatte es angefangen zu regnen. Kaum hatte ich einen Fuß auf den Asphalt gesetzt, hörte es wieder auf. Man könnte von Glück reden, denn ich hatte meine Regenjacke nicht mitgenommen, stattdessen nur meinen Mantel, der zwar dreckig werden durfte, aber eben nicht nass.

Letztendlich wäre es egal gewesen, selbst wenn es gewittert hätte. Marly war nicht da, sie hatte auch keine Antwort auf meine Nachrichten geschickt. Ich bezweifelte, dass ich heute ohne sie Spaß haben könnte. Die Sorge atmete mir immer noch kalt in den Nacken, da half auch der schwüle Dunstschleier und der Geruch von nassen Pflanzen und Erde nichts.

Tief atmete ich den beruhigenden Duft ein, natürlich tat es keine Wirkung und meine Beine zitterten unkontrolliert. Nervosität. Vor einem Freizeitpark. Ich musste zugeben, ich war nicht oft in einem gewesen. Eigentlich gar nicht, soweit meine Erinnerung zurück reichte. Früher einmal vielleicht, ganz früher. Mit meiner Mutter und meinem Vater, der damals noch mein Vater war. Ob eine Möglichkeit bestand, dass er es jemals wieder werden würde, stellte ich gar nicht erst in Betracht.

»Hey, Kyara.« Ich spürte ein kurzes Stechen in die Seite und sah mich perplex nach der Ursache um. Es war Marissa, die mich mit ihrem Ellbogen anstieß und ihren Kopf in Richtung Eingang schnellen ließ. Dort standen die beiden Lehrer, Herr Maasen und Herr Sanders, vor einer großen Buchsbaumhecke. Sein Blick ruhte auf mir. Was war los?

»Du wurdest aufgerufen«, meinte die Schülerin neben mir knapp und entfernte sich sogleich wieder von mir. Ein kurzes Nicken von Herrn Sanders und er rief den nächsten auf. Er kontrollierte die Anwesenheitsliste.

Ich nahm mir vor, zukünftig weniger den Gedanken nachzuhängen, obgleich ich wusste, dass ich das Vorhaben bei der nächstbesten Gelegenheit sofort wieder über Bord werfen würde. Ich hätte allerdings auch gar nicht antworten brauchen, er hatte mich ja gesehen. Schon im Bus hatte er mich gesehen. Er hatte es sich überlegt und war nicht mit seinem Auto – ein Renault in dunkelblau – gekommen, sondern mit uns und unserem Geschichtslehrer mitgefahren.

Für einen Augenblick hatte es ausgesehen, als wollte er sich neben mich setzen, hätte ihn der Busfahrer nicht aufgehalten und die Strecke geklärt. Danach hatte er sich zu Herrn Maasen gesetzt. Er musste gedacht haben, Marly würde noch kommen. Jetzt stand ich alleine ohne sie unter den Schülern und hatte niemandem, mit dem ich mir den Park ansehen konnte. Sollte ich mich einfach einer Gruppe anschließen?

»Kyara«, ertönte es nochmal von vorne. Ich horchte auf und trat einen Schritt auf die Lehrer zu. »Ist Marly heute gar nicht mit dabei?«

»Nein, im Bus war sie auch nicht da. Sie fehlt schon seit gestern.«

»Weißt du, was mit ihr ist?« Eine harmlose Frage, die mir den Schweiß den Rücken hinauf trieb.

»Nein.« Mehr konnte ich nicht sagen. Mich beschlich die ganze Zeit ein Unwohlsein, so als ob ich daran schuld wäre, dass sie nicht hier war. Ihr ist bestimmt etwas passiert. Ich bin Schuld. Ich sollte nicht so denken und ich wusste das. Dennoch machte sich mein Gehirn wie fast immer eigenständig und jagte mir ein Bild nach dem anderen in die Schädeldecke. Es tat weh.

»Okay,«, meldete sich Herr Sanders wieder, »dann können wir starten. Wir werden zusammen erst einmal den Park ablaufen und den Tieren einen Besuch abstatten, danach könnt ihr in kleinen Gruppen Achterbahn fahren oder was immer ihr möchtet. Wenn etwas ist, habt ihr meine Handynummer. Stephan hat sein Endgerät unglücklicherweise bei sich vergessen. Ansonsten fragt nach Hilfe bei dem Personal.«

TxS // A Rose; A Heart; A KnifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt