Kapitel 6: Fußstapfen - Ein Weg stets voran

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Nervös rieb Taehyung die Hände aneinander. Er konnte selbst kaum glauben, dass er tatsächlich hier stand. Aber wahrscheinlich war es schon längst überfällig, auch wenn er sich zuerst mit Händen und Füßen dagegen gewährt hatte. Doch in letzter Zeit schien sich ein schlechtes Gewissen bei ihm zu entwickeln. Ziemlich verwunderlich, dennoch wahr.

Zögerlich hob er einen Arm und klopfte an der Tür. Sein Inneres rumorte ein wenig unruhig. Normalerweise hätte er sich niemals in diesem Viertel aufgehalten. Das gehörte nicht zu seinem Standard. Es hatte ihn ziemlich viel Überwindung gekostet, überhaupt hierherzukommen. Nur musste getan werden, was getan werden muss. Zu viel Zeit war schon verstrichen.

„Ist schon gut, Ma. Ich öffne die Tür", tönte eine klare, helle Stimme aus dem Inneren der Wohnung. Er schluckte leicht, als die Schritte allmählich lauter wurden. Ehe er sich versah, wurde die Tür vor ihm geöffnet. Schokobraune Augen blickten ihm verwundert entgegen. „Kim Taehyung?" Ihre Augenbrauen zogen sich ein wenig zusammen und der freudige Glanz wich aus ihrem Gesicht. „Was willst du hier?"

Eh... Wo sollte er jetzt am besten anfangen? Sowas hatte er noch nie gemacht. „Hallo Sana..." Wow. Immerhin etwas. Vielleicht sollte er nur ein paar mehr Worte herausbekommen, denn sie sah ihn schon so an, als wolle sie in jedem Moment die Tür zuschlagen. „Ich bin hierhergekommen, um mich... bei dir zu entschuldigen." Verdammt. Das war schwerer als erwartet. Ihr Griff um die Türklinke verstärkte sich. „Gerade du willst dich entschuldigen?", spielte sie ihr Erstaunen vor, „Lass mich dir eines sagen, Kim Taehyung. So einfach wie du es dir machst, ist es nicht!"

Seine Finger krallten sich in den unteren Saum seines Oberteils. Ihm wurde so richtig bewusst, dass er noch nie wirklich jemanden um Verzeihung gebeten hatte. Seine Eltern haben ihm vieles nachgesehen. Viele hatten ihn auch während seiner Kindheit vermittelt, in seinem Stand hätte er das Recht, das zu machen, was ihm beliebte. Irgendwoher musste ja sein Egoismus stammen. Bei seiner Erziehung war einiges falsch gelaufen.

„Ich weiß, dass ich es nicht mehr gutmachen kann, was ich getan habe... und es tut mir wirklich leid, dass ich so achtlos gehandelt habe. Damals wollte ich dich nicht in eine lebensgefährliche Situation bringen, aber genau das habe ich getan. Ich realisiere langsam, dass ich oft sehr rücksichtslos handle." Klar. Von einen auf den anderen Tag würde er sicherlich nicht seine ganze Persönlichkeit umkrempeln. Wahrscheinlich würde er das auch nie so recht tun. Aber er sollte lernen, sich Fehler einzugestehen und daraus zu lernen. Man konnte durchaus ein Arschloch sein, sollte jedoch kein regelrechtes Monster sein.

„Wieso fällt dir das jetzt auf, he?!", entkam es ihr aufgebracht, „Du machst mein Leben kaputt! Meine Haut ist übersäht mit Narben und das deinetwegen!" Mit Ekel in den Augen betrachtete sie ihre eigenen Hände. Schuldbewusst ließ er den Blick senken. Tatsächlich konnte er einige Einkerbungen erkennen, die die feine Haut zierten. Auch in ihrem Gesicht konnte er die kleinen Makel erkennen. Nur wollte er sie nicht direkt Makel nennen. Ihr Aussehen war noch genauso wie vorher. Ihre schwarzen Haare umrahmten sanft ihr puppenähnliches Gesicht, welches ohne das ganze Makeup einen edlen natürlichen Charme besaß.

„Du bist trotzdem noch wunderschön", sagte er leise. Ihr Kopf hob sich blitzschnell und ihre vor Schock geweiteten Augen sahen ihm entgegen. Zugegebenermaßen hatte er sich selber ein wenig mit diesen Worten überrascht. Sana biss sich leicht auf die Unterlippe. Tränen schienen in ihren Augen zu schimmern. „Danke... aber ich kann dir leider noch nicht vergeben", erwiderte sie leise, „Dafür hast du mich zu stark verletzt... Die Erinnerung ist noch frisch und der Schock sitzt tief."

Taehyung nickte verstehend. Ihm war klar, dass er nur dieses Ergebnis hätte erzielen können. Dennoch war es ihm wichtig, sich bei ihr zu entschuldigen. Wie Jungkook schon sagte, es war das Mindeste, was sie verdiente. „Und du bist immer noch ein Idiot", fügte sie hinzu. Er lächelte schräg. „Schon klar."

Perfectly Imperfect - TaekookWo Geschichten leben. Entdecke jetzt