Kapitel 1 Keine Ruhe inmitten des Sturms ~ Teil 2
Noch einmal lese ich die Nachricht des Schwarzhaarigen. Ich weiß nicht, was ich ihm antworten soll. Ich scrolle zur vorigen Woche und schaue, was ich ihm beim letzten Mal geschrieben habe, als er den Zug verpasste. Es ist wenig erhellend und leider auch nicht kopierbar, weil ich ihn schlecht ein zweites Mal darum bitten kann, mir am Morgen dasselbe Buch nochmal aus der Bibliothek mitzubringen. Ein anderes brauche ich leider nicht. Ignorieren kann ich ihn auch nicht. Ich seufze leise, aber ergeben und ziehe die Schublade meines Schreibtischs auf. Ich hole die Packung Zigaretten hervor, die ich darin verwahre, weil ich genau weiß, dass auch ich hin und wieder schwache Moment habe. So wie jetzt.
Draußen schiebe ich mir eine der zylindrischen Krebserreger zwischen die Lippen, setze mich auf die freie Bank vor dem Eingang und lasse meinen Kopf nach hinten kippen. Ich stecke sie mir nicht an, sondern nuckele eine Weile das Filterpapier weich. Der Himmel ist grau und genauso matschig, wie die Gedanken in meinem Kopf. Es wird langsam dunkel und kalt. Ich versinke tiefer in die von allen gehasste übergroße Strickjacke, die von Kain mal als totes Tier bezeichnet wurde. Der Zigarette widerstehe ich heldenhaft.
Mein Handy vibriert erneut und zögernd ziehe ich es aus meiner Hosentasche. Diesmal zeigt mir das Display eine Nachricht von Lena an und mein Körper lehnt sich entspannt wieder zurück. Ich habe nicht mal gemerkt, dass ich mich aufgerichtet habe.
- Was willst du zum Geburtstag?-, fragt sie mich. Hier weiß ich die Antwort sofort.
- Ruhe-
- Böh-
- Mehr Ruhe-
- Mäh-
- Seelenfrieden- Die Reaktion darauf dauert etwas länger als die vorigen.
- Reichen dir auch Gummibärchen? Ich habe einen Laden mit vielen verschiedenen Geschmacksrichtungen gefunden.- Ich kann nicht anders, als leicht zu grinsen. Ich mache mir nicht viel aus meinem Geburtstag und dieses Beschenken ist mehr als überflüssig für mich. Ich weiß nicht, wie oft ich es ihr schon gesagt habe. Dennoch versucht sie es immer wieder, obwohl ich nie etwas Nützliches erwidere.
- Tu was du nicht lassen kannst-, antworte ich ihr. Mein Blick bleibt erneut an Kains Nachricht hängen, als ich beschließe, alle weiteren Zeilen von meinem genetisch übereinstimmenden Familiengummibärchen zu ignorieren. Seufzend tippe ich mehrere Varianten einer herunterspielenden Antwort, überlege am Längsten bei 'Shit Happens' und entscheide mich letztendlich für 'Ist dann wohl so. Pass auf dich auf.'. Direkt nach dem Senden lege ich das Telefon zur Seite und versuche den bitteren Geschmack zu verdrängen, der sich in meinem Mund ausbreitet. Wieder lasse ich die Zigarette zwischen meinen Lippen wippen und schließe die Augen. Ich fühle mich schon jetzt, wie ein vollkommener Idiot und das gefällt mir gar nicht.
Ich bleibe noch eine Weile sitzen, genieße die kühle Luft auf meiner Haut, die langsam aber sicher auch die Hitze aus meinem Gedanken verdrängt und gehe erst zurück ins Wohnheimzimmer, als meine Finger eiskalt sind. Die Zigarette landet ungeraucht im Müll.
Jeff hat Wort gehalten und kein größeres Klamottendesaster angerichtet. Seine Laune hat sich allerdings nicht gebessert und er sitzt unzufrieden vor seinem neuen Laptop. Seine muffelige Sitzhaltung sieht reichlich anstrengend aus, weshalb ich trotz kalter Hände zum Kühlschrank gehe und uns beiden ein Eis heraushole. Erst lehnt er ab. Doch sein Widerstand schmilzt schnell. Eis geht immer. Der orbitofrontale Kortex lügt nicht, was das angeht. Mein ganz eigenes Lebensmotto. Und es wirkt. Noch während des Essens beginnt Jeff enthusiastisch über all das zu schnattern, was ihm gerade durch den Kopf geht und obwohl ich für einen Sekundenbruchteil an meinen Verstand zweifele, unterbreche ich ihn kein einziges Mal. Es passiert selten, aber im Moment kommt mir die leichtlebige Geräuschkulisse sehr entgegen.
Jeff geht eine halbe Stunde nach mir ins Bett und schläft lange, bevor ich es tue. Ich drehe mich im Fünfminutentakt von der einen Seite auf den Rücken, auf die Seite, auf den Bauch. So, wie es meine Mutter zu Weihnachten mit Rouladen macht. Meine Gedanken sind lange unstet und drehen sich energisch im Kreis. Ich hielt die Metaphern mit dem Karussell immer für abgedroschen und klischeehaft, doch in diesem Moment empfinde ich sie als seltsam passend. Irgendwann schaltet auch mein Kopf in Slow Motion und ich schaffe es wegzudösen.
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Between the Lines Chapter 2 - It's more than just words
Romance[Fortsetzung von Between the Lines - The wonderful world of words} ~Liebe ist eine Herausforderung und das nicht nur in der Dramödie, die sich mein Leben nennt. Sie ist es vor allem dann, wenn einem lange die Überzeugung prägte, das sie nichts weite...