Stunde 15

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Kaum hatte Kaito die Augen aufgemacht, war er auch schon hellwach. Kein Wunder. Jeder hätte sich erschrocken, wenn das Gesicht seines eigentlichen Gegners nur wenige Zentimeter von seinem eigenen entfernt war. Überrascht und verwirrt robbte er mit seinem Körper zurück und brachte so Abstand zwischen sich und den Detektiven, der immer noch selig zu schlafen schien.
Er musste sich im Schlaf umgedreht haben, denn er wusste, dass er mit dem Rücken zu Shin'ichi eingeschlafen war.
Wie spät es wohl jetzt war?
Gerade als er sich aufsetzten wollte, grummelte Shin'ichi irgendwas im Schlaf und runzelte unbewusst die Stirn.
Kaito sah den Detektiv an. Lange musterte er sein Gegenüber im Gesicht und besah sich jede Falte, sogar die kleinen Schrammen in seinem Gesicht, die nun über die Nacht rot geworden waren.
Es war zwar noch immer dunkel draußen, doch mittlerweile schien schon wieder die Sonne aufzugehen, denn andererseits hätte Kaito Shin'ichis Gesicht nicht so gut erkennen können.
Außer dem Drang, endlich aufzustehen und seinen Blick von Shin'ichis Gesicht loszureißen, da Kaito wusste, dass er ihn schon viel zu lange anstarrte, schlich sich noch ein weitere in sein Unterbewusstsein.
Und zwar der, die feinen Wunden in seinem Gesicht zu berühren und mit seinen Fingern nachzuziehen.
Warte, was?
Schnell zog er seine bereits ausgestreckte Hand zurück. Geschockt über seine Unachtsamkeit einfach einem Drang nachzugehen, den erst seit so kurzer Zeit verspürte. Ein ziemlich ungewohnter und komischer Drang. Und wieso verspürte er ihn ausgerechnet bei seinem Gegner?! Das war doch einfach verrückt.
Schnell riss er den Blick von Shin'ichi weg und richtete sich erschrocken auf. Schnell fasste er sich mit seiner Hand an den Kopf, um zu fühlen, ob er vielleicht Fieber bekommen hatte und durch den Fieberwahn so etwas komisches fühlte.
Doch er konnte nichts fühlen. Was vielleicht auch daran lag, dass seine Hände ja noch verbunden waren und so sein Empfinden durch diese verhinderte. Er dachte daran, wie Shin'ichi sie verbunden hatte...
Nein, nein, nein! Kaito schüttelte energisch den Kopf. Etwas zu energisch, denn die Welt fing an sich zu drehen und er bekam Kopfschmerzen.
Nach einer kurzen Zeit ließen diese endlich nach und er stand leise auf, damit der Detektiv nicht wach wurde.
Sein kompletter Körper tat höllisch weh. Seine Muskeln brannten und fühlten sich unsagbar schwer an. Er schleppte sich langsam zu einem Stuhl und setzte sich darauf ab. Durch den Schlaf hatten sich seine Muskeln entspannt und taten nun doppelt so weh.
Kaum zu glauben, dass das alles erst ein paar Stunden her war.
Genau, er hatte vor, nachzusehen, wie spät es war.
Wo hatte Shin'ichi noch gleich seine Uhr hingelegt?
Der Meisterdieb sah sich um und entdeckte sie auf dem gammligen Tisch, der in einer Ecke der Hütte stand. Er stützte sich ab und hätte beinahe ein Keuchen von sich gegeben, so sehr war sein Körper zerschunden und aufgeschlitzt worden. Ihm schmerzte jeder Schritt, jetzt, nachdem er sich ausgeruht hatte und er zur Ruhe gekommen war. Er musste sich zusammenreißen, damit seine Knie nicht unter ihm nachgaben und er zusammenbrach. Aber das funktionierte nicht. Sie knickten ihm weg, kurz bevor er den Tisch erreichte. Mit einem Krachen landete auf dem Boden und weckte somit den anderen Flüchtenden, der vorher noch friedlich geschlummert hatte.
Shin'ichi schreckte hoch und sah Kaito auf dem Boden liegen. Er wollte aufspringen, doch sein angeschossenes Bein verbat es ihm und auch er knickte ein. Doch mit zusammengebissenen Zähnen humpelte er dann zu Kaito hin.
„Hey, ist alles in Ordnung?", fragte Shin'ichi und der Meisterdieb dachte für einen Moment sogar, dass ein klein wenig Besorgnis in seiner Stimme mitschwang. Aber wahrscheinlich war das nur eine Einbildung von ihm, der durch die Schmerzen in seinem Körper kam.
„Mehr oder weniger", grummelte Kaito genervt davon, dass er auf dem Boden lag. Normalerweise wäre ihm so etwas doch nie passiert...
Er stützte sich mit seinen Armen und Händen ab, die dabei mehr als nur ein klein bisschen zitterten und setzte sich auf.
„Mein Körper hat sich nur dazu entschieden sich etwas kaputt anzufühlen", murmelte Kaito und hielt sich den Kopf. Seine Kopfschmerzen waren wieder zurück. „Kein Grund zur Sorge, das wird schon wieder."
„Meinst du das ernst?", fragte Shin'ichi kopfschüttelnd und sah den KID streng an. „Weißt du, wie das gerade aussah? Kaum werde ich wach, seh ich dich auf dem Boden liegen und vor Anstrengung schaffst du es kaum noch, dir wieder alleine mit deinen Armen hochzuhelfen! Und du meinst, dass man sich da keine Sorgen machen soll, KID?"
Shin'ichis Stimme wurde immer lauter und Kaito starrte den Detektiv einfach nur entgeistert an. Er hatte ja schon manchen Rüffel von ihm bekommen, besonders in der Hinsicht darauf, dass er ein Dieb war und somit ein Gesetzesbrecher. Aber nie im Leben hätte er erwartet, dass der Detektiv sich einmal Sorgen um ihn machen würde, so dass er ihn sogar anschrie. Nein, daran hatte er nicht einmal im Traum dran gedacht.
„Geht es dir gut?", fragte Kaito deshalb einfach nur und sah Shin'ichi leicht grinsend an. Er musste seine Verlegenheit irgendwie überspielen.
„Was?", fragte Shin'ichi und war nun gänzlich verwirrt. „Warum fragst du mich, ob es mir gut geht? Du bist doch derjenige, der hier umgekippt ist!"
„Naja... Du sorgst dich um deinen Feind. Also ich würde darauf tippen, dass du unter Fieber leidest", sagte Kaito und legte prüfend ein paar Finger an Shin'ichis Stirn und die seiner anderen Hand an seinen Hals. Dann schüttelte er den Kopf.
„Okay, du hast zwar kein Fieber, aber was ist dann mit dir los? Hast du dir vielleicht den Kopf angeschlagen?", fragte Kaito, darauf bedacht seine wärmer werdenden Finger zu ignorieren, die er nun von Shin'ichis Stirn zurückzog.
Genervt runzelte der Detektiv die Stirn.
„Ist das dein Ernst? Warum sollte ich mir keine Sorgen machen? Wir stecken im Moment ziemlich in Schwierigkeiten und falls wir uns jetzt nicht umeinander kümmern, dann werden wir es nie schaffen, uns zu verteidigen und hier rauszukommen."
Wütend packte Shin'ichi Kaito an den Schultern und zwang ihn so, ihm in die Augen zu sehen.
„Also fang jetzt bitte nicht mit solchen Sachen an, diese Fragen kannst du dir für die Zeit sparen, wenn wir das alles hinter uns haben."
Kaito schloss die Augen, dachte kurz nach und fasste dann mit seinen Händen Shin'ichis Arme.
„Na gut... Wenn du willst, dass ich aufhöre solche Fragen zu stellen, musst du mir aber was versprechen", sagte er und blickte dem Detektiv nun entschlossen in die Augen. „Versprich mir, nie wieder solche Alleingänge wie heute Nacht."
Shin'ichi nickte, dann lächelte er.
„Jetzt machst du dir ja auch Sorgen", grinste er leicht und Kaito hielt es fast nicht mehr aus. Dieser Detektiv war doch einfach....
„Du bist so ein Idiot", meckerte Kaito nur noch, ließ von Shin'ichis Armen ab und sank in sich zusammen.

24 Stunden mit Kaito KIDWo Geschichten leben. Entdecke jetzt