Drei Wochen später war der normale Alltag wieder eingekehrt, somit also auch die Heimlichtuerei. Alarico hatte Gott sei Dank nichts mitbekommen, sich sogar gefreut, dass ich Spaß gehabt hatte. Weihnachten rückte näher und somit auch der Entlassungstermin unseres Vaters, der am 20. Dezember sein sollte. Nico saß auf meiner Couch und spielte mit Santo, während ich uns etwas zu trinken aus der Küche holte. Mit einer Flasche Wasser in der Hand ging ich zurück ins Wohnzimmer. Lächelnd setzte ich mich neben meinen Freund und sah ihm dabei zu, wie er an dem Seil zog, das Santo ihm hinhielt. Kurz darauf hatte er keine Lust mehr, weswegen ich den Hund zu seinem Körbchen schickte. Wir wollten uns eine Serie ansehen, die wir zusammen angefangen hatten, also schaltete ich den Fernseher an. Ich schmiegte mich an Nico, als das Intro auf dem Bildschirm erschien. Die Folge war noch nicht mal zur Hälfte durch, als es an der Tür klingelte. Wie immer sah ich erst aus dem Badezimmerfenster. Gleichzeitig bekam ich eine SMS von Enrique. Bevor ich die Tür öffnete, ging ich zurück zu Nico. "Geh mit Santo ins Schlafzimmer und sei leise. Alarico steht unten.", sagte ich hastig. Sofort sprang er von der Couch auf, klopfte sich auf den Oberschenkel, woraufhin der Hund aufstand und ihm folgte, und verschwand dann ins Schlafzimmer. Er schloss die Tür hinter sich, als es erneut klingelte. Ich drückte auf den Türöffner und atmete einmal tief durch, dann öffnete ich die Wohnungstür. Alarico joggte die Treppen nach oben, er begrüßte mich mit einem Lächeln. So gut wie es ging, tat ich so als hätte ich geschlafen und deswegen die Tür erst nach dem zweiten Klingeln geöffnet hatte.
"Wo ist eigentlich Santo?", fragte er, während er sich im Wohnzimmer umsah. "Im Schlafzimmer, der schläft noch.", antwortete ich zögerlich. Er machte sofort kehrt und bewegte sich in Richtung genau dieses Zimmers. "Lass ihn doch schlafen.", kam es panisch aus meinem Mund. Auf gar keinen Fall durfte er diese Tür öffnen. "Ich will doch nur eben Hallo zu ihm sagen.", erwiderte er, als er an der Tür ankam. Körperlich war er mir überlegen und es hätte ihn sicher stutzig gemacht, also musste ich ihn irgendwie überzeugen, dass der Hund seine Ruhe brauchte. "Kannst du das nicht nachher machen, wenn er von selber raus will?", fragte ich ihn. Kopfschüttelnd drückte er die Klinke runter. Ich schloss meine Augen, weil ich seine Reaktion nicht sehen wollte. "Hatte ich dich nicht gebeten, ihn nicht mehr zu sehen?!", kam es wütend aus seinem Mund. Bevor ich antworten konnte, spürte ich, wie er mich grob am Arm packte, danach öffnete ich meine Augen. "Lass sie los!", sagte Nico, der augenblicklich aufgestanden war. Santo, der ja auf Aggression reagierte, war nun nicht mehr entspannt und er wusste das, also kam er auf uns zu, stellte sich mit auf den Gang und machte die Schlafzimmertür zu. Mein Bruder reagierte kein bisschen darauf, was Nico gesagt hatte, im Gegenteil, er verstärkte seinen Griff um meinen Oberarm sogar noch, weswegen ich wimmerte. Es war verdammt schmerzhaft, aber ich konnte mich auch nicht wehren, weil ich an die Wand gedrängt war. "Ich hab gesagt, du sollst sie loslassen!", wiederholte Nico dieses Mal lauter, als er Alarico an der Schulter nach hinten zog. Wenn meinen Bruder eins aus der Fassung bringen konnte, dann war es genau das. Augenblicklich ließ er mich los, packte stattdessen Nico am Hals und drückte ihn an die Schlafzimmertür. "Du sagst mir nicht, wie ich mit meiner Schwester umzugehen habe!", rief er, während er zum hinteren Bund seiner Hose griff. Ich realisierte viel zu spät, dass er seit einer gewissen Zeit immer eine Waffe dabei hatte, die er genau in diesem Moment zog. Nico hatte Panik, das konnte man an seinem Blick erkennen und ich wusste ehrlich gesagt nicht, was ich tun sollte. "Gott, Rico, nimm die Waffe runter!", flehte ich mit zitternder Stimme. Mir kamen die Tränen, weil ich Angst hatte er würde wirklich abdrücken. Sein Finger war schon am Abzug, der Lauf war an Nicos Brust. "Vielleicht versteht ihr beide es dann endlich.", entgegnete mein Bruder laut. Langsam streckte ich meine Hand nach dem Lauf der Waffe aus und griff danach. "Nimm die Waffe runter.", kam es nun ruhiger aus meinem Mund. Die anfänglich Angst verwandelte sich nun in Wut. Alarico, der stur Nico angestarrt hatte, wandte nun seinen Blick zu mir. Wahrscheinlich realisierte er, was er da gerade tat, denn er gab nach und senkte die Waffe, die ich ihm dann abnahm und auf dem Boden weg von uns schob, Nico ließ er allerdings nicht los. "Lass meinen Freund los und verschwinde aus meiner Wohnung.", sagte ich streng. "Verstehst du nicht, dass ich dich beschützen will?", entgegnete er nun etwas leiser als zuvor. "Wovor?!", wollte ich wütend wissen. "Vor denen, die unsere Mutter erschossen haben.", antwortete er, bevor er Nico endlich los ließ. Er atmete erleichtert auf, bewegte sich aber auch nicht weg. "Was?", kam es fassungslos von mir. "Die sind jetzt auch hinter dir her und ich werd nicht zulassen, dass er sie zu dir führt!", erwiderte er und zeigte dabei auf Nico, der immer noch versuchte seinen Atem unter Kontrolle zu bringen. "Raus!", schrie ich daraufhin. Es reichte mir nun endgültig. Alarico sah mich wütend an, bevor er an mir vorbei Richtung Tür ging. "Lu, ich würd's nicht ertragen nochmal durch diese Hölle zu gehen.", sagte er leise, als er nach der Türklinke griff. Er drehte sich noch einmal zu mir um. Ich sagte nichts, sondern starrte ihn so wütend an, dass, hätten Blicke töten können, er tot umgefallen wäre. "Scheiße, du erinnerst mich so sehr an sie, dass es mich umbringen würde, wenn dir das gleiche passiert. Du bist ihr wie aus dem Gesicht geschnitten, sogar deine Stimme ist genau wie ihre. Ich will dich einfach nicht beerdigen müssen!", redete er weiter, dabei fing seine Stimme an zu zittern und ich konnte sehen, wie sich Tränen in seinen Augen bildeten. Ich wollte das nicht hören, also schüttelte ich meinen Kopf. "Verschwinde. Ich will dich nie wieder in meinem Leben sehen.", sagte ich, während ich selbst mit den Tränen kämpfte. Er schüttelte den Kopf, hob die Waffe vom Boden auf, nahm seine Jacke von der Garderobe und verließ dann meine Wohnung.
Ich kümmerte mich erst einmal um Nico, der zitterte wie Espenlaub. Er hatte nichts gesagt, seit mein Bruder gegangen war, sondern hatte sich nur auf meine Couch gesetzt. Natürlich hatte ich mich sofort bei ihm entschuldigt ungefähr 1000 Mal, doch er hatte nicht darauf reagiert. Stattdessen hatte er seinen Kopf in seinen Händen vergraben und laut geseufzt. "Er ist ein Mala Noche. Ich hab das Tattoo an seinem Arm gesehen.", kam es dann irgendwann endlich aus seinem Mund. "Ja, leider.", antwortete ich darauf bedrückt. "Wolltest du mir das irgendwann sagen?", fragte er monoton. Ich konnte ihm nicht in die Augen sehen, weil ich mich schämte, also sah ich kopfschüttelnd auf den Boden. "Du hast mich also die ganze Zeit angelogen.", stellte er fest. "Ich hatte Angst und ich hasse, was meine Brüder tun.", versuchte ich das irgendwie zu rechtfertigen. "Ich... Ich glaub, es ist besser, wenn wir uns jetzt erstmal nicht mehr sehen.", sagte er, bevor er aufstand und Richtung Gang ging. "Nico, bitte nicht!", rief ich ihm nach und stand ebenfalls auf. Ich folgte ihm und sah, wie er seine Schuhe anzog und die Jacke vom Haken nahm. "Lu, du hast mich angelogen. Ich hab dir von Anfang an gesagt, dass das überhaupt nicht geht.", erwiderte er. Ich wusste nicht, was ich darauf sagen sollte, denn er hatte Recht. Bevor er ging, sah er mich noch einmal an, als wollte er noch etwas sagen und dann verschwand er durch die Tür. Erst als die Tür hinter ihm zufiel, brach ich auf dem Boden zusammen. Mein Handy vibrierte in meiner Hosentasche, also zog ich es heraus, in der Hoffnung, dass es Nico sein könnte. Es war Enrique, dafür hatte ich in diesem Moment keinen Kopf, weswegen ich ihn wegdrückte. Meine Welt brach an diesem Tag zusammen und ich konnte nichts dagegen tun.
DU LIEST GERADE
Diabla. (Nico Santos)
Fanfiction-"Du bist wie eine Droge, die ich niemals probieren hätte sollen!"- Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an. Lucrecia wächst zwischen Gewalt, Drogen und Angst auf, während Nico sich davon eher fern hält und trotzdem können die beiden nicht ohne ein...