Stunde 6

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„...du bist doch Kaito KID, oder?"


Verdammt!, dachte Nana, alias Kaito KID, das war anscheinend doch ein Schuss in den Ofen... Allerdings konnte ich nun mal nicht ins Gefängnis und hätte ich ihn alleine gelassen, hätte er nachher nur rumgemeckert, warum ich ihn hab sitzen lassen. Typisch Detektive...

Shin'ichi sah Nana immer noch scharf an. Sein Blick versuchte immer noch weiter durch diese Augen zu sehen. Die indigofarbenen Augen von Nana sahen Shin'ichi normal an.

Mist, mist, mist, dachte Kaito und Angstschweiß machte sich breit. Du musst dich fassen! Versuch nachzudenken. Was würde ich...

Auf einmal ging Kaito ein Licht auf. Auch wenn diese Idee komplett verrückt war und total hirnrissig, könnte es klappen. Im Moment war zwar die Flucht wichtiger, aber er musste auch diesen Detektiv-Trottel davon abbringen, dass Nana nicht Kaito KID war. Denn wenn Shin'ichi jetzt seine Maske abnehmen würde, wäre alles aus und er würde wissen, wie er in echt aussehen würde. Allerdings wäre das seine letzte Maßnahme.
„Quatsch, wie kommst du auf diese Idee?", fragte Nana vorerst.
Shin'ichi trat etwas zurück.
„Und seit wann duzen wir uns?", fragte er argwöhnisch. „Ich erinnere mich, dass du damit angefangen hast. Warum?"
„D-das war nur aus Reflex..."
„Ach wirklich?"
„Ja, du...äh... - ich meine natürlich Sie – lagen dort mit einer Kopfverletzung rum und sind fast umgekippt."

Wie konnte mir nur der Fehler mit dem Du passieren?, dachte Kaito verbittert und innerlich wusste er, dass er schon fast verloren hatte.

„Und als Sie von Kaito KID gesprochen haben?", fragte Shin'ichi.
„Sei still", flüsterte Nana.
„Und als wir gerade geflohen sind?"
„Ruhe."
„Warum wolltest du unbedingt vor der Polizei fliehen?"
„Ruhe."
„Du weichst aus, Kaito KID", meinte Shin'ichi und begann langsam zu grinsen.
„Ruhe."
„Du bist nicht gerade gesprächig."
„Du sollst still sein."
„Und warum hast du dich so an mich geklammert?" Der Detektiv sah den verkleideten Dieb argwöhnisch an.

Kannst du mal aufhören, alle peinlichen Sachen wieder hochzuholen?, wollte Kaito KID peinlich berührt sagen, doch er hielt lieber die Klappe.

„Ich hatte nun mal Angst", redete Nana sich heraus. „Und jetzt sei doch mal bitte still!"
Nanas Hand schnellte vor und hielt Shin'ichi den Mund zu. Sie sah sich um. Verdammt...
Der Detektiv jedoch nahm die Hand wieder von seinem Mund und sah Nana nun etwas genervt an.
„Hör auf mit deinen Scherzen!", meinte Shin'ichi.
„Ich mach keine Scherze!", sagte Nana leicht empört, auch wenn das leicht gelogen war. „Und jetzt seien Sie endlich still!"
Sie sah ihn ernst an. Anscheinend hatte sie keine andere Wahl...
Nana packte Shin'ichi bestimmt am Arm, hielt eine Hand vor seinen Mund und... küsste ihn so.

Die Augen des Detektivs weiteten sich und starrten Nana verwirrt an. Er hatte fast mit allem gerechnet. Dass Nana es bis aufs äußerste abstreiten würde. Dass sie sich eine Ausrede einfallen lassen würde. Dass sie vielleicht abhauen würde. Aber nicht damit...
Nana jedoch löste diesen indirekten Kuss wieder, packte seine Hand und zog ihn hinter sich her.
Shin'ichi war vollkommen fassungslos, als er zurück blickte und einige Lichtstrahlen direkt auf den Platz zu laufen sah, wo sie vorhin noch gestanden hatten. Die Polizei war ihnen dichter auf den Fersen als gedacht.

Deswegen wollte sie also, dass ich ruhig sein sollte..., dachte Shin'ichi und ließ sich nun nicht mehr von Nana mitziehen, sondern rannte für sich alleine.

„Das man dich immer erst ruhig kriegen musst, bevor du merkst was los ist!", schimpfte Nana, während sie durch das Gebüsch rannten. Shin'ichi hatte leicht Mühe mit ihr mitzuhalten. Der Berg ging weiter hinunter und das Gefälle nahm immer mehr zu. Sie hatten Schwierigkeiten abzubremsen, als Nana auf einmal versuchte stehen zu bleiben.
„Warte, da vorne ist ein Abgrund!", versuchte Nana Shin'ichi zu sagen und auch er bremste ab.
Gerade noch rechtzeitig schafften sie es stehen zu bleiben. Nanas Fuß war vielleicht ein paar Zentimeter vom Abgrund entfernt.
„Das war knapp, was Tan-", sagte Nana, verschluckte den Satz jedoch schnell und hustete ein paar Mal.
„Alles okay?", fragte Shin'ichi.

Puh, ein Glück, dachte Kaito und seufzte innerlich auf,fast hätte ich mich noch verplappert.

Wollte sie mich gerade Tantei-kun nennen?, dachte Shin'ichi und versuchte Nana so normal wie möglich anzugucken.

Der Abgrund war ziemlich tief und die Wände führten steil nach unten. Den Boden konnte man nur leicht erkennen, da es kurz vor Sonnenuntergang war. Es sah so aus, als wenn die Schatten in der Schlucht immer näher an den oberen Rand kommen würden um sie zu verschlingen.
Shin'ichi und Nana sahen sich um.
„Dort hinten ist eine Brücke!", rief Nana und lief weiter nach rechts. Weiter hinten konnte man eine Hängebrücke sehen. Sie blieb nicht eher stehen, bis sie sie erreicht hatte.
Der Detektiv kam schnaufend hinter ihr zum Stehen.
„Wollen wir... da wirklich... drüber?", fragte Shin'ichi nach Luft schnappend. Er deutete auf die Brücke, die schon etwas älter zu sein schien.
„Die einzige Möglichkeit", meinte Nana. „Denk doch mal nach. Diese Polizisten kamen dir doch auch komisch vor, oder?"
„Das stimmt schon", meinte Shin'ichi. Irgendwie war ihm der Inspektor schon von Anfang an etwas komisch vorgekommen. Irgendetwas war an ihm verdächtig gewesen.
„Also komm, entweder wir gehen rüber oder du lässt dich von diesem Inspektor gefangen nehmen", sagte Nana.
Ohne eine Antwort von Shin'ichi abzuwarten setzte sie einen Fuß auf die brüchige Hängebrücke. Es knarzte gewaltig, doch trotzdem ging sie weiter. Mit den Händen an dem Geländer tastete sie sich Schritt für Schritt vorwärts.
„Lass mich zuerst ganz rübergehen", meinte Nana und drehte nur den Kopf zu Shin'ichi um. „Wenn wir beide hier drauf laufen wird die Brücke in sich zusammenfallen. Ist das okay?"
Shin'ichi nickte.
„Sei vorsichtig", mahnte er.
Nana nickte und sah wieder nach vorne. Während die junge Frau weiter über die Brücke ging, blickte Shin'ichi sich um und hielt nach den Polizisten Ausschau. Allerdings konnte er nichts sehen und hören ebenfalls nicht. Ein Glück...
Glück...?

Verhalte ich mich nicht gerade genauso wie ein Täter auf der Flucht?, dachte Shin'ichi. Nein, diese Kerle waren ihm nicht ganz Geheuer. Es war nur logisch, dass sie jetzt geflüchtet waren. Geglaubt hätten sie ihnen sowieso nicht. Aber war es wirklich richtig das so zu lösen? Nun ja, jetzt hatten sie auf jeden Fall keine andere Wahl als weiterzulaufen. Immerhin wäre es nun eine ziemlich doofe Idee wieder zu der Polizei zurück zu gehen.

Er wollte sich gerade noch einmal umdrehen, als ein lautes Krachen und ein Schrei vor ihm ihn aus seinen Gedanken rissen.
Dort, wo Nana gestanden hatte, war die Brücke eingestürzt. Und Nana war nirgendwo zu sehen.

24 Stunden mit Kaito KIDWo Geschichten leben. Entdecke jetzt