Stunde 23

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Grummelnd legte Kaito seine Stirn in Falten, als er die Durchsage des Zuges mitbekam und dadurch langsam wach wurde.
„...in 10 Minuten in Tokyo ankommen", meldete die Stimme und verstummte dann wieder.
„Was?", murmelte Kaito verschlafen und öffnete die Augen. „Schon in 10 Minuten...?"
Er spürte etwas Warmes an seinem linken Ohr, richtete den Kopf auf und schaute nach, woher diese Wärme kam. Er entdeckte den noch immer schlafenden Shin'ichi, dessen Kopf auf Kaitos Schulter ruhte.
Plötzlich wurde ihm bewusst, dass die beiden die letzte halbe Stunde ziemlich dicht beieinander waren. Nervös sah er auf seine linke Hand, die nicht nur verbunden war, sondern auch noch in der rechten von Shin'ichi lag. Letzterer regte sich nun auch langsam und machte seine Augen auf.
Desorientiert suchte der Detektiv mit den Augen die Umgebung ab und blickte dann letztendlich zu Kaito hoch. Nachdem der soeben aus dem Schlaf Gerissene bemerkte, dass sein Kopf auf Kaitos Schulter lag, schreckte er hoch und starrte den Dieb mit hochrotem Kopf an.
„E-entschuldige", sagte der Detektiv peinlich berührt und versuchte den Blickkontakt mit Kaito zu vermeiden. Es machte ihn irgendwie nervös.
„Danke", meinte Kaito nur, wurde jedoch ebenfalls rot. Er lächelte leicht.
„Hm?", machte der Detektiv nur und verstand nicht ganz.
„Naja, ich kann mir gut vorstellen, dass du es warst, der mir die Hände verbunden hat", merkte Kaito an und deutete mit seinem Kopf nach unten.
Shin'ichis Blick fiel auf die Hände der beiden und lief sofort wieder knallrot an. Schnell zog er sie weg und versuchte hektisch, sich da irgendwie rauszureden.
„Ich muss wohl eingeschlafen sein, als ich sie dir verbunden habe...", überlegte Shin'ichi laut und besah sich seine Hand, die noch wohlig warm war.
Kaito öffnete den Mund um etwas zu erwidern, schloss ihn dann jedoch kurz darauf wieder.
Fragend warf der Detektiv ihm einen Blick zu.
„Ach nichts", murmelte Kaito leise und stand auf. „Wir sollten uns auf den Weg machen. Immerhin sind wir gleich sofort in Tokyo."
Zustimmend nickte Shin'ichi und stand ebenfalls auf.
Ihm fiel auf, dass außer ihnen keine Personen mehr im Wagon waren.
Er war noch ziemlich wackelig auf dem einen Bein und das andere zitterte auch wie verrückt. War das ein Wunder?
Plötzlich ging ein Ruck durch den Zug und Shin'ichi verlor den Halt. Reflexartig griff er nach dem Sitz und krallte sich mit den Händen in die Lehne.
„Hey, vorsichtig", meinte Kaito und sah Shin'ichi nun wieder besorgt an.
„Lass den besorgten Blick", meinte Shin'ichi nur und rappelte sich wieder auf. „Wo ist eigentlich dein Freund?"
Kaito sah sich um. Jii war wirklich nicht hier.
„Jii?", fragte Kaito in die Stille hinein und sah sich um. Wo war er nur? Diese Typen hatten doch nicht etwa...
„Junger Herr, ich bin hier", meldete sich Jii und kam aus einem der anderen Abteile. Erleichterung breitete sich auf Kaitos Gesicht aus. „Ich habe nur kurz der Polizei und dem Notarzt Bescheid gegeben."
Shin'ichi legte ein müdes Lächeln auf und versuchte konzentriert zu bleiben. Doch er bemerkte, dass er zu wenig Blut bekam und auch sein Bein fing an zu schmerzen.
„Keine schlechte Idee...", murmelte er und auf seiner Stirn bildeten sich Schweißtropfen. Erst jetzt merkte er, wie kaputt und erschöpft sein Körper war.
„Was ist mit dir, Kaito?", fragte Shin'ichi und sah den Dieb an. „Ich meine, weil du ja eigentlich..."
„Sie gehen auch mit, junger Herr", meinte Jii, bevor Kaito auch nur den Mund aufmachen konnte. „Sie müssen Ihre Wunden verarzten lassen. Ich mag ja oft Eure Kratzer verbinden können, allerdings sollte sich das mal ein Fachmann ansehen."
Grummelnd stimmte Kaito zu.
„Achtung, Einfahrt in den Bahnhof Tokyo!", rief die Durchsage und ließ die drei Aufhorchen.
„Dann sollten wir uns mal zum Ausgang begeben", meinte Kaito dann, schnappte sich Shin'ichis linken Arm und legte ihn sich um die Schulter.
„Hm?", machte der Detektiv nur und sah Kaito an. Die Reaktion des Diebes kam viel zu plötzlich. Er errötete leicht.
„Dein Bein tut immer noch weh, oder?", fragte Kaito ihn dann.
„Danke", antwortete Shin'ichi einfach nur und zusammen liefen sie zum Ausgang des Zuges. Als sie an der Tür ankamen, sahen sie Unmengen von Leuten, die noch aus der Stadt rauswollten oder auf Anschlusszüge warteten. Dann sahen Kaito, Shin'ichi und Jii die Polizisten am Bahnsteig stehen und als der Zug stehen blieb und sich die Türen öffneten, sahen sie sich sofort suchend nach zwei Verletzten und einem alten Mann Ausschau.
Auch Shin'ichi sah sich um. Er erblickte Inspektor Megure zusammen mit Kogoro Mori und Ran, die sich verzweifelt nach ihm umzusehen schien. Auch Inspektor Nakamori war dort mit einem jungen Mädchen, dass anscheinend seine Tochter zu sein schien und Ran verblüffend ähnlich sah.
„Nun ist auch noch Nakamori da", grinste Shin'ichi schwach und warf einen Seitenblick zu Kaito rüber, der nur etwas resigniert reagierte.
„Na super, und Aoko auch...", grummelte er. „Die hält mir 'ne Standpauke..."
Die beiden bemerkten, wie die Polizisten auf einmal ihre Blicke auf sie richteten und dann zu ihnen gerannt kamen.
„Kudo, mein Gott, ist bei dir alles okay?", fragte Inspektor Megure sofort.
„Mehr oder weniger", murmelte er dann und lächelte wieder mild.
„Shin'ichi!"
„Kaito!"
Die Schreie kamen von zwei Mädchen, die sich nun durch die Reihen der Polizisten drängten und sie ansahen.
„Oh mein Gott, was ist denn passiert?", fragten beide gleichzeitig und sahen mit besorgten Gesichtern auf die beiden. Shin'ichi wurde schwindelig, sowie heiß und kalt zugleich. Verflucht. Hatte er Fieber bekommen?
Mühsam schaffte er es, seine Hand an die Stirn zu legen. Verdammt, er glühte ja förmlich.
„Shin'ichi, was ist mit deinen Armen?!", rief Ran und sie war den Tränen nah.
„Ran, hör auf zu weinen...", flüsterte der Detektiv schwach.
„Shin'ichi?", fragte Kaito und sah zu dem Detektiv, dessen Arm langsam von seiner Schulter zu rutschen drohte.
„Er muss sofort in ein Krankenhaus!", rief Kaito dann und sah zu den Sanitätern, die weiter hinten standen.
„Was ist mit ihm passiert?", fragte sie, als sie Kaito und Shin'ichi erreicht hatten. Aoko, Ran und die anderen Polizisten sahen geschockt zu.
„Die Schrammen stammen von einem Sturz von einem Berg. Zudem wurde er am Bein von einer Kugel getroffen und dann...", Kaito schluckte schwer, bevor er den letzten Satz aussprechen konnte, „... haben sie ihn... gefoltert..."
Zum Ende hin wurde er immer leiser und er wurde sich wieder der Situation bewusst, in der er war, als er Shin'ichis Schreie gehört hatte und absolut nichts hatte tun können.
Jetzt schrie auch das Mädchen namens Ran, was ihm einen kleinen Stich versetzte, da sie oft bei Shin'ichi war, wenn er einen Coup gemacht hatte.
Als die ersten Sanitäter den schon fast bewusstlosen Shin'ichi mitnahmen, dessen Bandagen an Armen und Bein wieder rot waren und sich nun weitere um Kaito kümmern wollten, schlich sich langsam und unbemerkt eine kleine Träne Kaitos Wange hinunter.
Er durfte nicht sterben.


24 Stunden mit Kaito KIDWo Geschichten leben. Entdecke jetzt