Das Messer in seiner Hand blitzte im gelben Schein der Lampe. Innerhalb weniger Millisekunden hatte er mich erreicht, es ging alles so schnell. Schützend riss ich meinen Arm nach oben, ein Schrei verließ meine Lippen und ich kniff verzweifelt die Augen zusammen. Eine Sekunde verstrich, dann zwei. Nichts geschah, kein Messer, das meine Haut zerschnitt, kein heißes Blut, das meinen Pullover färbte.
Als ich vorsichtig wagte, die Augen zu öffnen, sah ich, was passierte. Mein Vater stürmte mit erhobenem Messer auf mich zu, an mir vorbei, passierte den Schrank und stürzte sich auf meinen Lehrer.
»Nein!« Meine Stimme hallte an den Wänden wieder, doch ich konnte nichts tun.
Die Hand meines Vaters holte aus zum tödlichen Schnitt, doch Herr Sanders war schneller und ihm einen Schritt voraus. So rasch und agil wie es nur jemand vom Militär tun konnte, wich er der blitzenden Klinge aus und schlüpfte rasant hinter seinem Gegenüber entlang Richtung Tür.
Ohne zu zögern versetzte er meinem Vater einen kräftigen Schlag ins Gesicht. Seine Faust traf die Nase, Knochen splitterte. Mit einem grauenvollen Knacken brach sein Nasenbein und eine Welle aus eisigem Wasser schien meine Adern zu füllen.
Plötzlich klammerten sich kalte Finger um mein Handgelenk und zogen mich hinaus auf den Flur. Meine Muskeln waren wie gelähmt. Noch nie hatte ich meinen Vater verletzt gesehen, immer war er es gewesen, der mich attackierte.
»Kyara.« Herr Sanders schüttelte mich. Ich war nur dazu fähig, auf meinen Vater zu starren, der zu Boden gegangen war.
Langsam richtete er sich wieder auf. Kaum war er auf den Beinen, erblickte er uns und verzog seine Mundwinkel zu einem boshaften Grinsen. Das Weiße an den Knöcheln seiner Hand wurde sichtbar. In seinem Blick flackerte es.
»Kyara!« Endlich rührte ich mich und sah meinem Lehrer in die Augen. Keine Angst lag in ihnen, nein, eher Respekt. Er wusste genau, mit wem er es zu tun hatte. Wie gefährlich sein Gegner werden konnte. Sein Blick flog zwischen mir, meinem Vater und der Haustür hin und her.
Es war zu spät. »Hier kommt ihr nicht mehr raus.«
Der Schlüssel in der Tür drehte sich, sie war zu. Mein Vater hatte sie schneller abgeschlossen, als wir uns überhaupt in Bewegung setzen konnten. Mit schwerfälligen Schritten, benommen von dem Schlag, schlurfte er auf uns zu.
»Kyara, du musst hier weg. Versteck dich irgendwo oder noch besser, klettere aus dem Fenster!«
»Und Sie? Wenn er Sie erwischt, sind Sie erledigt.«
»Ich weiß.«
Damit stieß er mich von sich nach hinten durch die Tür des Wohnzimmers und ich stürzte auf den Teppich. Mein Hals war zu, ich konnte nicht atmen, nicht hören, ich war blind.
»Wage es ja nicht!«
Einzig und allein die gellende Stimme meines Vaters drang in meine Glieder. Doch das war es, wodurch ich Stärke gewann. Ich rappelte mich auf, sah mich um. Leere Flaschen, eine aufgehende Mondsichel vor dem Fenster, das Licht der Lampen auf dem Flur.
Ich muss hier raus... Das war ein Kampf zwischen den Männern. Ich konnte nichts tun. Ein Kampf, auf den beide jahrelang gewartet hatten. Wut, die sich über Jahre hinweg angestaut hatte.
Ich stolperte zu einem der Fenster. Gardinen wurden aufgerissen und im selben Moment sprangen die Laternen vor dem Haus an. Meine Finger rüttelten an dem Fenstergriff, doch... verdammt, warum geht es nicht auf? Direkt sah ich, was das Problem war und ich heulte auf. Die Schlösser waren in den Griff hineingedrückt, es war abgeschlossen. Das Adrenalin in meinem Blut kochte beinahe über. Mein Vater hatte sich auf diesen Abend vorbereitet. Ich war eingesperrt.
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TxS // A Rose; A Heart; A Knife
Fiksi RemajaEin blauer Fleck zieht teuflische Ereignisse mit sich und beschwört eine Welle aus Gefühlen und Fragen herauf. Warum ist Herr Sanders so plötzlich an Kyara interessiert, warum ist über Nacht eine Schülerin tot und wie passt hier ihr gewalttätiger Va...