Stunde 10

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Leicht genervt lief Nana weiter hinter Shin'ichi hinterher. Sie hatte Mühe mit ihm Schritt zu halten, denn nun war er in seinem Detektiv-Modus. Und ihn da wieder rauszubekommen war ziemlich schwer.
„Warte doch!", zischte sie und versuchte, näher an den Detektiv heranzukommen. Keine Chance. Shin'ichi rannte unbeirrt weiter.
Ein weiterer Schuss ertönte. Unweigerlich zuckten die Beiden zusammen und blieben kurz stehen.
„Verdammt", hörte Nana Shin'ichi murmeln und schon lief er weiter. Schnell eilte Nana ebenfalls weiter, durch das Dickicht und immer neben dem kleinen, etwas rotem, Bach entlang.
Leicht verzweifelt über Shin'ichis Entschlossenheit nach dieser Personen zu suchen, die erschossen wurde, wurde auch Nana immer entschlossener ihm nachzurennen und ihn davon abzuhalten. Oder zu mindestens es etwas langsamer angehen zu lassen.
Sie biss die Zähne zusammen und gab Gas.
Doch Shin'ichi schien anscheinend auch schneller zu werden, denn viel konnte Nana nicht aufholen.
Kein Wunder. Immerhin konnte sie nicht so schnell sein, wie sie gerne wollte. Sie war erschöpft und ihre Füße und ihre Lunge taten höllisch weh. Auch ihre Beine waren schon beinahe so weich wie Wackelpudding. Aber sie zwang sich weiter zu laufen. Immerhin würde dieser Detektiv sonst wahrscheinlich vor einen Pistolenlauf rennen um ein Menschenleben zu retten oder einen Mörder hinter Gitter zu bringen.
„Hey, Shin'ichi!", versuchte Nana es weiter. Doch sie wurde wieder ignoriert.
„Kann der nicht wenigstens etwas langsamer laufen?", grummelte Nana in ihren nicht vorhandenen Bart und rannte weiter.
Doch als sie gerade noch einmal einen Zahn zulegen wollte, blieb Shin'ichi abrupt stehen und Nana konnte nicht mehr bremsen. Prompt stolperte sie in ihn hinein und die beiden fielen auf den Boden.
„Entschuldige", murmelte Nana und kletterte von Shin'ichi hinunter. Eine Antwort bekam sie jedoch nicht von ihm.
Stirnrunzelnd wartete sie auf einen Kommentar wie ‚Du bist schwer' oder so etwas in der Art. Auf der Brücke hatte er ja auch kein Blatt vor den Mund genommen und dies ausgesprochen.
Stattdessen drehte er sich nur um und starrte auf etwas hinter Nana. Sein Blick war ernst und sein Blick blieb hart.
Nana schluckte und jetzt wusste sie, warum er nichts sagte. Langsam drehte sie ihren Kopf und sah hinter sich auf dem Boden eine Leiche liegen, die mehrere Einschusslöcher in ihrem Körper hatte. Gespielt zitternd stand sie auf und stieß, um ihre Tarnung zu wahren, einen wimmernden Laut aus.
„Psst, nicht schreien", meinte Shin'ichi und hielt ihr eine Hand auf den Mund.
Wenn du angeblich weißt, dass ich Kaito KID bin, warum behandelst du mich dann wie ein Mädchen?!, dachte Nana leicht genervt und versuchte die Hand auf ihrem Mund zu ignorieren, die sie irgendwie nervös machte. Du weißt doch, dass ich nicht schreien werde, also nimm die verdammte Hand weg!

Als Shin'ichi merkte, was er machte, wurde er leicht rot im Gesicht. Warum hielt er einem Jungen die Hand vor den Mund, damit er nicht schreien sollte? Das hier war Kaito KID und der würde bei einer Leiche doch nicht schreien!
Schnell zog er sie wieder zurück.
Er räusperte sich.
„Entschuldige, war ein Reflex", meinte er nur und ging in die Hocke um sich die Leiche näher anzusehen und sein rotes Gesicht zu verbergen. Auch wenn er sich nicht sicher war, ob KID es bei der Dunkelheit überhaupt erkennen würde.
„Er ist noch nicht lange tot", meinte der Detektiv und seufzte. Er besah sich die Leiche. Es war ein Mann, Mitte 30. Er hatte dunkle Haare, einen Vollbart und trug eine Jeans und ein Hemd. Auf den ersten Blick konnte er drei Einschusslöcher erkennen. Zwei in der Brust, einer auf Herzhöhe und einer knapp unter dem rechten Schlüsselbein. Und das Letzte befand sich mitten auf der Stirn.
„Wir kommen zu spät", stellte Nana fest und ignorierte einfach Shin'ichis Kommentar zu seiner Hand. Doch dann fiel ihr Blick auf etwas neben der Leiche. Sie bückte sich und hob einen kleinen weißen Zettel auf.
„Was ist das?", fragte der Detektiv und spähte über ihre Schulter.
„Eine Nachricht, so eine lag auch schon bei der ersten Leiche herum", meinte Nana und plötzlich fiel ihr die erste Nachricht wieder ein. „Stimmt ja, bei der ersten Leiche im Haus lag ebenfalls so ein Zettel herum! Ich hab sie in meine Hosentasche gesteckt und danach nicht mehr dran gedacht."
„Weißt du was da drauf stand?", fragte Shin'ichi sie alarmiert.
Nana schüttelte den Kopf.
„Leider nein, ich hab ihn mir nicht durchgelesen", bedauerte sie und sie schien verärgert über sich selber zu sein.
„Und was steht hier drauf?", wollte der junge Mann vor ihm wissen.
Schnell klappte Nana den Zettel auseinander und starrte mit Schrecken auf die Worte, die dort geschrieben waren.

Diese Rache ist noch lange nicht abgeschlossen.

„Rache...?", fragte Shin'ichi verwirrt und starrte auf das kleine Blatt. „Und wenn es heißt, dass diese noch nicht abgeschlossen ist... werden vielleicht weitere Morde passieren..."
„Das müssen wir unbedingt verhindern", meinte Nana und starrte nun Shin'ichi direkt in die Augen. „Und wir müssen uns die Nachricht auf dem ersten Zettel ansehen. Vielleicht steht da ja noch mehr drauf und wir erfahren so mehr."
Shin'ichi nickte und schaute sie nun ebenfalls an. Er starrte sie eine Zeit lang so an und wandte nicht den Blick ab.
Nana musste gestehen, dass sie sich leicht unwohl in ihrer Haut fühlte und begann mit den Füßen zu scharren.
„Wir sollten zurück", meinte er auf einmal und blickte hinab auf die Leiche. „Den hier müssen wir mitnehmen. „Ansonsten kommen vielleicht wilde Tiere."
Dann breitete sich auf seinem Gesicht ein leichtes Grinsen aus.
„Im Übrigen solltest du, wenn du das nächste Mal deine Kleidung wechselst, obenrum etwas mehr an deiner Verkleidung arbeiten. So siehst du leicht komisch aus...", murmelte Shin'ichi, schmunzelte etwas und starrte auf Nanas Brust. „Da fehlt nämlich etwas."
Langsam ließ Nana den Blick an sich herunterwandern und innerlich hätte sie sich am liebsten eine Ohrfeige verpasst. Wie hatte sie das vergessen können?!
Sie seufzte schwer und wollte gerade zur Antwort ansetzten, als das Geräusch eines Schusses die kurze Stille durchbrach.
Shin'ichi riss die Augen auf... und kippte nach vorne, genau auf Nana zu.
„Was...?", wollte sie fragen, doch da sank er kraftlos zusammen und drückte eine Hand auf sein rechtes Bein. Er kniff ein Auge zu und stützte sich mit der anderen Hand auf dem Boden ab.
„Hey, komm, Shin'ichi, mach jetzt keinen Mist, ja?", meinte Kaito, diesmal mit seiner normalen Stimme, die jedoch leicht brüchig und ungläubig klang. Hätte er keine Maske aufgehabt, hätte sein Gesicht wie ein Gespenst im Wald gewirkt, so blass war er.
„Du... gibst es ja jetzt doch endlich... zu...", meinte der Detektiv und hob seinen Kopf.
Ein weiterer Schuss, der in den Baum neben die Beiden einschlug.
„Bei dem Beweismaterial ist es ja auch schwierig irgendetwas zu leugnen", ächzte er, als er einen von Shin'ichis Armen nahm, ihn sich um die Schulter legte und sich nun aufrichtete.
„Du bist ja... selber dran schuld...", keuchte Shin'ichi angestrengt.
„Hör endlich auf zu reden, Tantei-kun", meinte Kaito und setzte sich in Bewegung. „Wir müssen dich hier wegschaffen. Oder willst du noch eine Kugel abkriegen?"
„Da... hast du Recht", stimmte ihm Shin'ichi zu und sein Gesicht verzog sich vor Schmerzen, als er anfing, den Hügel hinunterzugehen.
„Wirst du jetzt wohl ruhig sein?", fragte Kaito zähneknirschend. Shin'ichi war nicht leicht zu halten und er rutschte ihm manchmal fast weg. „Oder muss ich dich erst wieder dazu zwingen?"
„Nein...", gab sich Shin'ichi zufrieden. „Ich... bin... ja schon... still..."
Kaito grinste in sich hinein, gleichzeitig schlich sich aber auch ein beklemmendes Gefühl in seine Brust. Keine Ahnung, was das war, aber es war verdammt komisch und unvertraut. Während er so grübelte, bemerkte er kaum, dass es nun steiler hinab ging.
Kaum hatte er seinen Blick wieder auf den Boden gerichtet, zog es ihm plötzlich den Boden unter den Füßen weg und er verlor das Gleichgewicht. Schlitternd stürzten die beiden Flüchtenden hinab, knallten hart auf den Boden und rollten weiter den Abhang hinab. Kaito versuchte noch, Shin'ichis Hand zu erwischen, doch diese glitt ihm durch seine rutschigen Finger. Er konnte noch einen kurzen Blick mit Shin'ichi wechseln, der Kaito besorgt ansah, dann stürzten beide weiter und verloren sich aus den Augen.

24 Stunden mit Kaito KIDWo Geschichten leben. Entdecke jetzt