Kapitel 6 Kein Sex unter dieser Nummer ~ Teil 2
„ROBIN!", ruft Lena von unten, sodass ich es sogar durch meine Kopfhörer hindurch hören kann, als würde sie hinter mir stehen. Home sweet Home. Ich lege ein Ohr frei und blicke zur Tür in der Annahme, dass sie jeden Moment aufspringt. Doch nichts passiert. Noch könnte ich so tun, als wäre ich nicht da. Ich könnte über dem Balkon in den Garten flüchten. Der Busch, den meine Mutter letztes Jahr direkt unten den Balkon pflanzte, sollte mittlerweile eine abfedernde Funktion übernehmen können, da ich bezweifle, dass mich die Regenrinne aushält. Ich stoße ein lautes Raunen aus, pausiere mein Computerspiel und suche meine Familienmitglieder. Lena kommt mir auf der Treppe entgegen, murmelt heiter mehrere Male 'Da issa ja' und mutiert zu einem menschlichen Schraubstock, als sie ihre Arme um mich schlingt. Ich ächze. Sie kichert. Ich röchele. Sie lacht. Noch während Lena meine Gedärme komprimiert, taucht meine Mutter aus der Küche auf und schenkt mir ein warmes Lächeln, welches mich gleich in eine heimelige Woge versenkt. Egal, wie sehr ich es ablehne oder mir einrede, dass es etwas ist, was ich nicht brauche, insgeheim genieße ich es. Nicht unbedingt die manuelle Folter dieser ständigen Umarmungen, aber auf jeden Fall, dass sich die beiden Frauen trotz meiner stoischen Art freuen, mich zu sehen. Da Lena nicht lockerlässt, schaffe ich es geradeso, meinen Unterarm zu heben und meiner Mutter halbherzig zu zuwinken.
„Wie schön, dass du schon da bist", erwidert sie lächelnd.
„Hey, Mama", presse ich hervor, „Womit füttert ihr sie? Hulkfrüchte?" Kichernd erklimmt meine Mutter die wenigen Stufen, die sie von Lena und mir trennen und umarmt uns beide.
„Einfach nur gesunde Hausmannskost." Das wage ich zu bezweifeln. „Apropos, hast du gegessen, mein Schatz?" Ich berichte ihr von unserer effektiven Selbstkonservierung mit Fastfood. Mama duftet nach Jasmin und Quitte, welche sich mit dem süßlichen Parfüm meiner Schwester mischt und ich habe das Gefühl, in einem Obstsalat zu schweben, während ich von fettigen Essen spreche. Zu allem Überfluss drückt mich Lena noch etwas fester, was mich mehr oder weniger zum Bananenbrei macht. Mir entflieht ein pfeifendes Quietschen der Sauerstoffnot und endlich lassen mich beide Frauen frei. Mama tadelt unser Pausenmahl und erwähnt im gleichen Satz, dass sie Lust auf ein Softeis mit Smarties hat. Ich werde es nie verstehen.
„Ich habe übrigens ein Zoospiel auf deinem Computer installiert", berichtet mir Lena fröhlich, nachdem wir uns ins Wohnzimmer begeben und die grundlegenden Wie-Wo-Was-und Wer-Fragen der letzten Wochen unseres Nichtsehens geklärt haben.
„Wieso auf meinem und nicht auf deinem? Was machst du in meinem Zimmer?" Die zweite Frage ist lediglich Makulatur und das Belangloseste, was ich an Bruderstänkerei aufbringen kann. Lena verdreht meisterlich die Augen und lässt sich in den Sessel plumpsen wie ein nasser, vollgefressener Sack. Meine Schwester ist wahrhaftig nicht die Graziöseste und manchmal so wenig damenhaft, dass ich sie glatt Bruder nennen könnte.
„Es geht nur noch der alte Laptop von Papa und der ist sooo langsam. Ein neuer wäre ja schön", stichelt sie gekonnt gegen den Elternpart im Zimmer.
„Du kennst die Vereinbarung. Wenn deine Schulnoten in den geisteswissenschaftlichen Fächern besser werden, dann kriegst du einen Neuen", offenbart unsere Mutter und stellt einen Teller mit Keksen vor mir ab. Es sind die Schokoladenwolkenkekse, die Lena gebacken hat.
„Geschichte ist langweilig und Politik ist einfach *piep*", jammert meine Schwester und vertont effektvoll ihren Standpunkt. Ich setze mich unbeteiligt auf die Couch und beobachte ihren nachfolgenden Schlagabtausch, der in dieser Form oder einer abgewandelten sicher schon häufiger stattgefunden hat. Nach dem zweiten Keks habe ich ein Déjà-vu. Zwar habe ich vergessen, wie meine Note in Geschichte ausgesehen hat, aber der Dialog kommt mir bekannt vor. Ich habe alles nach dem Römischen Reich verdrängt, das sagt mir der spärliche Rückblick in meine Schulzeit. Einzig das Mittelalter ist noch in Bruchstücken vorhanden und diese Teile zeichnen, passend zu meiner schwarzen Seele, ein eher düsteres Bild der Menschheit.
DU LIEST GERADE
Between the Lines Chapter 2 - It's more than just words
Romance[Fortsetzung von Between the Lines - The wonderful world of words} ~Liebe ist eine Herausforderung und das nicht nur in der Dramödie, die sich mein Leben nennt. Sie ist es vor allem dann, wenn einem lange die Überzeugung prägte, das sie nichts weite...