Warrior

sechs

Als ich aufwachte, spürte ich etwas schweres auf meinem Bauch. Ich tastete danach und spürte Chases weiche Haare, kraulte sie sanft und er brummte leise. Gähnend nahm ich ihn unter den Achseln und zog ihn zu mir hoch. Ich war stärker geworden, konnte nun genauso gut auf Chase aufpassen wie er auf mich aufpasste. Sanft legte ich die Arme um seinen Oberkörper. Leise schmatzend kuschelte er seinen Kopf in meine Halsbeuge. Ich spreizte meine Beine, sodass er zwischen ihnen lag und vergrub meinen Kopf in seinen Haaren.

„Aufwachen, Arthi", ich rüttelte etwas an seiner Schulter:"Komm, wir gehen runter". Chase brummte nur, rollte von mir runter und gähnte:"Noch 10 Minuten". Schmunzelnd stand ich auf. Ich schlurfte unter die Dusche, zog mir eine Jeans und einen Pulli an und lief dann runter. Zero saß am Tisch, Sushi ihm gegenüber und der Kleinere erklärte dem Muskelprotz gerade Uno. Puma saß neben Ginger auf der Couch und schaute National Geographics und Venom und Cappu schliefen noch. Als ich runter ging setzte ich mich kurz neben Puma aufs Sofa:"Na du", lächelte ich und der Kleine grinste zurück:"Hallo Charlie. Wir schauen gerade was über Pinguine", er deutete auf den Fernseher. Lachend nickte ich:"Spannend, Ginger?", ich sah zu dem Rothaarigen. Ginger sah zu mir, seine Augenbrauen waren angestrengt zusammengezogen:"Wenn du all die Fragen von ihm hier beantworten willst musst du Wikipedia studieren", murmelte er und ich lachte etwas lauter. Eine Weile schaute ich mit den beiden Fernsehen, dann hörte ich Schritte auf der Treppe.

Chase lief auf mich zu, lächelte sanft und winkte mich zu sich:"Komm Charlie. Wir machen einen Spaziergang". Ich nickte sofort, stand auf und lief zur Garderobe, um mir Schuhe und Jacke zu holen. Auch Chase zog sich an und gemeinsam verließen wir die Halle.

Eine Weile schlenderten wir wortlos durch den Wald. Der Wind ergriff die Äste der Bäume, ließ sie rascheln und über unseren Köpfen tanzen. Die Blätter brachen das Licht, zeichneten Muster auf den feuchten Waldboden. Tief atmete ich ein, genoss einen Moment die Ruhe, die Natur und die Welt.

„Also", begann Chase und atmete einmal tief durch:"Am besten wäre es, wenn ich einfach von Anfang an erzähle", er zeigte auf einen Baumstamm und wir nahmen beide Platz.

„Als ich noch jünger war", begann er:"Vielleicht 19 oder 20, wusste ich noch nicht, dass ich nicht nur auf Mädchen stehe. In meiner Peer Group war das aber auch kein Thema... und deshalb hatte ich, wie es damals irgendwie so die Norm war, eine Freundin", etwas nervös rieb er die Hände aneinander und ich sah ihn gebannt an:"Okay und weiter?". Chase sah mich an:"Nelly war toll, aber wirklich was für sie empfinden konnte ich nicht. Doch körperlich konnte sie mir einiges geben und deshalb blieb ich damals bei ihr. Verhütung war nicht so unser Ding und schon nach unserem ersten Mal war Nelly schwanger... ich war 20...", geschockt klappte mir der Mund auf:"9 Monate später bekam sie unsere Tochter... Claire".

Ich stand auf, lief einen Schritt und atmete tief durch:"Ach du...", ich legte die Hände an den Hinterkopf. „Ich hätte dir das früher erzählt... aber...", er senkte den Kopf:"Aber was? Wo ist Claire jetzt?". Chase sah mich wieder an, Tränen standen in seinen Augen:"Als Claire 3 Jahre alt war, wurde sie krank... sehr krank. Ich hatte in diesen drei Jahren jeden Tag mit ihr verbracht, war schon lange von Nelly getrennt und war trotz meines Alters der stolzeste Vater der Welt", Chase kramte in der Innentasche seiner Jacke, zog ein kleines Stück Papier raus und reichte es mir.

Auf dem Bild sah man ein kleines Mädchen. Sie  hatte wunderschöne blaue Augen und Locken, die ihr bis zum Kinn reichten. Sie sah Chase so ähnlich, dass ich mir die Hand vor den Mund legte und Chase fassungslos ansah.

Ihm liefen mittlerweile Tränen die Wangen herunter:"Bis heute mache ich mir Vorwürfe", er schluchzte:"Hätte ich die Symptome des Krebs früher erkannt oder hätte ich sie regelmäßiger zum Arzt gebracht wäre sie vielleicht...", er brach ab und legte seine Hände vor sein Gesicht.

Ich sah eine Weile auf das Foto. Sie hatte seine endlos wirkenden Augen, als würde sie mich in ihren Bann ziehen und mir von ihrem Leben erzählen. Von ihrem kurzen, so sehr geliebten Leben. Geschockt ging ich vor Chase in die Hocke, der schluchzend den Kopf schüttelte:"6 Monate hat sie gekämpft. Wie ein Wolf.", er schniefte. Sanft strich ich an der Stelle über seine Jacke, an der das Tattoo sich verbarg. Der Wolf mit dem Stacheldraht um den Hals. Mit roten Augen sah er mich gläsern an:"Ich wollte sie für immer bei mir behalten. Wollte der Welt zeigen wie stark sie war", er presste die Lippen aufeinander.

Vorsichtig wischte ich ihm die Tränen von den Wangen:"Du bist nicht Schuld", auch mir standen die Tränen in den Augen:"Krebs ist ein unerbittlicher Zerstörer. Niemand kommt gegen ihn an", ich stand auf, Chase legte den Kopf an meinen Bauch und begann wieder zu schluchzen, ich legte die Arme um seinen Hals:"Claire hat so viel Liebe erfahren. Das ist wertvoll. Ihr ganzes Leben lang hast du sie begleitet", meine Stimme war schwach und brüchig.

Die Welt zerrte mich von absolutem Schock zu Wut, dass er mir das verschwiegen hatte bis hin zu tiefster Trauer. Mein Herz schlug in diesem Moment nur für Chase und für dieses kleine Mädchen, die wohl der wichtigste Mensch in seinem Leben bleiben wird.

Ein paar Minuten standen wir einfach nur so da. Chase, der mittlerweile vor mir stand und an meine Halsbeuge weinte, hatte fest die Arme um mich geschlungen. Meine Hände lagen an seinen Schultern und ich hatte meine Augen geschlossen und drückte ihn einfach nur an mich.

Als er sich langsam von mir löste wischte er sich die Tränen weg, zog die Nase hoch:"Ich stürzte mich in den Alkohol, kam in falsche Kreise. Eines Tages begegnete ich Zero. Er war bei Arrow angestellt und nahm mich dorthin mit. Wie gesagt, war ich jung, sah nicht schlecht aus und so kam es, dass Arrow mich als Prostituierter anstellte...keine Ahnung wieviele ekelhafte alte Männer mich damals gebucht haben. Ich war meistens vollkommen zugedröhnt...", er setzte sich wieder, strich sich völlig fertig durch die Haare:"Ich begann für ihn Dinge zu stehlen, Raubüberfälle zu starten. Meine Hauptaufgabe war es, Menschen zu jagen, die Arrow noch was schuldeten. Deswegen mein Spitzname. Chase", er sah mich an.

Ich stand einfach nur da, starrte zurück und schüttelte ungläubig den Kopf:"I..Ich weiß nicht was ich sagen soll...", langsam setzte ich mich neben ihn:"Ich meine mir war klar, dass auch du eine Vergangenheit haben musst, aber... damit hätte ich nicht gerechnet".

Chase schüttelte den Kopf:"Wie auch? Ich habe nie was erwähnt... und das tut mir aufrichtig leid, Charlie", er sah mich reuevoll an. Ich nickte langsam:"Ist schon okay. Von Claire zu erzählen muss schwer für dich sein".

Chase zuckte die Schultern:"Niemals werde ich sie vergessen. Ich weiß genau, dass sie irgendwo da oben ist, auf mich aufpasst. So oft bin ich schon knapp dem Tod entgangen. Und ich bin mir sicher, dass sie dir dankbar ist", er legte eine Hand an meine Wange.

„Dafür, dass du mich so glücklich machst"
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Be kind.

(Das Recht des Bildes liegt nicht bei mir)