zwanzig

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Fassungslos starrte ich mein Gegenüber an. Ohne es wirklich zu merken stand ich auf. Die Männer, die um Ian standen, richteten ihre Waffen auf mich, doch Ian winkte mit einer schnellen Bewegung ab:"Du siehst anders aus, Charlie",hörte ich Ian sagen, doch ich sah ihn nicht. Ich sah sein Gesicht, seine Lippen, seine Augen, seine Gestalt und sein Grinsen. Doch vor mir stand nicht Ian. Nicht mein bester Freund, Ian.

„I..ich...", begann ich und lief langsam auf ihn zu:"Du verstehst das alles nicht", unterbrach er mich und lachte dann leicht:"Nun dann lass es mich dir erklären", er ergriff mich am Handgelenk und sofort hörte ich, wie jemand hinter mir aufstand:"Fass ihn nicht an", knurrte Chase, doch ich sah ihn kopfschüttelnd an:"Setz dich", wies ich ihn an. Als Chase zu mir sah lockerten sich seine Gesichtszüge und wortlos setzte er sich wieder. Ian zog mich zu einem Sessel, auf den er mich drückte und setzte sich auf die Armlehne:"Um ehrlich zu sein", begann er:"Frage ich mich wie dumm du gewesen sein musst, um das alles hier nicht zu ahnen. Ich habe dir so viele Tipps gegeben", grinste er und zuckte mit den Schultern.

„Erinnerst du dich, als wir dich und Chase erstmals zu uns geholt haben? In dieser Nacht habe ich bei dir geschlafen. Dachtest du, diese mysteriösen Einbrecher haben mich einfach verschont?", er lachte spöttisch. „Und was glaubst du woher die Polizei wusste, wo sie suchen mussten, als wir dich ‚gerettet' haben". Verwirrt senkte ich den Kopf, erinnerte mich an diese Zeit zurück. Ich hatte nie etwas von alledem hinterfragt. Ich war blind gewesen.

„Und glaubst du ernsthaft, dass ein Polizist, dessen bester Freund einen Schwerverbrecher beherbergt, einfach seine Klappe hält?", er lachte weiter und auch seine Männer begannen zu grinsen.

Ich fühlte mich leer, hintergangen, dumm, blind. Doch vor allem spürte ich Trauer. Trauer über den Verlust meines besten Freundes.

„Es war so leicht dich zu gewinnen. Es war fast schon zu einfach herauszufinden, ob du schwul bist", grinste er und legte die Hand in meine Haare. Gebrochen sah ich zu ihm hoch, schüttelte leicht den Kopf:"Aber warum? Warum ich? Warum wolltest du wissen, ob ich schwul bin?", fragte ich verwirrt.

„Weil er wusste, dass du mir dann nicht widerstehen könntest". Chase war aufgestanden, hatte die Arme verschränkt und sah zu mir. Fassungslos blickte ich ihn an, mein Mund klappte mir auf. Ian hob seinen Blick, sah grinsend zu Chase:"Na endlich, Arthur", er stand von der Lehne auf:"Ich dachte schon, du erkennst mich nie", mit ausgebreiteten Armen lief er auf Chase zu, doch dieser stieß ihn nur von sich:"Du bist alt geworden, Miles. Alt und hässlich", zischte er ihm entgegen und Arrow hob nur leicht die Hände:"Oh oh. Wer ist denn da ein bisschen gereizt heute?".

Kopfschüttelnd stand ich auf, hob die Hände:"Wow wow wow. Ich komme nicht mit. Was ist hier los?".

„Das da", Chase zeigte auf Ian:"Ist nicht Ian, dein Arbeitskollege oder Freund. Das ist Miles. Mein Bruder. Ich habe ihn damals in der Wohnung nicht erkannt. Ich war viel zu sauer, dass du mit einem anderen Typen schläfst", knurrte Chase leise. Er hatte die Arme fest verschränkt und seine Kiefermuskeln arbeiteten angestrengt. Selten hatte ich ihn so wütend gesehen.

„Weißt du Charlie: Um Chase weh zu tun brauchte ich ein Instrument. Der Einzige, um den er sich sorgte war er selbst. Und ihn einfach umzubringen war mir nicht Strafe genug", nun war es Miles, der zischte:"Ich brauchte etwas schwaches. Etwas, das ich meinem Bruder vor die Nase halten konnte und das er sofort verschlingen würde. Und wie durch Schicksal fand ich dich", nun setzte sich Miles auf den Sessel.

Eine kurze Stille legte sich über die Halle. Mein Kopf rauschte, ich hörte wie mein Blut in meinen Adern pulsierte und ich legte die Hände an meinen Kopf:"Du sprichst von einer Strafe. Was hat Chase dir getan was du schlimmer rächen willst als mit dem Tod?".

Miles Gesichtsausdrücke entglitten ihm und er sah zu Chase:"Du hast es ihm nicht erzählt", stellte er fest und stand auf:"Du Bastard hast deinem kleinen Spielzeug hier nicht erzählt, was du getan hast?". Chase schwieg, er senkte den Kopf und schloss die Augen. Ungläubig sah ich ihn an:"Mir was nicht erzählt?", fragte ich zaghaft und starrte Chase an, doch er sah nicht hoch. Als ich zu Miles sah, standen diesem bereits die Tränen in den Augen:"Du nimmst mein Kind, bringst es um und verheimlichst dann deine Tat? Was hat er dir erzählt?", Miles packte mich am Kragen:"Dass Nelly sein Kind war? Dass er sie in einer flüchtigen Beziehung gezeugt hat?", er schüttelte mich regelrecht und ich packte seine Handgelenke.

Chase drückte Miles von mir weg, schubste ihn auf den Sessel:"Ich habe Nelly nicht umgebracht. Du warst ein scheiß Kiffer und Alkoholiker, du hast dich einen Dreck um dein Kind geschert. Selbst als sie Krebs bekommen hat, hast du dir weiter das Hirn weggesoffen", schrie er ihn an, nun war er es, dem die Tränen in den Augen standen:"Ich habe Nelly geliebt. Geliebt mit meinem ganzen Herzen. Und ich habe auch dich geliebt Miles, nur deswegen habe ich deine Geschichte verheimlicht, habe sie als mein Kind ausgegeben und nicht als das Kind eines scheiß Suchtis", brüllte er.

Miles stand auf, drückte Chase eine Waffe an den Kopf. Seine Augen glänzten vollkommen geisteskrank und ein Grinsen hatte sich unheimlich auf seine Lippen gelegt:"Wenn das so ist", er lud den Revolver mit einer Daumenbewegung:"Dann kannst du sie schön von mir grüßen".

Ich schrie auf, presste die Augen zusammen, als ein Schuss fiel. Die Hände legte ich mir über die Ohren und als ein zweiter Schuss fiel, zuckte ich heftig zusammen.

Meine Knie gaben nach, mein Bewusstsein wurde so schwarz wie meine Sicht, die ich noch immer durch zusammengekniffene Augen blockierte. Als würde ich mich auflösen, spürte ich plötzlich nur noch Leere.

Wie in Zeitlupe fühlte ich, wie ich auf dem Boden aufkam. Der kalte Beton drückte sich an meine Hände. Als ich den Kopf hob sah ich Blut, das auf den Boden tropfte. Miles lag dort, eine Schusswunde in seinem Kopf. Über ihm stand Chase, der eine der Waffen hielt, die Cappu uns gegeben hatte. Er war unversehrt, seine Augen weit aufgerissen. Als ich meinen Kopf drehte sah ich, wen der erste Schuss getroffen hatte.

Zero hatte sich vor Chase geworfen. Nun lag der braunhaarige reglos auf dem Boden, seine Augen waren weit aufgerissen und Blut kämpfte sich durch den Stoff seiner Brusttasche.

Chase fiel auf die Knie, ich hörte ihn schreien, hört ihn Zeros Namen rufen. Um mich setzte sich alles in Bewegung. Arrows Männer rannten zum Ausgang der Halle.

Cappu, der bis jetzt still gewesen war, packte mich am Arm:"Wir müssen hier raus. Die Halle fliegt gleich in die Luft", schrie er mich an, doch ich konnte mich nicht bewegen. Ich sah, wie Venom Chase an der Hand packte:"Du musst rennen", hörte ich sie brüllen, während Chase sich an Zero klammerte:"Er ist tot, Chase. Du kannst nichts mehr für ihn tun!"

Cappu nahm mich kurzerhand auf den Arm und rannte zum Ausgang. Ich sah wie Venom es schaffte, Chase aus der Halle zu ziehen und spürte Gras unter mir, als Cappu mich runter ließ.

Keine Sekunde später, gerade, als Chase und Venom zu uns gestoßen waren, erschütterte ein ohrenbetäubender Knall mein Bewusstsein. Die Halle kollabierte und Rauch und Feuer stiegen von ihr auf. Meine Ohren fiepten, ich spürte wie die Druckwelle und die Hitze mich zu Boden zwangen und schon als der erste fliegende Stein meine Schläge traf, driftete ich in die Dunkelheit.

Mein Bewusstsein verließ mich. Ein Bewusstsein voller Erinnerungen an einen Mann, den ich nie wieder sehen würde.

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...
I'm sorry

WarriorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt