Decimosépta Parte: Le Viene de Familia.

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Zwei Wochen später schleppte ich mich träge aus meinem Bett. Ich hatte frei und normalerweise hätte ich etwas mit Nico gemacht, aber das ja nicht mehr. Er hatte auf keine Nachrichten oder Anrufe reagiert, bis auf einmal, da hatte er mir gesagt, er brauche Zeit zum Nachdenken. Weil ich das respektierte, hatte ich ihn danach nicht mehr versucht, ihn zu kontaktieren. Das war mittlerweile eine Woche her und es brachte mich innerlich um. So wie er mich ignorierte, ignorierte ich meine Brüder, beziehungsweise Enrique und Alarico. Ramon hatte sich aus der Sache komplett rausgehalten, er meinte, er hätte nichts mit meiner Beziehung gehabt und wäre in der Situation wie die Schweiz. Meine Tage liefen immer gleich ab: aufstehen, zur Arbeit gehen, wenn ich nicht frei hatte, auf die Couch legen, fernsehen, ins Bett gehen. Ich verließ das Haus nur, wenn ich musste, bestellte Essen, weil ich keine Lust auf einkaufen hatte und weinte mich öfter in den Schlaf als es mir lieb war. Mein Magen knurrte wie verrückt, also nahm ich mein Handy vom Bett, um mir auf dem Weg ins Wohnzimmer, etwas zu essen zu bestellen. Santo folgte mir, bog dann allerdings in die Küche ab, während ich mich auf die Couch fallen ließ. So wirklich Appetit hatte ich nicht, aber ich musste etwas zu mir nehmen. Gähnen scrollte ich durch die Speisekarte des Restaurants. Pasta mit Hackfleischsoße hörte sich gut an, also tat ich das Gericht in meinen Warenkorb, fügte noch ein Eis als Nachspeise hinzu und bezahlte dann per PayPal. Danach hatte ich die Qual der Wahl, was ich nun ansehen würde, denn gefühlt hatte ich ganz Netlix bereits durch. In den vergangenen zwei Wochen hatte ich viel nachgedacht und der Vorfall mit Alarico hatte mich eins klar werden lassen: ich würde nie einen normalen Mann finden, der nicht in Gefahr sein würde, wenn er sich mit mir traf, also konnte ich auch gleich ein Mala Noche werden. 

Später am Nachmittag machte ich mich auf den Weg zum Stripclub der Gang, wo meine Brüder sicher abhängen würden und ich hatte recht, alle drei Autos standen am Straßenrand davor. Mit Santo an der Leine betrat ich den Club. Der Türsteher nickte mir zur, als ich an ihm vorbeiging. Tagsüber war nie viel los dort, weswegen die Gang es als eine Art Meeting Ort benutzte. Einige Mitglieder saßen an einem der großen Tische und spielten Karten, auch zwei meiner Brüder, die mit dem Rücken zu mir saßen. Um die Aufmerksamkeit der Männer zu bekommen, räusperte ich mich. "Lu!", kam es von Ramon, der sich als Erster umgedreht hatte. Er sprang sofort auf und zog mich in eine Umarmung, die ich nicht erwiderte, danach reagierte auch Enrique, der mich ebenfalls in den Arm nahm. Er hatte ein blaues Auge, das aussah, als würde es bereits einige Zeit abheilen und eine aufgeplatzte Lippe. "Wir haben zwei Wochen nichts von dir gehört, geht's dir gut?", fragte er sofort besorgt. Ich gab ihm einen bösen Blick, dann zuckte ich mit den Schultern. "Was machst du hier?", wollte dann Ramon wissen. "Ich will die Aufnahme machen.", antwortete ich leise. Ein Lachen ging durch den Raum, weil jeder wusste, wie ich zu der Mala Noche stand. "Sehr witzig. Nein, jetzt ehrlich, was willst du hier?", fragte Enrique daraufhin amüsiert. "Das war mein Ernst.", erwiderte ich monoton. Sein Lächeln verschwand sofort, als er merkte, dass ich nicht scherzte. "Das kommt nicht in Frage!", kam es nun von Ramon, der vehement seinen Kopf schüttelte. "Soweit ich mich richtig erinnere, dürft ihr es nicht ablehnen.", entgegnete ich entspannt. Wir hatten eine Regel, die besagt, dass jeder die Aufnahme machen, sich aber Umentscheiden durfte, wenn es dann soweit war. "Da hat sie Recht, Boss.", mischte sich einer der Neuen ein. Sein Name war Tiago und er kannte wohl meine Brüder noch nicht. Der Rest der Truppe hatte nämlich auf den Boden gesehen und sich zurückgehalten. Enrique schloss die Augen und atmete tief durch. Vor allem die neuen Mitglieder nahmen die Regeln ernst und auch meine Brüder mussten sie befolgen. "Warum willst du jetzt plötzlich eine von uns werden?", fragte mich nun die Bardame, die die Gläser abräumte. Sie blieb mit dem Tablet in der Hand neben mir stehen und sah mich an. "Ich werd niemals normale Freunde oder einen normalen Partner finden. Alarico hat das ziemlich deutlich demonstriert. Wenn ich ein Mala Noche bin, seid ihr endlich alle zufrieden und lasst mich in Ruhe.", erklärte ich traurig. Daraufhin nickte die Bardame und verschwand wieder hinter der Theke. "Und Nico?", fragte Enrique hoffnungsvoll. "Was soll mit ihm sein?", stellte ich die Gegenfrage. "Mich würde es interessieren, was er dazu sagt.", antwortete er. "Er ist zwar mein einziger Ex, aber selbst ich weiß, dass ihn sowas nichts mehr angeht.", erwiderte ich. Er sah so aus, als wüsste er nicht einmal, dass Alarico und er eine Auseinandersetzung gehabt haben. "Ex?", mischte sich nun Ramon ein, der überrascht klang. "Ja, Ex. Also, können wir jetzt mit der Aufnahme anfangen?", drängte ich die beiden richtig. Ich wollte nicht über dieses Thema sprechen, es war einfach noch zu frisch. "Hast du dich von ihm getrennt?", hakte Enrique nach. Ich seufzte einmal genervt, dann rollte ich mit den Augen. Der Rest der Männer beobachtete das Ganze still, ab und zu nahm einer sein Glas in die Hand und trank davon, das war's dann aber auch schon. "Nein, er sich von mir, weil unser werter Bruder es für eine gute Idee gehalten hat, ihm eine Waffe an die Brust zu halten.", gab ich ihm ehrlich und angespannt als Antwort. "¡Voy a matar al guarro!", reagierte Enrique darauf, ging an mir vorbei und ging dann Richtung Büro. Als er verschwunden war, sah ich Ramon mit einem fragenden Blick an. Langsam verlor ich die Geduld. "Können wir jetzt anfangen?", hakte ich nach. "Wir müssen erst mit Alarico reden, er ist der cabecilla.", antwortete er langsam. Genervt stöhnte ich auf und setzte mich auf den Hocker, auf dem kurz davor noch Enrique gesessen hatte. Ramon setzte sich neben mich und streichelte Santo. "Was ist eigentlich mit Riques Gesicht passiert?", wollte ich dann wissen. "Ich weiß es nicht. Alarico kam vor zwei Wochen hier rein gestürmt, hat ihn gepackt und wie verrückt auf ihn eingeprügelt.", gab er mir schulterzuckend als Antwort. "Wir mussten ihn zu fünft von ihm runter ziehen.", mischte sich nun Tiago ein. "Es könnte sein, dass das eventuell meine Schuld war.", sagte ich darauf entrüstet. "Warum deine Schuld?", fragte Ramon verwundert. "Enrique wusste von Nico und mir und hat uns gedeckt. Als Alarico bei uns war, hatte er gerade Schicht vor meiner Wohnung, also denke ich, dass er eins und eins zusammengezählt hat.", erklärte ich und wischte mir mit der Hand durchs Gesicht. Ich war müde, weil ich schlecht geschlafen hatte. "Wusste es sonst noch jemand?", wollte mein Bruder wissen. "Isabel und Gabriela.", gab ich ihm als Antwort. "Ich hätte euch auch nicht verraten. Ehrlich gesagt war ich weder für, noch gegen euch, aber du kennst Rico ja.", kam es darauf von ihm. "Warum hast du mich nicht ein einziges Mal verteidigt?", fragte ich enttäuscht. "Du hast Riques Gesicht gesehen. Bei ihm war er noch nachsichtig, aber von mir erwartet er absolute Treue. So ein Verrat hätte mich wahrscheinlich mein Leben gekostet. Ich hätte wirklich mal etwas sagen sollen.", erklärte er ruhig. "Hättest du.", entgegnete ich streng. Er nickte kurz, dann stand er von dem Hocker auf. "Ich werd mal lieber nach den beiden sehen und Rücksprache mit Rico halten. Warte hier, wir holen dich dann.", informierte er mich, bevor er ebenfalls Richtung Büro ging. Ich dachte über meine Entscheidung nach, nicht weil ich mir unsicher war, sondern weil ich nicht wusste, welche Veränderungen auf mich warten würden. 

Diabla. (Nico Santos)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt