Stunde 5

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Sein Hinterkopf pochte unaufhaltsam. Aus der Ferne vernahm er Stimmen und weitere Geräusche. Irgendwo bellte auch ein Hund.
Langsam öffnete Shin'ichi die Augen. Er faste sich mit der Hand an den Kopf und versuchte mit Bedacht aufzustehen. Seine Sicht war noch verschwommen, als er an seinem Hinterkopf etwas Klebriges ertastete. Er kniff ein paar Mal die Augen zusammen und nachdem er wieder etwas klarer sehen konnte, besah er sich seine Hand.
Auf einmal riss er seine Augen weit auf. Was er dort sah, war Blut. Und zwar noch nicht sehr altes Blut. Sein Blut. Er fasste noch einmal auf seinen Hinterkopf und zuckte sofort zusammen. Die Wunde war noch offen und sie brannte höllisch.
Dann sah er das Blut auf dem Boden und die Leiche.
Er erinnerte sich. Er hatte mit dieser Nana das alte Anwesen auf dem Berg durchsucht und die Leiche dieses Mannes hier gefunden. Und danach... danach war er niedergeschlagen worden.
Was war mit Nana passiert? Und wo war der Angreifer?
Shin'ichi sah sich um. Er konnte den Kopf nur langsam bewegen, die Wunde am Hinterkopf schmerzte noch zu sehr.
„Na, auch mal wieder wach?", fragte eine Stimme leicht trocken und ohne jeden Enthusiasmus.
Shin'ichi sah zu den Fenstern. Nana saß an der Wand. Eine Blutspur war über ihr Gesicht heruntergelaufen und sie sah Shin'ichi leicht benebelt an.
„Dieser komische Kerl", meinte Nana. „Der hat uns einfach einen dämlichen Knüppel über den Kopf gezogen."
„Du hast den Angreifer gesehen?", fragte Shin'ichi aufgebracht und krabbelte auf Nana zu. Sein Kopf pochte wieder wie verrückt und er stürzte beinahe zu Boden.
„Wow, sei vorsichtig!", rief Nana und versuchte Shin'ichi zu stützen. „Oh mann, dich hat es ja echt schlimm erwischt."
Die junge Frau sah sich die Wunde an.
„Die blutet ja immer noch!", meinte sie entsetzt.
„Das ist nicht so wichtig", sagte Shin'ichi. „Sag mir lieber, ob du den Angreifer gesehen hast!"
Nana schüttelte bedauernd den Kopf.
„Leider nicht", antwortete sie Shin'ichi. „Als du niedergeschlagen wurdest konnte ich auch nur noch einen Knüppel sehen, danach war auch mein Kopf am Dröhnen."
Shin'ichi seufzte resigniert und raufte sich die blutverklebten Haare. Erst jetzt bemerkte er, dass auch ihre Kleidung teilweise blutig war.
„Wie lange waren wir bewusstlos?", dachte Shin'ichi laut.
„Laut der Sonne müsste es ungefähr eine dreiviertel Stunde gewesen sein", sagte Nana. „Und seit ein paar Minuten sind unten ein paar Leute mit Hunden versammelt."
Shin'ichi stand vorsichtig auf. Der pochende Schmerz an seinem Hinterkopf hatte leicht nachgelassen.
Er sah hinaus.
„Dort unten sind ja Polizisten!", meinte Shin'ichi und konnte seinen Augen nicht trauen. Dann hörte er schnelle Schritte, die die Treppe hinaufstürmten und schließlich sahen Nana und Shin'ichi drei Polizisten, die erst auf die blutüberströmten Anwesenden sahen und danach auf die Leiche.
Sofort zückten die Gesetzeshüter die Pistolen und richteten sie auf Nana und Shin'ichi.
Mit geschockten Augen starrten die beiden auf die Pistolenläufe, die sich auf sie richteten.
„Hände hoch und sofort aufstehen!", rief einer der drei. „Na los, macht schon!"
Langsam standen Shin'ichi und Nana auf und hoben die Hände. Zwei der Polizisten stürmten auf sie zu, nahmen ihre Hände, zogen sie nach hinten und legten ihnen Handschellen an.
„Wir haben hiermit nichts zu tun!", protestierte Nana gegen die Fesseln. „Das ist alles nur ein Missverständnis!"
„Das ich nicht lache!", meinte der eine Polizist. „Los! Vorwärts!"

Mittlerweile war die Sonne fast ganz hinter den Bergen verschwunden und vorm Haus wimmelte es nur so von Polizisten. Shin'ichi und Nana standen nebeneinander und wurden vom hiesigen Inspektor verhört.
„Sie sagen also, Sie hätten nichts damit zu tun?", fragte der Inspektor und sah die beiden scharf an.
„Ja", erklärte Shin'ichi. „Wir sind lediglich hier, da wir einen Brief bekommen haben. Es hieße, wir sollten alleine kommen und hier auf jemanden warten. Allerdings stand auf dem Brief kein Absender."
Der Inspektor musterte sie scharf. Dann seufzte er.
Shin'ichi hatte es geahnt. Dieser Inspektor hatte sie von Anfang an schon sehr misstrauisch beäugt und ihnen nicht sehr vertraut. Verdammt, das nahm einen schlechten Verlauf. Wie hatte er so unvorsichtig sein können? Ein schöner Detektiv...
„Und diese Geschichte soll ich Ihnen beiden abkaufen?", fragte er argwöhnisch und blickte auf seine Notizen. „Das kann doch nicht Ihr Ernst sein. Meine Männer haben Sie Beide oben im ersten Stock blutüberströmt gefunden und neben Ihnen lag die Leiche zusammen mit der Mordwaffe. Wie können Sie da behaupten, Sie haben nichts mit dem Mord zu tun? Tut mir ja Leid für Sie, aber im Moment sind Sie unsere Hauptverdächtigen. Wir müssen Sie leider einer Leibesvisitation unterziehen und Sie mit aufs Präsidium nehmen."
Er sah auf und blickte erschrocken drein.
„Wo ist sie denn hin?", fragte er und starrte auf den Platz neben Shin'ichi, wo vor nicht allzu langer Zeit noch Nana gestanden hatte. Doch nun war der Platz leer.
„Geht sie sofort suchen!", rief der Inspektor zu seinen Männern. „Und du! Du bewachst unseren Verdächtigen!" Er deutete auf einen Polizisten neben ihn.
„Sehr wohl, Inspektor!", salutierte der junge Polizist.
Alle anderen schwärmten aus um Nana zu suchen.
„Das ging ja leicht", wisperte der Polizist und schnappte sich Shin'ichis Arm. „Na dann mal los, wir sollten uns beeilen!"
Shin'ichi begriff überhaupt nichts. Er rannte dem Polizisten nach, besser gesagt er wurde mitgeschleift, mitten ins Haus hinein. Dort schnappte sich der Polizist ihre Sachen, öffnete Shin'ichis Handschellen und schleifte ihn dann wieder hinter sich her, direkt in den Wald hinein.
Sie rannten immer weiter hinein, bis sie nicht mehr konnten und kurz zum Verschnaufen pausierten. Shin'ichi stützte die Hände auf die Knie und holte tief Luft. Auch der Polizist lehnte sich an einen Baum und holte Luft.
Dann nahm er seine Mütze ab und unter dem Hut kamen Nanas Haare zum Vorschein.
„Ein Glück, das war nochmal knapp", meinte sie und seufzte erleichtert auf. „So schnell sollten die uns nicht mehr einholen."
Shin'ichi jedoch sagte nichts. Er ging einfach nur auf die Frau zu und stoppte auch nicht einen Meter vor ihr. Er musste das fragen. Er hatte schon eine leichte Ahnung. Allerdings war er sich nicht ganz, ob es stimmte oder nicht.
Nana sah verdutzt zu ihm nach oben und schien leichte Panik zu bekommen.
„Sag mal...", begann Shin'ichi und blieb dicht vor Nana stehen, in der Hoffnung, die Wahrheit in diesem Blick zu erkennen,

„...du bist doch Kaito KID, oder?"

24 Stunden mit Kaito KIDWo Geschichten leben. Entdecke jetzt