In der Nacht

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Mit dem Kopf voller Gedanken starrte ich die Zeltwand an. Es war erst eine Stunde vergangen, seit Markus und ich schlafen gegangen waren. Die anderen hatten sich etwa vor einer halben Stunde hingelegt.

«Markus», flüsterte ich. «Bist du noch wach?»

«Ja», kam es leise von Markus. «Kannst du nicht schlafen?»

«Nein, und du?»

«Ich auch nicht. Kommst du raus? Ein wenig Spazieren oder so?»

«Lass uns gehen», flüsterte ich grinsend und krakelte aus dem Zelt. Ich sah zu, wie Markus aus dem Zelt kletterte und musste grinsen. Irgendwie konnte ich immer noch nicht fassen, dass Markus wirklich mein Freund war. Es war zu schön, um wahr zu sein! Aber trotzdem war es wahr. Und seit unserem ersten Kuss letztes Jahr war alles noch viel schöner. Ich konnte mich echt glücklich schätzen.

«Sam?», fragte Markus und streckte mir seine Hand hin. Mist, ich hatte die ganze Zeit zum Zelteingang gestarrt und gar nicht gemerkt, dass Markus schon draussen war. Ich nahm seine Hand an und liess mich von ihm mitziehen. Ich wusste sofort, wohin er wollte. Ein wenig weiter in die Richtung war ein kleiner Bach, und die Umgebung dort war echt schön. Den ganzen Weg dorthin tauschten wir kein einziges Wort. Ich genoss einfach die Stille und Markus' Nähe. Viel zu schnell waren wir da und Markus löste unsere Hände. Er setzte sich auf einen grossen Stein und ich setzte mich neben ihn. Markus legte einen Arm um mich und ich legte meinen Kopf auf seine Schulter.

«Wieso kannst du denn nicht schlafen?», fragte ich Markus.

«Ich... Ich habe Angst», gab er leise zu. Ich merkte, wie er sich anspannte.

«Willst du mir erzählen wovor?»

«Ich weiss auch nicht...» Markus machte eine Pause. «Meine Eltern... Ich habe Angst, dass sie mir das alles wegnehmen wollen. Die Sache mit den Wilden Kerlen, die Werkstadt, dich...» Markus hörte sich traurig an.

«Das werden sie nicht fertigbringen», sagte ich grinsend und gab Markus einen Kuss auf die Wange. Er lächelte, doch der traurige Ausdruck blieb.

«Meine Eltern wollen seit ich klein bin, dass ich Tennis lerne. Und für Fussball haben sie gar nichts übrig.»

«Tennis? Wieso hast du mir das nie erzählt?», fragte ich erstaunt.

«Weil ich nicht wollte, dass du etwas Schlechtes von mir denkst...», murmelte Markus und schaute auf den Boden.

«Hey, hör zu. Mir ist es so ziemlich egal, was du für Hobbys hast und was du in deiner Freizeit machst. Ich liebe dich nicht, weil du Fussball spielst und dann auch noch gut darin bist. Und das weisst du.» Doch Markus schaute immer noch auf den Boden. Ich erhob mich.

«Komm, steh auf», forderte ich Markus auf und hielt ihm meine Hand hin. Er nahm meine Hand an und liess sich von mir hochziehen. Ich legte meine Hand um Markus' Hals und schaute ihm tief in die Augen.

«Auch wenn dir deine Eltern das alles verbieten, stehen wir hinter dir. Ich stehe hinter dir. Irgendwie werden wir das schon hinkriegen. Zusammen.» Ich legte meine Hand, die ich an Markus' Nacken hatte, an seine Wange und strich mit meinem Daumen sanft über seine Lippen. Markus schloss seine Augen und schien die Berührung zu geniessen. «Ich will nicht, dass das vorbei ist. Das mit den Wilden Kerlen. Und am aller wenigsten will ich, dass das mit uns vorbei ist. Verdammt, wir sind jetzt schon seit zwei Jahren zusammen und noch nie hat es irgendwelche Streite gegeben!» Ich merkte, wie meine Augen sich langsam mit Wasser füllten. Und dann lief mir auch schon die erste Träne über die Wange. Ich strich immer noch über Markus' Lippen und er hatte seine Augen immer noch geschlossen. «Ich will dich nicht verlieren.»

Die Wilden Kerle, die Könige der HöhlenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt