Alarico
Wütend schlug ich auf den Sandsack vor mir ein. Lucrecia brachte mich zur Weißglut mit ihrem Verhalten und ich wusste langsam nicht mehr, wie ich sie unter Kontrolle halten sollte. Ramon, mit dem ich trainierte, hatte Probleme damit, den Sandsack zu halten, weil ich mit so einer Wucht darauf einprügelte. "¿Qué puedo hacer? Ich weiß mir langsam nicht mehr zu helfen.", fragte ich ihn verzweifelt um Rat und lehnte völlig außer Atem meinen Kopf gegen den Sandsack. "Ich weiß es nicht, Diablo. Vielleicht sollten wir ihr mal vernünftig erklären, warum.", schlug er vor. Das hatten wir tatsächlich noch nie getan, aber ich schüttelte den Kopf. "Das würde nichts daran ändern, dass sie sich dagegen wehren würde.", antwortete ich, bevor ich mit den Zähnen den Klettverschluss des einen Boxhandschuhs aufzog. Ramon ließ den Boxsack los, denn er war nun an der Reihe. "Wer war der Typ denn eigentlich?", wollte er wissen, als seine Handschuhe anzog und sie festzog. "Er heißt Nico, hab ihn über ihr Instagram gefunden.", gab ich ihm als Antwort und bereitete mich darauf vor, dass er zuschlagen würde. "Und? Würde er in Ordnung sein?", fragte er nach seinem ersten Schlag. "Du weißt, dass ich es lieber hätte, wenn sie einen von den Jungs aus der Gang nehmen würde.", erwiderte ich langsam. "Ja, aber das wirst du ihr wahrscheinlich nicht einreden können. Dagegen hat sie sich schon immer gewehrt und es würde sie zu einem Mala Noche machen, das will sie nicht.", kam es von ihm. "Ich weiß. Er wäre ja in Ordnung, wollte sie sogar beschützen letzte Woche, aber er ist nun mal deutschlandweit berühmt.", informierte ich ihn. "Scheiße, wenn er sie in die Öffentlichkeit zieht, ist sie 'ne wandelnde Zielscheibe.", sagte er darauf und schlug erneut zu. "Eben und genau deswegen muss er weg.", reagierte ich frustriert. Ramon und ich trainierten noch etwa eine Stunde, dann gingen wir duschen und fuhren zurück ins Büro.
Ich hatte Lucrecia am Nachmittag zu mir bestellt. Erst hatte sie sich geweigert, also hatte ich Enrique gebeten, sie von der Arbeit abzuholen. Nun saß ich also im Büro und wartete darauf, dass die beiden ankommen würden. Ich rieb mir das Gesicht, während ich verzweifelt nach einer Lösung für unser Problem suchte. Die einfachste Methode wäre es gewesen, diesen Nico erschießen zu lassen, allerdings hätte das zu viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Ich hätte ihn auch einfach aufsuchen und ihn bedrohen können, doch dann hätte Lu sich die Schuld daran gegeben und das wollte ich ebenfalls nicht, also musste ich sie irgendwie dazu bringen, von sich aus den Kontakt abzubrechen. Ein Klopfen an der Tür ließ meinen Gedankenstrom anhalten und meine Augen wieder öffnen. "Ja?", fragte ich und hob meinen Kopf an. Enrique kam mit unserer Schwester im Schlepptau ins Zimmer. Sie war genervt und wütend, was ich verstehen konnte. Mir machte es auch keinen Spaß, ihr ständig das Leben schwer zu machen, aber ich hatte es unserem Vater versprochen, als er verhaftet worden war. Er hatte mich gebeten, sie zu beschützen, egal wie, Hauptsache, sie würde nicht enden wie unsere Mutter. "Was willst du?", sagte Lu sichtlich genervt. "Setz dich, bitte.", antwortete ich und zeigte auf den Stuhl gegenüber von mir. Seufzend ließ sie sich darauf fallen und lehnte sich nach hinten. Enrique nickte mir zu, bevor er den Raum wieder verließ. "Rico, was willst du?", wiederholte sie. "Ich möchte, dass du dich nicht weiter mit diesem Nico triffst.", forderte ich ruhig. Sofort entglitt ihr ein Lachen, das aber keineswegs positiv gemeint war. "Vergiss das.", sagte sie dann und wollte wieder aufstehen, um zu gehen. "Lu, ich mein es ernst.", warnte ich. "Ich auch, Bruderherz. Ich lass es mir nicht verbieten, weder von dir, noch von irgendwem sonst.", entgegnete sie frech. "Du verstehst nicht, er ist bekannt in Deutschland. Euch muss nur einer erkennen und dein Gesicht ist überall.", versuchte ich ihr zu erklären. Sie schüttelte den Kopf, sah mich fassungslos an und drehte sich um. "Lu, ich will doch nur nicht, dass du mit 'ner Kugel zwischen den Augen endest wie Mama.", sagte ich, was sie dazu brachte, mich noch einmal anzusehen. "Dann haltet euch von mir und meinem Leben fern.", antwortete sie wütend, drehte sich wieder Richtung Tür und knallte diese hinter sich zu. Frustriert schlug ich mit der Handfläche auf den Tisch. "¡Maldita sea!", fluchte ich laut. Kurz darauf kam Enrique in den Raum. Da er den besten Draht zu ihr hatte, dachte ich, er könne vielleicht mit ihr reden. "Überzeug sie bitte davon, diesen Kerl zu vergessen.", bat ich ihn. "Auf mich hört sie doch auch nicht.", seufzte er, bevor er sich auf den Stuhl gegenüber von mir setzte.
Später saß ich im Besucherraum des Gefängnisses und wartete darauf, dass man meinen Vater zu mir ließ. In Handschellen wurde er auf den Tisch zu geführt, dann lösten sie die Fesseln und traten zurück. Ich brauchte unbedingt seinen Rat, deswegen war ich überhaupt zu ihm gefahren. "Necesito tu consejo.", sagte ich sofort. "Was ist los, mijo?", fragte er besorgt. "Es geht um Lu... Sie trifft sich mit einem Sänger und will sich partout nicht davon abbringen lassen.", antwortete ich bedrückt. "Ich habe dir früher schon gesagt, dass du sie machen lassen musst.", entgegnete er schulterzuckend. "Papa, der Sänger ist überall in Deutschland bekannt. Wenn er mit ihr erkannt wird, ist sie eine Zielscheibe auf zwei Beinen.", erklärte ich ihm frustriert. "Hast du denn gerade Probleme mit den Clans?", wollte er wissen. Ich schüttelte den Kopf, weil alles ruhig war und alle Streitigkeiten bereits geklärt waren. "Dann machst du dir unnötig Sorgen. Die anderen Clans wären nicht dumm genug, sich ohne Grund mit den Mala Noches anzulegen.", beruhigte er mich. "Trotzdem möchte ich nicht, dass sie ihn weiterhin sieht.", entgegnete ich kopfschüttelnd. "Diablo, deine Schwester hatte schon immer ihren eigenen Kopf. Du machst es nur noch schlimmer, wenn du sie jetzt weiter bedrängst. Je mehr du versuchst, sie zu kontrollieren, desto mehr wird sie um sich schlagen.", kam es mit ruhiger Stimme von ihm. Er hatte zwar recht, aber ich konnte sie nicht einfach so machen lassen. "Er ist nichtmal Puerto Ricaner.", versuchte ich ihn umzustimmen. "Ist das denn wichtig?", fragte er. "Eine der wichtigsten Regeln bei uns, das weißt du.", antwortete ich angespannt. "Lucrecia ist keine Mala Noche, Diablo. Und das soll sie auch auf keinen Fall werden. Meine Regeln gelten für sie nicht, find dich bitte damit ab.", entgegnete er leise. Ein Wachmann kam auf uns zu und signalisierte uns, dass unsere Zeit um war. Ich war überhaupt nicht damit zufrieden, dass er auf ihrer Seite stand und es sogar noch für gut befand, dass sie sich mit diesem Nico traf. Er saß im Gefängnis, die Gang war meine, also musste er es auch nicht wissen, wenn ich es ihr ausreden würde. Ich verabschiedete mich mit einem Winken von ihm, bevor ich wieder nach draußen begleitet wurde. Wenn sie nicht auf mich hören wollte, musste ich ihn wohl selber aufsuchen. Früher oder später würde er sowieso Angst vor mir bekommen und sich verpissen, wie jeder andere Kerl vor ihm auch.
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Diabla. (Nico Santos)
Fanfiction-"Du bist wie eine Droge, die ich niemals probieren hätte sollen!"- Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an. Lucrecia wächst zwischen Gewalt, Drogen und Angst auf, während Nico sich davon eher fern hält und trotzdem können die beiden nicht ohne ein...