Die Nacht, die mich veränderte

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Ich saß in meinem Zimmer. Draußen war es inzwischen dunkel geworden und ich spielte mit dem Gedanken raus zu gehen. Mom und Dad würden es mir womöglich sogar erlauben. Sie denken in Hawkins werde ich gesund und umso mehr sie mich alleine lassen, denken sie, kann ich mich ausruhen.

Doch ich würde ein Risiko eingehen wieder dorthin geschickt zu werden. In die Unterwelt. Und ich hab das schlechte Gefühl, dass es dann nicht so sicher ist, wie im Haus. Aber wenn ich nicht irgendetwas tun konnte, dann würde ich noch vor Langeweile umkommen. Also beschloss ich rauszugehen. Oder besser gesagt, erstmal meine Eltern fragen, ob ich darf.

Ich schlich langsam die Treppe runter. Mom und Dad saßen in der Küche am Esstisch. Sie unterhielten sich, doch ich konnte nicht richtig verstehen was sie sagten. Sie verstummten. Wahrscheinlich hatten sie mich gehört. Innerlich gab ich mir eine Backpfeife, weil ich nur zu gern gewusst hätte über was sie sprachen.

„Leo?", fragte Mom. „Bist du dort?"

Ich seufzte. Jetzt konnte ich eh nicht mehr mitbekommen, was sie sagten.

„Ja", antwortete ich. Ich schlich um die Tür und war jetzt in der Küche. Mom und Dad saßen wie erwartet am Küchentisch. Auf dem Tisch standen noch die Teller vom Abendessen. Aber Mom hatte trotzdem schon frische Blumen hingestellt. Rosen, diesmal.

Früher habe Rosen geliebt, doch jetzt erinnerten sie mich mit ihren gefährlichen Dornen nur noch an die Unterwelt.

„Was ist denn, Schatz?", fragte Mutter. Ein wenig Ungeduld schwang in ihrer Stimme mit. Sie wollte gerne das Gespräch mit Dad fortsetzen. Das hieß für mich, dass ich wohl rausgehen darf.

„Ich darf doch rausgehen oder?", fragte ich schnell. Mom zuckte die Schultern und sah Dad an. Er nickte. „Ja, aber sei vor 23:00 zurück. Morgen wollten wir uns alle zusammen die Stadt ansehen. Vergiss das nicht.", mahnte er mich. „Danke!" Ich wirbelte um den Tisch herum und drückte beiden einen kurzen Kuss auf die Wange.

Draußen war es kühl. Anscheinend war es in Hawkins ständig kühl. Ich zog meine Jacke enger um mich herum.

In der Ferne sah ich eine hell erleuchtete Mall. Ob ich mal schauen soll? Sicher waren es nur eine Viertelstunde Fußmarsch. Wenn überhaupt.

Also lief ich los. Die meisten Häuser waren schon dunkel. Immer mal wieder flimmerte eine Straßenlaterne auf, doch sonst war nicht viel los.

Als ein Summen hinter mir zu hören war, blickte ich mich neugierig um. Ein Junge fuhr mit seinem Fahrrad an mir vorbei, er hielt sich ein Funkgerät ans Ohr, mit der anderen Hand versuchte er mittig auf der Straße zu bleiben.

„Morgen komme ich pünktlich um halb 9." er lachte. Ich hatte das was die andere Person sagte, nicht verstanden. „Ok, Elfi. Gute Nacht." Der Junge stopfte das Funkgerät in seine Tasche, wobei er nicht auf die Straße achtete und in ein Schlagloch fuhr. Er wankte ein wenig und schließlich fiel er hin.

„Mist", fluchte er. Ich kicherte leise. „Jetzt komme ich wirklich zu spät. Oh, man." Ich ging langsam auf die Straße zu ihm herüber. Er hatte mich noch gar nicht bemerkt. „Hi", sagte ich. Er erschrak. „Hallo, wer bist du?", fragte er verwirrt. War ja klar, dass er mich noch nie hier gesehen hatte. „Leo, und du?" Er rappelte sich auf. „Äh, Mike, Kurzform für Michael."

Mike wischte sich die Hände an der Hose ab, dann hob er sein Fahrrad auf. „Wo willst du hin?", fragte er mich, den Blick in die Ferne gerichtet zur hell erleuchteten Mall. „Zur Mall. Ich bin heute hergezogen und wollte sie mir anschauen. Und du?"
„Ich auch, komm doch mit."

Lächelnd nickte ich. Vielleicht würden wir schnell Freunde werden. „Mit wem hast du gesprochen?" „Elfi" hieß er oder sie.

„Mit Elfi, sie ist meine, naja, Freundin." Mike schob das Fahrrad neben mir her. Vor uns leuchtete die Mall. „Süß.", sage ich und kicherte ein wenig vor mich hin. Ob Elfi auch so unaufmerksam war wie Mike? Bestimmt.

„Warum bist du hergezogen?", wollte Mike wissen. Ob ich ihm erzählen sollte, von meinem Unfall? Lieber nicht. Ich fasse es kürzer. Nicht detailliert. „Ach, ich hatte einen Unfall, mein Arzt meinte, damit ich mich besser erholen kann sollen wir von San Francisco weg ziehen. Er hat uns Hawkins vorgeschlagen und meine Eltern waren hin und weg von der Idee." ich verdrehte die Augen.

„Hm", machte er. Er schien über etwas nachzudenken. Aber ich konnte nicht wissen über was, was ein Zufall.

Etwa fünfzig Meter geradeaus standen drei Jugendliche. Sie sahen ungeduldig in Mikes Richtung. Sicherlich waren es seine Freunde. „Sind das deine Freunde?", fragte ich ihn und nickte mit dem Kopf in Richtung der Freundesgruppe.

Er sah auf. Mir war gar nicht aufgefallen, dass er die ganze Zeit auf den Boden geschaut hat. „Ja", antwortete er. „Sie warten auf mich, wie man unschwer erkennen kann." er lachte ein kehliges, warmes Lachen. Dennoch fühlte ich mich nicht so ganz wohl in seiner Nähe. „Das sind Lukas, Max und Will, dort. Elfi darf nicht hier her und naja, Dustin kommt erst morgen wieder.", erzählte er.

Dustin? Wo hatte ich das nochmal gehört?

Ich nickte und sah wieder zu der Gruppe Freunde. Der Junge mit der dunklen Haut hatte einen Arm um das Mädchen geschlungen. Sie sahen beide glücklich und gleichzeitig ungeduldig aus. Daneben stand ein anderer Junge. Er war zu weit weg um ihm richtig zu erkennen.

Mike und ich liefen immer weiter auf die anderen zu. Ich konnte inzwischen sehen, dass das Pärchen etwas verwirrt war, mich zu sehen.

Und ich sah, dass der andere Junge wunderschön braune, warm aussehende Augen hatten. Er sah mich an. Sein Blick funkelte mich träumerisch an, ich konnte nicht anders, als hinzusehen. Er musterte mich und sah dann zu Mike. Argwöhnisch musterte er diesen.

„Und?", fragte Mike und holte mich so aus meiner Traumwelt. „Entschuldige, was hast du gesagt?", meine Stimme klang ein wenig krächzend. Bestimmt wegen ihm...

„Ob du mit ins Kino willst?", wiederholte Mike seine Frage, die ich vorher nicht gehört hatte. Ob ich mitgehen sollte? So könnte ich die anderen besser kennen lernen vielleicht.. und auch den Jungen, der mich wieder interessiert musterte. Also gut, dachte ich mir.

„Ja, gerne.", antwortete ich Mike. „Cool.", sagte er, während er das Fahrrad in einen Fahrradständer stellte. Ich sah ihm dabei zu und bemerkte nicht, wie die drei Freunde hinter uns kamen.

„Hi.", hörte ich eine weibliche Stimme. Ich drehte mich um und sah in die wunderschönen Augen des Mädchens. Hinter ihr standen ihr Freund und er...

Ich musste schlucken. Er war von Nahem noch schöner.

„Ich bin Max", stellte sich das orangehaarige Mädchen vor. „Und das sind Lukas", sie zeigte auf ihren Freund. „Und Will.", sie zeigte auf den wunderschönen Jungen. Ich merkte wie mir das Blut in die Wangen schoss. Will, also.

„Hey, mein Name ist Leo.", sagte ich, während ich nur in Will's Augen sah. Sie waren wie eine Falle, und ich war geradewegs hinein getappt.

Warte mal? War Will nicht der Junge, der als tot gegolten hatte?

Eine andere Welt || Stranger ThingsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt