Vom animalischen Gefühlschaos bei Beziehungsdebütanten - 2 -

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Kapitel 9 Vom animalischen Gefühlschaos bei Beziehungsdebütanten ~ Teil 2

Ich erwarte, dass in der Küche reges Treiben herrscht, doch es ist menschenleer. Kein Gerät ist an und nirgendwo ist auch nur ein Krümel auszumachen. Der Raum wirkt, wie das perfekte Abbild eines Modellexemplars. Überhaupt ist es gespenstisch ruhig im Haus. Ich werfe einen Blick auf die Uhr und die bestätigt meine Annahme, dass in etwa einer Stunde zum Mittagessen gebeten wird. Bei mir zu Hause wäre ich bereits durch Musik terrorisiert oder würde zu einem Brettspiel animiert werden. Doch das hier ist... Ich kann Kain verstehen. Ich warte auf das kochende Wasser und durchsuche dabei die Schränke nach Tee, als sich auch mein Handy regt. Es ist mein Mitbewohner und nach kurzem Abwägen gehe ich ran.

„Lena hat mir gesteckt, dass du bei Kain zu Hause bist! Du hättest es einfach erzählen können." Jeff klingt unterschwellig beleidigt, während er mir das durchs Telefon hindurch entgegenschleudert. Ich habe keinen Bock, ihn zu betüddeln, bloß weil er sich auf den imaginären Schlips getreten fühlt. Gerade nervt mich zusätzlich, dass Kain mit seiner Annahme recht hatte. Lena ist ein Plappermaul.

„Weil ich ja schon immer so auffällig mitteilungsfreudig war", gebe ich bissig Retour und höre sofort, wie Jeff getroffen die Luft einzieht. Die nächste Schublade, die ich öffne, offenbart mir endlich eine bunte Mischung von Beuteltees.

„Ich meine ja nur, dass du das nicht verheimlichen musst.", fährt Jeff weniger pampig fort.

„Weiß ich", sage ich, gefolgt von Schweigen. Das Wasser blubbert laut vor sich hin und ich entscheide mich für eine Kräutermischung.

„Und wie ist Kains Familie so drauf?", fragt er neugierig und ich kann mir vorstellen, dass er die Frage am liebsten sofort gestellt hätte. Unwillkürlich sehe ich mich um, doch ich bin weiterhin allein. Ich lehne mich zurück und spiele mit dem Teebeuteletikett.

„Meine Datenlage ist noch ungenügend." Jeff schnauft.

„Für Klatsch und Tratsch braucht man keine evidenzbasierte Datenlage."

„Du vielleicht nicht, du Tratschonkel. Ich begreife nicht mal, was der Reiz daran ist."

„Ich mache dir bei Gelegenheit mal einen Essay fertig. Jetzt sag schon, sind es nur du, Kain und seine Eltern? Gab's schon den Eltern-Talk?"

„Im Moment sind es nur wir vier. Aber nachher zum Essen kommt wohl noch sein Cousin oder so. Was bitte verstehst du unter Eltern-Talk?", erkläre ich so neutral wie möglich. Ehe Jeff zur Erklärung ansetzen kann, spüre ich eine Vibration am Ohr und vernehme ein untergründiges Piepen. Ein Blick aufs Display zeigt mir die Nummer des Verlags. „Hey, ich kriege einen zweiten Anruf rein, da muss ich rangehen. Ich melde mich, wenn ich wieder zu Hause bin", sage ich hastig und wechsele den Call.

„Quinn?"

„Bonjour, mon petit Schoko-Croissant. Merci. Voilá", begrüßt mich überraschend, aber nicht unerwartet Brigitta. Ich nehme das Handy vom Ohr und prüfe nochmals die Nummer. Definitiv aus dem Verlag.

„Hast du gerade willkürlich irgendwelche französische Vokabeln aneinandergereiht?"

„Was, wenn ja? Ich bin froh, dass ich noch ein paar kenne. Den letzten richtigen Französischunterricht hatte ich in der zwölften Klasse." Richtigen? Ich versuche gar nicht zu ergründen, was sie damit meinen könnte.

„Seit wann meldest du dich derartig förmlich, Monsieur Quinn?", echot sie meinen Nachnamen. Sie wiederholt ihn, als wäre er eigentlich ein Schimpfwort oder eine verquere Wortneuschöpfung.

„Seit wann meldest du dich über das Firmentelefon?", kontere ich mit einer Gegenfrage. Es hätte Karsten, der Verleger, sein können und dann hätte ich mich schlecht mit ‚Jo Mann' melden können. „Und wieso arbeitest du an einem Feiertag?"

Between the Lines Chapter 2 - It's more than just wordsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt