3. Gerüchte

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Nachdem ich den beiden haarklein erzählt hatte, woran ich mich noch vom letzten Abend erinnern konnte, machte ich mich mit Rose auf den Weg zum Frühstück. Claire wollte nachkommen, da sie sich noch fertig machen wollte. Ich glaubte allerdings, dass das nur eine Ausrede war, um Mike alleine abzupassen. Ich musste sie unbedingt noch fragen, was da gestern zwischen den beiden gelaufen war! Aber erstmal brauchte ich etwas im Magen.
Da es Samstagmorgen war, war noch relativ wenig los in der Großen Halle. Vor allem am Tisch von Gryffindor herrschte noch gähnende Leere, so dass wir einen Platz fanden, an dem wir uns in Ruhe unterhalten konnten.

Allerdings blieben wir nicht lange ungestört. Plötzlich ließ sich rechts und links neben mir je ein Kerl schwungvoll nieder. „Schwesterchen!" „Cousinchen!" Wer auch sonst würde so einen Auftritt hinlegen. „Fred, James, wird das hier so eine Art Familienversammlung, oder was?" „Euch auch einen schönen guten Morgen!", murmelte Rose gespielt beleidigt. Die beiden wünschten ihr schnell einen guten Morgen und konzentrierten sich dann wieder auf mich.
„Es gibt da so einige Gerüchte über dich", fing James an. „Und Zabini", ergänzte Fred. Ich verschluckte mich fast an meinem Kürbissaft. „Bitte was?!" „Also ist es wahr", rief James triumphierend. „Ich wusste es doch!" „Was soll wahr sein?", versuchte ich zurück zu rudern. Dafür war es allerdings zu spät. „Dass du mit Zabini getanzt und dann mit ihm die Party verlassen hast", erklärte Fred gütiger Weise. „Woher wisst ihr das?" „Ich bitte dich, Roxy, das war immerhin meine Party", sagte er schon fast beleidigt. „Du hast vielleicht nichts um dich herum mitbekommen, aber das heißt nicht, dass dich auch keiner wahrnimmt", meinte James. „Naja, auf jeden Fall wollten wir mal nachfragen, ob es stimmt, bevor wir ihm eine reinhauen", sprach Fred weiter.
Die beiden wollten schon wieder aufstehen, doch ich hielt sie an den Ärmeln zurück. „Hier haut niemand niemandem eine rein!", rief ich panisch aus. „Aber ich dachte, du kannst Zabini nicht leiden", sagte James verwundert. „Genau!", stimmte ihm Fred zu. „Außerdem bist du meine kleine Schwester und ich muss dich vor Typen wie dem beschützen." „Fred! Ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen! Ich bin keine zwölf mehr. Außerdem hat Zabini überhaupt nichts gemacht.", verteidigte ich ihn. Das wäre ja noch schöner, wenn mein großer Bruder Zabini dafür verprügeln würde, dass ich was mit ihm hatte.
„Außer dich abzufüllen und mit in seinen Schlafsaal zu nehmen...", mischte sich nun auch Rose ein. In welchem schlechten Film war ich bitte gelandet? „Nicht du auch noch! Warum verbündet ihr euch denn jetzt alle gegen mich?", rief ich verzweifelt aus. „Ich hab ja nicht gesagt, das Gewalt die richtige Lösung ist, aber ich denke auch, dass du vielleicht besser Abstand von ihm halten sollst", sagte Rose beschwichtigend.
„Warte mal", schaltete sich Fred plötzlich wieder ein. „Du warst in seinem Schlafsaal? Ihr habt doch nicht etwa...?" Wie konnte diese Situation bitte noch schlimmer werden? „Fred verdammt nochmal!" Für seine Frage erntete er unter dem Tisch einen Tritt gegens Schienbein. „Ich meine ja nur, du bist noch viel zu jung für sowas." „Jetzt passt mal auf! Erstens bin ich wie gesagt keine zwölf mehr. Zweitens hatte ich schon einen Freund. Caleb, schon vergessen? Drittens ist es ganz allein meine Sache, was ich mit wem mache und geht weder beschützerische Brüder noch neugierige Cousins etwas an und viertens wird mir das hier alles zu bunt. Ich gehe jetzt spazieren. Alleine!" Damit sprang ich auf, schnappte mir mein halb gegessenes Brötchen und ging. Die Jungs sahen mir mit großen Augen hinterher, während Rose mir zustimmte. „Mädchen...", hörte ich James noch sagen.

Schnellen Schrittes machte ich mich auf den Weg nach draußen. Dort begrüßte mich ein kräftiger Wind, obwohl es noch September war. Davon ließ ich mich aber nicht abhalten. Ich zog meinen Cardigan einfach etwas enger um mich und stapfte los. Es war wahrscheinlich besser, dass das Wetter nicht so gut war, denn so hielt sich kaum jemand draußen auf und ich hatte meine Ruhe. Ich musste einfach den Kopf freikriegen.

Eine Weile spazierte ich über die Ländereien, doch irgendwann wurde es einfach zu kalt. Außerdem schwirrten meine Gedanken die ganze Zeit nur um die letzte Nacht. Beziehungsweise um denjenigen, mit dem ich sie verbracht hatte.
Warum hatte ich mich so von dem Kerl um die Finger wickeln lassen? Er sah zwar verdammt gut aus, aber er war einfach ein Idiot.
Herausgestellt hatte sich das bei besagtem Vorfall in der dritten Klasse. Zurückblickend war dieser Vorfall natürlich nicht so schlimm, wie ich es damals wahrgenommen hatte, sondern einfach nur eine kindische Blödelei. Allerdings war das ja nicht der einzige Grund, weshalb ich Zabini eigentlich nicht leiden konnte. Da wären dann noch seine eingebildete Art, die ganzen gebrochenen Mädchenherzen und der Fakt, dass er sich einen Dreck für diese interessierte. Zabini behandelte viele von oben herab und hielt sich einfach für etwas Besseres. Er sah vielleicht gut aus, hatte auch ganz gute Noten und sein Vater war ein hohes Tier im Zaubereiministerium, aber nichts davon rechtfertigte die Art, wie er mit anderen umsprang. Was einen Menschen wirklich ausmachte, war der Charakter und seiner gefiel mir nicht, da konnte er noch so gut aussehen.
Innerlich verfluchte ich Maine dafür, dass sie mir diese blöde Aufgabe gestellt hatte. Flaschendrehen war natürlich nur ein Spiel, das mir eigentlich Spaß machte und normalerweise hatte ich auch kein Problem mit irgendwelchen Kuss-Aufgaben, aber diese Aufgabe hatte mich in eine verdammt nervige Lage gebracht.
Frustriert kickte ich einen Stein zu Seite, der auf dem Weg lag. Jetzt zerrissen sich alle das Maul darüber, dass Roxanne Weasley ein weiterer Haken auf Kyle Zabinis Liste war. Ich hatte einfach keine Lust darüber zu reden. Es war passiert und es war vorbei. Von nun an würde ich Zabini wieder aus dem Weg gehen.
Ich trat durchs Eingangsportal des Schlosses und sofort durchfuhr mich ein wohliger Schauer. Obwohl es in der Eingangshalle normalerweise recht kühl war, kam es mir jetzt angenehm warm vor.
Da mir immer noch nicht nach Reden war und ich auf andere Gedanken kommen wollte, beschloss ich in die Bibliothek zu gehen. Ich musste noch einen Aufsatz in Verteidigung gegen die Dunklen Künste schreiben.

Plötzlich ließ sich mir gegen über jemand nieder. Erschrocken blickte ich hoch, da ich total vertieft in den Aufsatz gewesen war. Vor mir saß Zabini mit einem breiten Lächeln im Gesicht. Das konnte ja nicht wahr sein! Ich war extra hierhergekommen, um ihn aus meinen Gedanken zu verbannen und bis jetzt hatte das auch wunderbar geklappt. Genervt stöhnte ich auf und sah wieder auf mein Pergament.
„Die ganze Schule redet über uns", durchbrach er nach einer Weile die Stille. Ich versuchte, ihn einfach zu ignorieren und mich wieder zu konzentrieren, doch es klappte nicht. Ich spürte die ganze Zeit seinen Blick auf mir brennen.
Genervt legte ich die Feder beiseite und sah ihn an. „Scheint dich ja nicht im Geringsten zu stören. Im Gegenteil, du siehst aus, als würdest du dich darüber freuen. Ist es das, was du wolltest, Aufmerksamkeit?" „Psssst!", rief Mr. Nicholas zu uns herüber.
Seit Mrs. Pince in Rente gegangen war, herrschte er über die Bibliothek und wenn es möglich war, war er sogar noch strenger als es dieser alte Drache es gewesen war. Er mochte es ja nicht mal, wenn man hier arbeitete, da er Angst hatte, jemand könnte Tinte über eins seiner geliebten Bücher kippen. Nicht, dass man das nicht mit einem simplen Zauberspruch wieder gut machen könnte. Anfangs hatte er so vielen Schülern Hauspunkte wegen Fehlverhalten in der Bibliothek abgezogen, dass man ihm diese Befähigung wieder entzogen hatte. Jetzt durfte er das, sehr zu seinem Missfallen, nur noch bei schlimmen Vergehen, wie absichtlichem Randalieren.
Zabini ließ sich von seiner Mahnung jedoch nicht beirren. „Mir ist es eigentlich egal, was die anderen über mich reden", sagte er mit einem Schulterzucken. „Ja, genauso wie dir die Gefühle von anderen egal sind", erwiderte ich patzig. Natürlich störte es IHN nicht.
„Sie sollen leise sein!", ermahnte uns Mr. Nicholas noch einmal. „Was ist denn sein Problem?", fragte Zabini herablassend. War dieser Kerl noch nie in der Bibliothek gewesen? „Du vielleicht?" Zabini hob eine Augenbraue an. „Ich mache doch gar nichts." Plötzlich stand Mr. Nicholas direkt hinter ihm. „Genau. Diese Bibliothek ist zum Lesen da. Wenn Sie nichts machen, können Sie das auch draußen tun. Privatgespräche haben hier nichts zu suchen. Sie stören. Ich verweise Sie beide augenblicklich der Bibliothek." Geschockt blickte ich ihn an. „Aber Sir, ich muss noch meinen Aufsatz schreiben. Zabini hat mich abgelenkt. Reicht es nicht, wenn er geht?" „Das hätten Sie sich vorher überlegen müssen, Ms. Weasley." Damit drehte er sich um und verschwand. Na toll! Wütend packte ich meine Sachen ein und stapfte aus der Bibliothek.

„Danke, dass ich deinetwegen rausgeworfen wurde! Jetzt muss ich erstmal ein paar Tage warten, bis der mich wieder reinlässt. Meinen Aufsatz kann ich dann wohl vergessen. Danke für nichts!", meckerte ich Zabini an, sobald die Tür hinter uns zugefallen war. Dann marschierte ich davon.
Doch Zabini eilte mir hinterher und stellte sich vor mich. „Was?!" Dieser Tag kotzte mich an. „Tut mir leid, wegen deinem Aufsatz. Ich bin mir sicher, den bekommst du auch so hin. Aber eigentlich bin ich deshalb zu dir gekommen." Er kramte kurz in seiner Hosentasche und hielt mir dann seine Hand hin. Darin lagen eine Kette und drei Ringe, meine Kette und meine Ringe. „Das habe ich heute Morgen auf meinem Nachtisch gefunden. Ich dachte, du hättest es gerne wieder." Überrascht sah ich ihn an. Das hatte ich jetzt nicht erwartet. Und hatte er mir gerade so eine Art Kompliment gemacht? War er gerade nett zu mir? Nach dem er dafür gesorgt hatte, dass die ganze Schule über mich redete und dass ich aus der Bibliothek geschmissen wurde, war das eigentlich das mindeste, was er tun konnte, doch für Zabinis Verhältnisse war es schon eine echt große Geste.
Schnell griff ich nach meinem Schmuck, bevor er es sich doch noch anders überlegte. „Danke!" Anscheinend hatte ich letzte Nacht, obwohl ich so betrunken gewesen war, ganz ordnungsgemäß meinen Schmuck abgenommen und auf den Nachtisch gelegt. Ich steckte die Ringe an meine Finger und legte mir die Kette um, während Zabini mit den Händen in den Hosentaschen dastand und mich unschlüssig ansah. „Nett, dass du mir die Sachen gebracht hast!", sagte ich schließlich, was Zabini zum Lächeln brachte. „Aber sauer bin ich trotzdem noch", ergänzte ich schnell, um ihn nicht auf falsche Gedanken zu bringen. Warum zum Henker hatte ich bei diesen Worten ein leichtes Lächeln auf den Lippen anstatt ihn wie geplant streng anzusehen? Schnell drehte ich mich um und verschwand endgültig.

Dieses Spiel zwischen unsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt