Kein Sex unter dieser Nummer -1-

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Kapitel 6 Kein Sex unter dieser Nummer ~ Teil 1

Natürlich komme ich nicht dazu, mit Kain zu reden, und habe bei den wenigen Momenten, die wir miteinander verbringen können, kaum Ambitionen, diese durch Schwermut zu verwässern. In der Konsequenz lasse ich es schwelen und ertappe mich hin und wieder dabei, dass mich nachts durch die Laken wälze, obwohl der Schwarzhaarige nicht involviert ist. Die letzten Herbstwochen fliegen vorbei und der Unikrake verschlingt mich mit all seinen Tentakeln. Hausaufgaben. Referate. Ich sitze eine Woche ohne Unterbrechung in der Bibliothek, weil ich befürchte, dass sich das benötigte Buch in Luft auflöst, wenn ich es aus den Augen lasse. 10 Exemplare auf 25 Studenten pro Seminar nenne ich schlechte Planung.

Irgendwann gibt es keine Möglichkeit, dem Weihnachtswahnsinn zu entkommen. Selbst einer meiner Dozenten fügt bei jeder seiner Mails einen pseudoweihnachtlichen Spruch ein und begrüßt die Studentenschaft mit HoHoHo. Was läuft nur falsch in dieser Welt? Und was spricht gegen ein schlichtes Hallo und 'Hey du' das gesamte Jahr über? Als ob Pfefferkuchen und Stolle im September nicht schon bedauerlich genug wären, blinken in fast jedem Fenster bunte Lichter in die Nacht hinein. Einige davon mit psychodelischen Epilepsieeffekten. Der Tag- und Nachtrhythmus der Menschen und Tiere wird vollkommen durcheinandergebracht und wir wundern uns, wenn die Gesellschaft immer fahrlässiger wird. Doch dieses Jahr zergehe ich nur halb so arg ins Zetern, als in den vorigen. Warum? Kain. Er ist Ablenkung schlechthin. Nicht nur im sexuellen Sinne. Seit unserem absurden Zahnpasta-Tête-à-Tête ist, abgesehen von zunehmenden Nachrichten, kleineren Telefonaten am Abend und Kains Versuchen, der Rothaarigen bewusst aus dem Weg zu gehen, wenn ich dabei bin, alles wie vorher. Die Betonung liegt darauf, dass Kain es versucht, das Biest hingegen nicht. Ihre Blicke werden mir gegenüber bei jedem Aufeinandertreffen giftiger und mein Wunsch, sie zu diffamieren, steigt exponentiell an. Eine Spirale, die zwangsweise irgendwann zur Explosion führt und dann nehmen wir die gesamte, verrückte Welt mit. Würde ich mich nicht draußen auf einem öffentlichen Ort befinden, würde ich laut und hämisch lachen. Leider haben wir in diesem Semester eine Vorlesung, mit dem nachfolgenden Seminar zusammen und wir schaffen es nicht, genug Plätze zwischen uns bringen, um nicht aneinanderzugeraten. Doch die doofe Kuh ist mein geringstes Problem. Kain und das, was wir da miteinander haben, ist das Größere. Ich weiß nicht, was ich erwartet habe. Da wir uns kaum sehen, kann es nicht anders sein und im Grunde kommt mir der Status quo sehr entgegen. Noch dazu hat die Gewissheit, dass ich mich nicht in eine kitschige Romanfigur verwandeln muss, durchaus etwas Beruhigendes.

Ich streiche mir die verschwitzten Haare aus dem Gesicht, greife ein letztes Mal den Basketball und lasse ihn geschickt im Korb verschwinden. Seit einiger Zeit bin ich wieder regelmäßig auf dem Basketballplatz und versuche meinen irrläufigen Gedanken in Linie zu bringen. Sport hilft. Mal ist es zufriedenstellend, dann hat es den umgekehrten Effekt. Deshalb liege ich meistens mit meinem Kissen raufend auf dem Bett und seufze vor mich hin, bis Jeff einschlägt wie die ablenkende Chaosbombe, die er ist.

Ich sammele den Ball ein und mache mich auf den Rückweg zum Wohnheim. Kain hat sich nicht gemeldet. Trotzdem hole ich mein Handy hervor und starre auf den Chatverlauf, der heute Morgen mit ein paar lapidaren Phrasen aufhörte. Es macht mich wahnsinnig. Einerseits will nicht unter dem ständigen Druck stehen, mich melden zu müssen, und ich will ebenfalls nicht, dass Kain mir ununterbrochen schreibt. Aber andererseits kann ich den Gedanken an ihn nicht fallen lassen, wenn er es nicht tut. Es ist verrückt und ich kann es nicht leiden. Es ist schon der vierte Nachmittag hintereinander, an dem mein Basketball und ich beste Freunde mimen und uns trotz des schlechter werdenden Wetters bis zum Vergessen ertüchtigen.

Der Name meiner Schwester erscheint auf dem Handydisplay, während ich mich wegen Unkonzentriertheit schon zwei Mal beim Eintippen des Pins vertan habe.

Between the Lines Chapter 2 - It's more than just wordsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt