Kapitel 4 Das kleine Einmaleins des Updatings ~ Teil 1
Ich brauche nicht lange, um Kain zu finden, denn er sitzt wie immer an derselben Stelle. Seine langen Beine sind unter dem Tisch voll ausgestreckt und er stützt sein Kinn gedankenverloren in seiner Handfläche ab. Obwohl die andere Hand über der Laptoptastatur schwebt, tippt er nicht. Er sieht nicht mal auf den Bildschirm, sondern aus einem der Fenster. Sein Fuß klopft einen stillen Takt in die billigen dunkelgrauen Teppichfliesen und verursacht ein prägnantes Geräusch in der sonst stillen Bibliothek. Er ist nicht bei der Sache und ich weiß, dass es meine Schuld ist.
„Hey", versuche ich mein Glück und laufe langsam auf seinen Arbeitsplatz zu. Kain sieht auf. Für einen Moment erkenne ein Flickern in den vertrauten braunen Augen. Erstaunen. Danach Verwunderung. Auch eine leichte Spannung in seinen Schultern ist zu erkennen, die jedoch abfällt, je länger er mein ruhiges Gesicht mustert. Er hat nicht erwartet, dass ich auf ihn zukomme. „Hast du noch viel zu tun?", frage ich, ehe Kain reagieren kann und bleibe neben seinem Arbeitsplatz stehen. Er sieht auf seine Aufzeichnungen, scheint zu kalkulieren und danach einzuschätzen, dass er sowieso nicht vorankommt. Nicht mit dem Elefanten im Raum, der gerade wieder meine Form angenommen hat. Er schüttelt sachte den Kopf, fährt sich durch die Haare und lehnt sich zurück.
„Bin im Grunde fertig. Warum?", fragt er und schließt seinen Laptop. Er ist noch sauer, das zeigt mir die Zurückhaltung. Er will es mir nicht allzu leicht machen und ich kann es verstehen.
„Ich dachte, wir könnten ein Eis essen gehen", schlage ich unbeirrt vor. Sicherer, als ich mich wirklich fühle. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass er einfach Nein sagt und dann müsste ich eine direkte Entschuldigung bringen. Keine meiner Stärken.
„Eis? Im November?", hakt er skeptisch nach und mustert mich kritisch. Ich nicke nur und spare mir meine normalerweise in dieser Situation übliche Erklärungsparade. Kälte. Zuträglich. Aggregatzustand. Und so weiter und so fort. Abgesehen davon ist der November dieses Jahr erstaunlich mild und meine Argumente dementsprechend schwach.
„Es gibt auch Tee und guten Kaffee, hab ich mir sagen lassen und dieses typische Kaffeegebäckzeug und...", fahre ich fort. Ich mache eine Handbewegung, die in meinem Universum Kekse symbolisiert und erkenne die Verwunderung in Kains Gesicht, aber auch wie er sich entspannt.
„Okay", unterbricht er meine Aufzählung und richtet sich direkt auf. Ich bin überrascht und erleichtert, sodass ich stillschweigend dabei zusehe, wie er seinen Laptop und seine Unterlagen einpackt, während das Echo meines Herzschlags wie Blitzgewitter durch meinen Körper fegt. Die Ruhe der Bibliothek verstärkt mein inneres Gefühlschaos und macht es lauter als mir lieb ist. Als er mit allem fertig ist, lächelt er und ich kämpfe gegen den inneren Breakdown. Wieso bin ich eigentlich nervös? Das ist nur Kain. Ich nicke dümmlich als er mich erwartungsvoll ansieht, deute Richtung Ausgang und drehe mich direkt um. Wir durchwandern die Gänge mit der vorgeschriebenen Schweigsamkeit und ich nutze die Zeit, um mich selbst etwas besser zu sortieren. Als wir das Hauptgebäude verlassen, liegt mein Puls noch immer weit über der Norm, trotzdem fühle ich mich gefestigter. Unbeirrt steuere ich das Café di Santos an und ignoriere Kains fragende Blicke.
Wie gewohnt betrete ich das Café, ohne Kain groß irgendwelche Erklärungen zu geben. Doch statt wie immer direkt zum Tresen zu gehen, suche ich uns einen Tisch am Fenster und lasse mich auf den Stuhl mit dem Blick zu Luci fallen. Eine ihrer Augenbrauen hebt sich in die Höhe als sie mich bemerkt, doch sie kassiert ruhig den Kunden ab. Kain schaut sich ungeniert um, während er sich die Jacke von den breiten Schultern zieht und sie auf die Rückenlehne des Stuhls hängt. Er folgt meinem Blick, sieht zu Luci und danach zurück zu mir. Luci füllt gerade eine Waffel mit einer gigantischen Kugel Eis und ich könnte schwören, dass die Kugel größer ist als der Kopf des Kindes selbst. Ich bin neidisch.
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Between the Lines Chapter 2 - It's more than just words
Romance[Fortsetzung von Between the Lines - The wonderful world of words} ~Liebe ist eine Herausforderung und das nicht nur in der Dramödie, die sich mein Leben nennt. Sie ist es vor allem dann, wenn einem lange die Überzeugung prägte, das sie nichts weite...