8 - Todesurteil

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Jetzt. Mein Kopf wusste nicht, was ich sagen sollte, aber mein Körper tat es. Stundenlang hatte ich auf diesen Moment gewartet. Hoffte, die Wahrheit sagen zu können, aber es ging nicht. Ich musste lügen, hatte keine andere Wahl. Solange er im Raum saß, war ich gefesselt. Ich dachte an Phrasen, die ich mir vor Jahren zurechtgelegt hatte, sie mir jeden Tag in den Spiegel zuflüsterte. Meine Lippen bewegten sich fast von allein. Ein warnender Blick peitschte mir entgegen.

»Ach, das. Das ist nur Farbe. Ölfarbe. Ich male gern.«

»Herr Menten... «

»Bitte, sagen Sie Richard zu mir.« Sein Gesicht nahm für eine Sekunde die Form eines Steines an. Dann lächelte er charmant.

Die Wangen der Frau röteten sich, ich bemerkte es ganz deutlich. Ihr Mann saß nur daneben, hörte zu und genehmigte sich den kräftigen Whiskey. Eine von den Flaschen, die ich gekauft hatte. Tick, tack. Meine Gedanken, ich konnte sie nicht kontrollieren. Sie schweiften zu Herrn Sanders. Wie er die Flasche auffing, sein seltenes Lächeln, seine Augen, seine Art.

»Also gut, Richard, ich wusste nicht, dass Ihre Tochter malen kann. Dürfte ich eines ihrer Bilder sehen?«

Da war es. Nur kurz blitzte es hinter seiner Fassade auf, es war die Wut. Die Wut auf mich. Ein gefährliches Feuer. Ich hatte den Fleck nicht ordentlich abgedeckt, die Frage war aufgekommen und ich malte nicht. Sie wollte ein Bild sehen, aber wie, wenn ich nie eins angefertigt hatte? Eine dünne Seidenschur knotete sich um meinen Hals, drückte die Kehle zu, langsam, ich erstickte. Qualvoll, wie es sich mein Vater in diesem Moment wünschte.

Aber er wusste sich zu helfen. Jetzt ließ er seinen Charme spielen, lehnte sich nach links und hob sein Glas mit dem roten Wein, der mit Sicherheit mit dem hochprozentigen Weingeist versetzt war. Ein Lächeln umspielte seine Lippen und er zwinkerte.

»Ich glaube nicht, dass Sie es jetzt sehen wollen. Bestimmt ist es nicht so interessant für Sie und wenn doch, dann müsste es jetzt gerade trocknen. Aber kann ich Ihnen stattdessen eine grandiose Vanillecréme anbieten? Ist selbstgemacht.«

Auf sein Angebot kicherte sie, schon längst war sie ihm verfallen. Ihr Mann saß stumm daneben. »Also, da sag ich doch nicht nein.«

Sein Blick ging wieder zu mir. Der Bruchteil einer Sekunde sagte mir genug. Wir sprechen uns später. Sag kein Wort mehr. Verstanden? Obwohl er es nicht laut ausgesprochen hatte, nickte ich stumm und legte meine Gabel auf den Teller. Gegessen hatte ich nichts. Ich konnte nicht mehr.

* * *

»Richard, das war ein wundervoller Abend. Ich bin sicher, dass Sie Ihrer Tochter ein wundervoller Vater sind. Vielleicht haben wir ja wieder einmal das Vergnügen. Auf Wiedersehen.«

Damit waren sie gegangen. Sie würden auch nie wiederkommen. Die anderen hatten es auch nicht getan, warum also sollten sie. Ich stand im Esszimmer, einen Stapel Teller in der Hand und war dabei, sie in die Küche zu tragen. Ich sollte abwaschen, alles und allein. Doch es kam nie dazu.

Die Atmosphäre änderte sich. Komplett, um hundertachtzig Grad. Mein Vater näherte sich, schwere Schritte auf den Holzdielen und das Knurren. Dann stand er vor mir, ich stellte die Teller ab.

»Was fällt dir ein, so eine Ausrede zu benutzen? Ölfarbe, ich male gerne, hast du nicht mehr alle Tassen im Schrank?« Er kam auf mich zu, langsam, bedrohlich. Die Flasche Tequila wanderte von dem Regal in seine Hand. »Weißt du was passiert wäre, wenn die Frau auf ein Bild bestanden hätte? Und keins da ist? Was hätte ich ihr sagen sollen, hm?«

Ich wich einen Schritt zurück. »Es... es tut mir leid, ich dachte es wäre...«

»Eine gute Ausrede? Du hältst dich für schlau, hm? Denkst du könntest mich austricksen, hm? Dass sie bloß dahinter kommen, was?« Er nahm einen großen Schluck, die Hälfte der Flasche war schon weg. Wie lange konnte ich ihm standhalten, bis der Alkohol wirkte?

TxS // A Rose; A Heart; A KnifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt