Alpträume

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Jan

Erst hörte ich ein Schreien, das sehr fern klang, doch mit jeder Sekunde lauter wurde. Ich wurde erst wach als ich einen Schlag in meinem Gesicht spürte. Ich schreckte hoch und musste mich erst ein paar Sekunden an die Dunkelheit gewöhnen. Tim lag neben mir, schlug um sich, schrie und wimmerte: „Nicht! NEIN! Bitte nicht..." Ich packte ihn an den Armen und schüttelte ihn. „Tim es ist alles gut! Wach auf das ist nur ein Alptraum -Schlafmütze." Er schrie nun nicht mehr, versuchte aber immer noch wild um sich zu schlagen. Ich holte mit meiner rechten Hand aus und schlug ihm ins Gesicht, nicht zu fest, aber fest genug, dass er seine Augen aufschlug. Er sah mich entsetzt an und ich merkte erst jetzt wie sehr ihn der Traum mitgenommen haben musste, denn auf seinen Wangen hatten sich Tränen gebildet. Als er mich immer noch panisch ansah, nahm ich seinen Kopf in meine Hände und sagte aufmunternd: „Es ist vorbei Tim! Wir sind auf Madeira. Hier kann dir nichts passieren!" Es sah aus als drangen meine Worte zu ihm durch, denn sein Körper entspannte sich ein wenig. Er ließ seinen Kopf auf meine Schulter sacken und klammerte seine Arme um mich. Ich streichelte noch eine ganze Weile schweigend seinen Kopf bis sein Atmen immer ruhiger und gleichmäßiger wurde und er wieder eingeschlafen war. Dann schob ich ihn vorsichtig von mir weg und legte ihn behutsam wieder auf sein Kissen. Er hatte mir von seinen Alpträumen erzählt, die ihn seit geraumer Zeit plagten, aber ich wusste nicht, dass sie so schlimm waren, dass er sogar weinen musste. Es traf mich meinen besten Freund so zu sehen. Eine Weile grübelte ich noch bis auch mich die Müdigkeit wieder überkam und ich ins Land der Träume glitt.

Tim

Als ich am nächsten Morgen meine Augen aufschlug war das erste was ich sah Jan. Sein Gesicht lag ganz nah an meinem, sodass sein Atem mein Gesicht kitzelte. Er schlief noch, was bedeuten musste, dass es noch früh war, denn eigentlich war ich ja der Langschläfer. Ich nahm mein Handy und beantwortete DMs, schaute meine social media Kanäle durch und beantwortete E-Mails. Dann machte ich ein Video an meine Community: „Hey Leute wie geht's euch? Ich habe super geschlafen!", log ich. „Heute geht's wahrscheinlich wieder an den Strand mit den Jungs, also werde ich nicht so aktiv sein", fügte ich hinzu und legte das Handy beiseite. Mein Handy hatte mich von meinem Traum abgelenkt, der jetzt leider wieder in meinem Kopf präsent war. Ich hatte geträumt, dass Jan sich selbst verletzt hatte, da er den Hate im Internet nicht mehr aushalten konnte. Bevor er sich schlimmeres antun konnte war ich aufgewacht. Es war so real und ich kam mir dabei so hilflos vor. Ich stand einfach nur da und hatte nichts getan. Kein Wort kam aus meinem Mund. Ich hatte meinen besten Freund im Stich gelassen. Ich war blind gewesen und hatte nicht bemerkt wie Jan daran zugrunde ging. Bei dem Gedanken, Jan irgendwann zu verlieren schossen mir schon wieder Tränen in die Augen.

Ein Geräusch von nebenan ließ mich zusammenschrecken. Ich hatte in meiner Trance nicht bemerkt, dass Jan sich neben mir aufgerichtet hatte und mich mit hochgezogenen Augenbrauen anschaute. „Alles in Ordnung Tim? Ich habe mir wegen deinem Alptraum schon Sorgen gemacht." Schnell wandte ich meinen Blick ab. Hoffentlich hatte er meine Tränen nicht bemerkt. Ich öffnete meinen Mund, um ihm die Wahrheit über den Traum zu erzählen. Ich wollte ihm sagen, dass mich fast jeden Tag ein Alptraum quälte, ich Angst hatte einzuschlafen und all diese Träume von Jan waren. Ich wollte es ihm sagen, so wie ich all meine Geheimnisse mit ihm teilte. Aber irgendetwas in mir hielt mich zurück und deshalb antwortete ich nur: „Alles gut ich hab schon wieder vergessen was ich geträumt hatte..." „Ja, weil du davor noch ne Rote geknallt hast!"

Jan

Wow. Tim war echt der schlechteste Lügner. Er hätte ja auch einfach sagen können, dass er nicht darüber reden möchte. Stattdessen war er, nachdem meine Tics sich beruhigt hatten nur meinem Blick ausgewichten und war schnell ins Bad verschwunden. Dachte er wirklich, dass ich seine Tränen nicht gesehen hatte? Langsam, aber sicher wurde meine Sorge um ihn immer größer. Wenn Tim etwas in sich hineinfraß bedeutete das leider, dass er sich distanzierte und seine Sorgen immer weiter in sich hineinfraß. Vielleicht munterte ihn eine Party auf. Die Jungs hatten eh geplant heute Abend irgendwo was zu trinken. Das würde sich ja dann anbieten...

Gewitter nur im Kopf?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt