nächtliches Grübeln

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Jan

Wollte er mich etwas erneut küssen? Ich geriet leicht in Panik.

„Ich hab dich lieb!" Er grinste etwas übertrieben und ich musste bei seinem betrunkenen leicht tollpatschigen Anblick ebenfalls lächeln. Ich umarmte ihn und antwortete mit einem: „Ich hab dich auch lieb, Tim!", ehe ich ihn ins Bett legte. Ich legte seine Klamotten zum Auslüften auf die Terrasse, machte mich Bettfertig und legte mich schweigend neben ihn. 

Kaum war ich eingeschlafen, wurde ich schon wieder geweckt. Tim neben mir bewegte sich und gab leise Geräusche von sich. Er klang verzweifelt und schleuderte seinen Kopf wild von links nach rechts. Ich wusste nicht, was ich machen sollte, also rutschte ich ein Stück zu ihm, nahm seine Hand und begann sie vorsichtig zu streicheln. „Hey Tim. Alles in Ordnung!", versuchte ich ihn zu beruhigen. Er entspannte sich immer mehr und nach wenigen Minuten war er komplett ruhig. Doch als ich meine Hand aus seiner befreien wollte, drückte er meine Hand und flüsterte: „Bitte nicht loslassen."

Ich lag noch sehr lange einfach nur da und starrte an die Decke. Hand in Hand mit Tim. Das war doch eine ganz falsche Richtung, in die sich unsere Freundschaft da gerade entwickelte. Natürlich standen wir uns sehr nahe, weshalb wir auch keine Berührungsängste voreinander hatten oder ein Problem damit, dass Leute uns shippten. Wir suchten einfach gerne Kontakt zum jeweils anderen und redeten öfters etwas anziehender miteinander. Aber dieser Kuss heute Abend, dann der Moment am Strand, wo wir halbnackt aufeinander lagen und jetzt noch das Händchen halten? Das hatte sich anders angefühlt. Es war schön. Aber war es auch gut für uns beide? Ich nahm mir vor, dass ich handeln musste, bevor ich Tim ernsthaft verletzen würde. Er war eh psychisch etwas angeschlagen also wollte ich ihn nicht noch mehr Gründe zum Verzweifeln geben. Ich sah zu ihm rüber. Das Mondlicht erleuchtete sein Gesicht und die Schatten hoben seine Züge hervor. Seine Lippen waren leicht geschwollen. Entweder vom Erbrechen...oder...von dem Kuss...UNSEREM Kuss. Als mir klar wurde, in welche Richtung ich wieder dachte, zwang ich mich meinen Blick von Tim loszureißen, zog meine Hand aus seiner und drehte mich weg von ihm. Ich musste etwas unternehmen...

Tim

Als ich aufwachte, spürte ich sofort die dröhnenden Schmerzen in meinem Schädel. Ich stöhnte auf und rieb mir meinen Kopf. Ich versuchte meine Augen zu öffnen, doch kniff sie gleich wieder zusammen, als mich das Sonnenlicht mit voller Wucht traf. „Jan kannst du bitte die Vorhänge zu machen?" Stille. „Jan?" Wieder nichts. Ich wagte einen weiteren Blick und diesmal gewöhnten sich meine Augen nach und nach an das Licht, was meinem Kopf jedoch gar nicht gefiel. Das Bett neben mir war leer und ordentlich gemacht. Ich stand auf zog die Gardinen zu und schaute im restlichen Zimmer und Badezimmer nach. Doch Jan war weg. Als ich mich wieder ins Bett gelegt hatte und nach meinem Handy griff, sah ich ein Glas Wasser und eine Tablette auf meinem Nachttisch. Drunter lag ein Zettel auf dem stand: „Nimm die Tablette, dann wird es dir besser gehen. Wir sehen uns. -Jan" Ich runzelte die Stirn und nahm dann brav die Tablette. Irgendwie klang die Nachricht sehr distanziert oder bildete ich mir das nur ein? Ich kuschelte mich wieder unter die Decke und schlief ein...

Als ich wieder aufwachte, war die Sonne schon wieder am Untergehen. Ich hatte allen Ernstes den letzten Tag auf Madeira verpennt. Wütend auf mich selber stand ich auf und checkte erst einmal meine Nachrichten. Ich hatte zwei verpasste Anrufe von Rewi und Lucas. Außerdem hatte ich sieben ungelesene Nachrichten von Rewi. Von Jan hatte ich zu meinem Bedauern keine Nachricht erhalten. Doch als ich auf Instagram die Storys meiner Freunde öffnete, drehte sich mein Magen einmal um 180 Grad...

Gewitter nur im Kopf?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt