13. Mitten auf den Mund

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Den ganzen Abend hatte ich mir Gedanken darüber gemacht, ob ich mich tatsächlich um neun mit Kyle treffen sollte. Ich wusste ganz genau, was er vorhatte. Er wollte rummachen. Ich war mir unsicher, ob ich mich darauf einlassen sollte, doch wenn ich ehrlich zu mir war, dann wollte ich es. Er zog mich wie magisch an und ich genoss seine Nähe irgendwie. Außerdem hatte sich die Problematik mit dem „Er ist ein Idiot" ja erledigt. Kyle war nett, sah gut aus und ich hatte viel Spaß mit ihm. Warum sollte ich mich also nicht mit ihm treffen? 


Somit schlich ich mich um kurz vor neun davon und ging zu dem Geheimgang. Ich musste nicht lange warten, da öffnete sich das Portrait erneut und Kyle kam herein. „Du bist hier", begrüßte er mich wieder. „Ich bin hier. Und du bist angezogen, das ist ein Fortschritt." Obwohl es wieder dunkel war, und er mich nicht sehen konnte, grinste ich ihn an. „Ach wirklich? Ich hätte eher gedacht, du wärst traurig darüber." Seine Stimme klang nun etwas rauer als vorher und ich spürte, wie er mir näherkam. Ich musste dringend etwas dagegen tun, dass er die Oberhand gewann! Langsam tastete ich nach ihm und legte meine Arme um seinen Hals. „Wenn du brav bist, zieh ich dir vielleicht nachher das Shirt aus", flüsterte ich schmunzelnd. „Und was, wenn ich gar nicht brav sein will?" Einen Moment lang hielten wir inne, dann trafen unsere Lippen wie zwei Magnete aufeinander. 


Kyle dirigierte mich an die Wand und küsste mich leidenschaftlich. Seine eine Hand ruhte an meiner Taille, die andere in meinem Nacken. Ich genoss es, von seinen starken Armen gehalten zu werden und seine weichen Lippen zu spüren. Er war fordernd, aber nicht grob. Er hielt mich fest, aber nicht so, dass es unangenehm war. Die Wand in meinem Rücken war kalt, doch seine Körperwärme machte das wett. Ich fühlte mich wie in Trance, doch war mir der Situation vollkommen im Klaren. Kyle war definitiv der beste Küsser, den ich kannte.


Als er nach einer Weile mit seinen Händen auf Wanderschaft gehen wollte, hielt ich ihn zurück und übernahm das Ruder. Ich stieß mich von der Wand ab und begann über seinen Oberkörper zu streicheln. Bei seinem Saum angekommen, griff ich danach und zog ihm das Shirt über den Kopf. „Und dabei war ich alles andere als brav...", meinte er leise lachend. „Halt die Klappe", wies ich ihn grinsend an. Dann küsste ich ihn wieder und begann nun seinen nackten Oberkörper zu erkunden. Merlin, hatte der Muskeln! Als er meine Finger spürte, zischte er auf und es bildete sich sofort eine Gänsehaut. „Deine Hände sind eiskalt!" Ups! Er übernahm wieder das Ruder und begann seinerseits meinen Körper zu erkunden.


Nach einer Weile löste ich mich widerwillig von ihm. „Ich muss jetzt zurück, die anderen Fragen sich bestimmt schon, wo ich bin." „Sollen sie doch", murmelte Kyle und knabberte sanft an meiner Halsbeuge. „Es ist auch gleich Nachtruhe, da müssen wir eh in unseren Gemeinschaftsräumen sein", argumentierte ich weiter. „Das hat dich sonst auch nie gestört." Er küsste sich wieder hoch zu meinen Lippen, doch ich drehte meinen Kopf zur Seite „Kyle!" Er stöhnte frustriert auf und ließ von mir ab. „Na schön, wenn's sein muss. Warte mal, hast du mich gerade Kyle genannt?" Schon klang er wieder fröhlicher. „Möglich", erwiderte ich. „Du hast mich nicht Zabini genannt!", stellte er fest. „Du magst mich." Ich konnte das Grinsen förmlich in seiner Stimme hören. „Bild dir bloß nichts drauf ein!", gab ich zurück und schnappte mir meinen Zauberstab. „Lumos!" Sofort erhellte ein kleiner Lichtball den Gang. Bei der Dunkelheit hätten wir unsere Oberteile nie auf dem Boden gefunden. Kyle bückte sich sofort und hob meinen Pulli und sein Shirt auf. „Danke!", sagte ich, als er mir den Pulli reichte und zog ihn mir über. Dafür musste ich den Zauberstab wegstecken und es wurde wieder dunkel in dem Gang. 


Sobald wir wieder angezogen waren, tastete ich nochmal nach ihm und zog ihn für einen kurzen Kuss an mich. Dann lief ich zum Ausgang. „Ach Kyle?" „Roxy?" Es gefiel mir, dass er mich so nannte. „Das hier ist nie passiert, klar?" „Was soll nie passiert sein?", erwiderte er sofort. „Also ich war nur ein bisschen frische Luft schnappen." Lächelnd verschwand ich aus dem Gang.


„Da bist du ja!", rief Claire, als ich in unseren Schlafsaal kam. Elana und Ann waren noch nicht da. „Wo warst du?", fragte Rose. „Du warst plötzlich weg." „Ich war nochmal kurz in der Bibliothek", gab ich möglichst beiläufig meine Ausrede wieder, die ich mir unterwegs überlegt hatte. „Ich hatte vergessen etwas nachzuschlagen." Ich zuckte mit den Schultern und ließ mich auf mein Bett fallen. „Und den Knutschfleck hast du von Mr. Nicholas?" Erschrocken schoss ich wieder in die Höhe und fasste mir an den Hals. „Was?!" Claire und Rose sahen mich grinsend an. „Du warst bei Zabini, stimmt's?" Was musste mir dieser Mistkerl auch so ein verräterisches Mal hinterlassen? „Na schön, stimmt", gab ich mich geschlagen. „Aber das hat nichts zu bedeuten!" „Jaja...", meinte Claire nur. „Wir wollen alles wissen!", sagte Rose. Oh Mann!


Am nächsten Tag wollte ich wieder nach Hogsmead, doch ich wusste nicht, mit wem ich gehen sollte. Rose wollte im Schloss bleiben und ihre neuen Bücher lesen, Claire hatte ihr Date mit Mike, James ging mit seiner Freundin Ari und Fred war nirgendwo zu finden. Also ging ich einfach alleine los. Ich würde schon irgendwen treffen, dem ich mich anschließen konnte.
Als erstes besorgte ich noch ein paar Sachen wie neue Eulenkekse für Mr. Redy, Pergament und Tinte und ein paar Zaubertrank-Zutaten. Danach holte ich mir eine heiße Schokolade und schlenderte durch die Gassen des kleinen Dorfs, auf der Suche nach Gesellschaft.

Das erste bekannte Gesicht, das ich antraf, war Kyle. Ich zog ihn wirklich magisch an... Er verließ gerade die Drei Besen. Ich wollte schon zu ihm laufen, da bemerkte ich das Mädchen, dem er die Tür aufhielt. Sollte ich zu ihm gehen, auch wenn er in Begleitung war? Aber wir waren ja jetzt so etwas wie Freunde und da irgendwie auch mehr zwischen uns lief, würde sie ja wohl nicht sein Date sein. Ich wollte gerade wieder ansetzten, zu ihm zu laufen, als etwas geschah, das mich komplett aus der Bahn warf.


Das Mädchen blieb stehen, zog Kyle an sich, legte ihre Arme um seinen Hals und dann küssten sie sich. Einfach so, vor aller Augen, mitten auf den Mund.


Wie angewurzelt blieb ich stehen. Eine gefühlt endlos lange Sekunde lang war ich nicht fähig, mich zu bewegen. Im nächsten Moment machte ich auf der Stelle kehrt und rannte davon.
Was hatte ich da gerade gesehen? Was war da gerade passiert? Diese Fragen rauschten in meinem Kopf umher und ich nahm nichts um mich herum wahr. Schließlich verkroch ich mich in einer kleinen Seitengasse. Dort blieb ich stehen und lehnte mich mit der Stirn an die kalte Mauer. 


Erst nach und nach realisierte ich, wie sehr Kyle mich gerade verletzt hatte. Die ersten Tränen begannen über meine Wangen zu laufen. Anfangs war ich traurig und enttäuscht, doch dann keimte Wut in mir auf. Wut auf Kyle, der mich die ganze Zeit verarscht hatte. Er hatte mich eiskalt ausgenutzt, mit mir gespielt und mir vorgemacht, er wäre nett, damit ich auf ihn reinfalle. Während ich begonnen hatte, ihn zu mögen, hatte er die ganze Zeit sein Aufreißerleben weitergeführt und mit mehreren Mädchen gespielt, oder was? So viel zum Thema er ist doch kein Idiot und interessiert sich für die Gefühle anderer... 


Ich war wütend auf ihn und noch viel wütender auf mich, da ich auf so einen Arsch reingefallen war. Ich hatte die ganze Zeit genau das getan, was er von mir gewollt hatte, obwohl ich von Anfang an gewusst hatte, auf wen ich mich da einließ. „Argh!" Aus Wut schlug ich gegen die Wand. Dann wischte ich mir die Tränen von den Wangen und machte mich schnellen Schrittes auf in Richtung Schloss.



Beim Schloss angekommen, hatte ich mich langsam wieder gefangen und eine gefühlslose Maske aufgesetzt. Dieser Idiot konnte mir gestohlen blieben. Sollte er doch machen, was er wollte. Mein Leben würde er mir nicht weiter kaputt machen. Er war keine einzige Träne wert!
Im Schlosshof legte sich plötzlich ein Arm um meine Schultern. „Na!", raunte eine mir leider nur allzu bekannte Stimme fröhlich. Entgeistert entriss ich mich dem Griff. Kyle, obwohl nein, Zabini war ja wohl gerade die letzte Person, der ich begegnen wollte. „Lass mich in Ruhe!", fauchte ich. Verwirrt blickte er mich an. „Woah, was ist denn los?" „Was los ist? Du fragst mich, was los ist? Das weißt du ganz genau! Und ich weiß es inzwischen auch, also kannst du mir verdammt noch mal gestohlen bleiben!" Langsam machte es bei ihm Klick. „Du hast mich mit Susan gesehen." Oh Merlin, musste es auch noch ausgerechnet Susan Fox sein? Schon wieder sie? Was für eine Ironie. 


Ich verschränkte die Arme vor der Brust. „Roxy, das war nicht das, wonach es aussah!" „Natürlich war es nicht das, wonach es aussah.", keifte ich ironisch. „Lass mich raten! Sie hat dich geküsst und du Armer konntest dich nicht wehren?" „Ja, also nein, aber ja. Sie hat mich geküsst. Ich wollte das überhaupt nicht." Wer's glaubt... „Du kannst dir deine Ausreden sonst wohin stecken, Zabini. Ich falle nicht nochmal auf dich herein. Und jetzt lass mich in Ruhe!" Damit machte ich kehrt und lief zum Schloss. Doch Zabini hielt mich am Arm zurück und stellte sich wieder vor mich. 


„Roxy!" Kurzerhand scheuerte ich ihm eine. „Halt dich von mir fern, Zabini! Und nenn mich nicht so! Das dürfen nur meine Freunde." Damit ließ ich ihn stehen und verschwand endgültig im Schloss, während mir wieder die Tränen über die Wangen rollten. Wie hatte sich unsere komplette Situation innerhalb von Sekunden so auf den Kopf stellen können? Gestern waren wir noch so glücklich gewesen und jetzt...


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Na ihr (:
Was für ein Zufall das ausgerechnet dieses Kapitel die Nummer 13 ist...
Was glaubt ihr was da los ist? Findet ihr Roxys Reaktion gerechtfertigt?
Ich bin gespannt auf eure Reaktionen! Lasst mir gerne ein bisschen Feedback da, darüber würde ich mich sehr freuen!
LG Ari

Dieses Spiel zwischen unsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt