Kiss. Kiss. Bing. Bong - 2 -

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Kapitel 10 Kiss. Kiss. Bing. Bong ~ Teil 2

Ich komme mitten in der Nacht an, weil mein Zug wegen plötzlich eintretender Vereisung und einer damit einhergehenden Signalsperre eine Weile nicht weiterfahren kann. Mit einer Nachricht informiere ich meine Mutter und Hendrik, aber als ich keine Rückmeldung erhalte, weiß ich, dass sie vermutlich schlafen gegangen sind. Ich versuche es auch bei Lena, aber auch sie antwortet mir erst, als ich fast am Bahnhof angekommen bin und kurz bevor mein Akku den Geist aufgibt. Der nächste Bus kommt erst in einer Stunde und ich bin kurz davor, meinen Kopf gegen den Fahrplan zu schlagen, als es hinter mir hupt. Ich schaue verwundert zurück und erkenne Hendriks Auto und den passenden Fahrer. Mit einem erleichterten Seufzer begebe ich mich zur Beifahrerseite und steige ein.

„Hey Großer", begrüßt er mich und legt das Telefon weg, mit dem er mich sicher gerade erreichen wollte.

„Hey", grüße ich meinen Stiefvater zurück und schnalle mich an, „Danke, dass du mich abholst. Ich dachte, ihr schlaft schon."

„Die Couch war sehr gemütlich. Aber Lena hat mich geweckt", berichtet er, „Deine Mutter ist schon vor drei Stunden ins Bett gegangen. Sie musste heute mit der Schwiegermutter in den Pflanzenmarkt fahren." Das schelmische Grinsen in seinem Gesicht sehe ich selten bei ihm und es bleibt bestehen, während er losfährt.

„Noch mehr Hortensien? Wozu?"

„Keine Hortensien, aber Marianne hat während unseres Essens einen gravierenden Fehler begangen und versucht, meiner Mutter klarzumachen, dass Hortensien in unserem Garten nicht wachsen. Aber das ging natürlich nach hinten los."

„Autsch." Er braucht es gar nicht ausführen, da ich mir lebhaft vorstellen kann, wie es abgelaufen ist. Monika wird ihre Schwiegertochter aufgefordert haben, etwas anderes zu benennen und ihr wird keine Pflanze eingefallen sein, weshalb sie gleich vorschlug, dass sie doch gemeinsam zum Pflanzenmarkt fahren könnten.

„Ich glaube, wir haben jetzt eine Pfingstrose in Altrosa, aber nagele mich nicht darauf fest. Wenn du mich fragst, ist das alles dasselbe." Diese Äußerung lässt mich erheitert auflachen. Dennoch merke ich, wie sich die Müdigkeit anschleicht und stetig ihren Tribut fordert. Ermattet schließe ich die Augen.

„Wie war es bei Kains Familie?", erkundigt sich Hendrik. Ich streiche mir übers Gesicht und zucke kurz mit den Schultern, weil ich nicht wirklich weiß, was ich antworten soll und versuche dabei, etwas wacher zu werden. Er bemerkt es nur, weil wir gerade an einer Ampel halten. „Das spricht Bände", interpretiert er meine Reaktion.

„Du hast ja keine Vorstellung! Kains Vater hat die ganze Zeit gearbeitet. Seine Mutter ist..." Ich mache eine wortesuchende Pause, weil mir keine neutrale Beschreibung einfallen will. „Speziell... und sein Cousin ist ein Idiot. Was extrem nervtötend, aber beim Essen durchaus amüsant war." Den Rest der kunterbunten Katastrophe lasse ich aus. Diesmal ist es Hendrik, der auflacht. „Sie haben nicht mal einen Weihnachtsbaum und sie essen ganze Fische aus aquaponischer Haltung."

„Ich hoffe mal nicht lebendig. Deine Mutter hatte das auch mal überlegt, aber wir waren uns sicher, dass Lena und du dann in den Hungerstreik treten. Das wollten wir uns über Weihnachten nicht antun."

„Gewiss eine vorausschauende Entscheidung", erwidere ich und meine es hundertprozentig ernst. Dieses Fischereignis zehn Jahre früher hätte mich nachhaltig traumatisiert. Wir befahren die Auffahrt und das Licht an der Eingangstür geht an.

„Ich denke, Kain war dir sehr dankbar, dass du ihn begleitet hast."

„Weiß nicht, ich löse bei Familien selten Begeisterungsstürme aus. Seine Mutter kann mich definitiv nicht leiden." Wobei ich denke, dass sie niemanden mag. Demnach bin ich einfach nur keine Ausnahme.

Between the Lines Chapter 2 - It's more than just wordsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt