Rooftop

49 5 2
                                    

Ich sah Koda so entsetzt an, das meine Augen vom aufreißen anfingen weh zu tun. Koda lachte belustigt auf. "Was? Sag bloß, das hat dir hier noch niemand erzählt?" Fragte er ungläubig. Ich schüttelte langsam mit dem Kopf und suchte unten im Getümmel wieder nach Alcatraz. Er trat gerade jemandem so heftig in die Seite, das ich befürchtete der arme Kerl würde in der Mitte durchbrechen. "Aber Maekken ist so viel älter als Alcatraz..." Fing ich an zu stammeln. "Genau zwanzig Jahre, ja. Als Maekken mit zwanzig einen kleinen Bruder bekam, der im Gegensatz zu ihm 'normal'aussah, machte auf jeden Fall irgendwas "Klick" in ihm..." Meine Augen weiteten sich als ich die Puzzleteile zusammen fügte. Vor zwanzig Jahren... "Als der Krieg begann..." Flüsterte ich entsetz zu mir selbst. Koda nickte und blickte auf Alcatraz, der mit einer unglaublichen Wut auf die gepolsterten Pfosten einschlug und beim letzten, aggressivem Fausthieb laut brüllte und dann seine Stirn an den Pfosten lehnte. Er verharrte kurz, ehe er sich umdrehte und anfing, Sprints durch die Halle zu absolvieren.

Seine Wut, verstand ich langsam, kam nicht von mir oder allen anderen. Er hasste sich selbst, das erkannte ich jetzt. Er machte sich Vorwürfe, doch weshalb?

"Er denkt doch nicht, es wäre seine Schuld... was passiert ist?" Fragte ich Koda nach einiger Zeit des Schweigens. Er kaute auf seiner Lippe ehe er schließlich antwortete: "Ich habe das nie bestätigt bekommen..." Fing er zögernd an zu erzählen. "Aber wenn die Gerüchte stimmen, hat Maekken niemals etwas anderes erfunden als seine ganzen abgewandelten Elektro Folterspielzeuge. Wenn alles stimmt, was man sich hier erzählt, hat Maekken Ziv die Pläne geklaut, den Ephrographen gebaut, angewandt und... den Rest kennst du..."

Mein Mund öffnete sich, aber ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte. Doch eine Sache interessierte mich mehr als alles andere. "Aber das erklärt doch nicht, warum man sich für die Auslöschung der gesamten Erde schuldig fühlt?" Flüsterte ich, immer noch verharrte mein Blick auf Alcatraz. " Koda streckte sich  ausgiebig. "Sag. Du verheimlichst was!" Forderte ich ihn auf. Er lachte auf. "Ich kann gar nichts verheimlichen, von dem niemand weiß, ob es überhaupt wahr ist" erklärte er mir. Er sah mich lange an. "Na gut" seufzte er. "Die eine Sache, die noch erzählt wird, ist das Maekken die Pläne ungefähr ein Jahr vor dem Kriegsanfang geklaut hat, da war Alcatraz zwei. Maekken soll ihm eingetrichtert haben, einen Notfall vorzuspielen, um Ziv und Cormac abzulenken. Er hat es als Spiel verkauft. Und..."

"Jetzt denkt er, hätte er nicht mitgespielt, hätte sein Bruder die Pläne nicht bekommen" beendete ich Kodas Satz nüchtern. Der nickte nur und atmete tief durch. "Aber er war so klein!" Dachte ich laut. "Ich weiß, und jeder denkt gleich darüber. Das er nichts dafür kann. Aber ehrlich jetzt? In seinen Schuhen möchte ich trotzdem nicht stecken." Mein Schockzustand hielt noch ein paar schweigende Minuten an. Der Gedanke, Jahrelang dem Bruder von Alcatraz vorgetanzt zu haben und jetzt hier zu sein... Die Umstände waren geradezu lächerlich. Dann wich der Schock, und eine unglaubliche Traurigkeit überkam mich. Die Last, die Alcatraz auf seinen Schultern trug. Wie ich ihm erzählt hatte, was Maekken mir angetan hatte. Für ihn musste es sich so anhören als würde ich von ihm selbst reden. Ich hatte das Bedürfnis, ihn in den Arm zu nehmen. Etwas, das vor ein paar Tagen etwas so unnatürliches für mich gewesen wäre, das ich wieder einmal merkte wie anders mein Leben vor ein paar Tagen gewesen ist.
„Themawechsel" sagte Koda als er merkte das ich von den Neuigkeiten sehr aufgebracht war.
Ich nickte immernoch bedrückt und starrte vor mich hin.
„Ophelia, du solltest aufhören zu schreien" gab er plötzlich von sich. Fragend runzelte ich die Stirn und wollte ihn gerade fragen wovon zum Teufel er redete, da schubste er mich Richtung Abgrund der Plattform. Ich schrie erschrocken auf, da ich erst Sekunden später bemerkte, das Koda mich am Handgelenk festgehalten hatte. Noch im Schock klammerte ich mich an seinen Oberkörper. Erst kurze Zeit später fing ich an hysterisch zu lachen und auf Kodas Arm einzuschlagen.
Auch merkte ich erst jetzt, wie alle aus der Außenbatallion zu mir aufsahen.
Peinlich berührt sah ich zu Koda auf, der ironisch seine Hand zum Gruß hob und breit grinste, als er Alcatraz Blick auffing.
Er stand mit vom Schweiß getränktem Haar, das vor seine Augen fiel mitten in der Halle, den wütendsten Blick auf dem Gesicht, den ich je gesehen hatte.
Dann, ohne die Mine zu verziehen, kletterte er mühelos innerhalb von Sekunden zu uns hoch.
Ich war ängstlich vor seiner Konfrontation.
Er stellte sich breitbeinig direkt vor Koda. Seine gewaltigen Schultern angespannt und mit steinhartem Kiefer sah man deutlich, das er mindestens einen ganzen Kopf größer als Koda war.
Doch der ließ sich nicht von ihm beeindrucken, er grinste noch immer ironisch und sagte locker: „Na, Trazzy."

Alcatraz & OpheliaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt