Als ich am nächsten Morgen die von Schülern belagerten Flure meines Gymnasiums entlangrannte, da ich wie so oft zu spät war ging es mir schon etwas besser.
Ein Fünft- oder Sechstklässler wich mir mit einer so erschrockener Mine aus, dass ich lachen musste. Ich sah vermutlich genauso aus, wie ich mich fühlte.
Geschwollene Augen, die langen dunkelbraunen Haare zu einem schlampigen Pferdeschwanz zusammen gebunden und einen großen, roten Stresspickel in der Mitte meiner Stirn. Der locker als eines dieser indischen Bindi bezeichnet werden könnte, mit dem sich gläubige Hinduisten schmückten.
Vielleicht steigerte ich mich auch zu sehr in die ganze Sache rein. Es war ja noch gar nicht so sicher. Außerdem erst in ein paar Monaten. Wo würden wir dann eigentlich wohnen? Und auf welche Schule würde ich wohl gehen?
Als ich jünger gewesen war, hatte ich immer von den langen Fluren mit den Spinden geträumt, die in amerikanischen High-School Filmen zu sehen gewesen waren. Doch England war da ganz anders.
Ich nahm mir vor, in der Mittagspause ein bisschen zu googeln, da ich die schrecklichen Bilder alter Gebäude und kalter Steinbänke durch etwas erfreulicheres ersetzten wollte. Ich lief unwillkürlich schneller.
Wenn ich an England dachte, sah ich vor meinem Inneren Auge Teetassen, Kamine und Scones. Wenn es um Gebäck geht sind Scones meine absoluten Favoriten. Die von meiner Mutter allerdings nicht. Mit einem flauen Gefühl im Magen erinnerte ich mich an die wahlweise teigigen oder verbrannten Exemplare, die sie regelmäßig Sonntags zubereitete.
Mit einem letzten Sprint erreichte ich die sich gerade schließende Tür ihres Klassenzimmers. Tür 130. Ich riss sie mit einer beherzten Bewegung ihres Armes schwungvoll auf und erstarrte sogleich wieder mitten in ihrer Bewegung.
Shit.
Das war gar nicht meine Klasse. Ein kleines, blondes Mädchen grinste sie mit ihrer breiten Zahnlücke an. Ihre kurzen Haare waren zu zwei kurzen Zöpfen geflochten und standen rechts und links von ihrem Kopf.
Grinsend musste ich an Pipi Langstrumpf denken. Als ich wieder hart auf dem Boden der Tatsachen aufschlug drehte ich mich ruckartig wieder um und wich in letzter Sekunde der Lehrerin, die ebenfalls das Zimmer betrat aus. Es klingelte.
Mit hochrotem Gesicht, ob vom Sprint vorhin oder der peinlichen Verwechslungsaktion eben öffnete ich die mittlerweile geschlossene Tür meines Klassenzimmers. Zu meinem großen Missfallen hatte der Unterricht schon begonnen.
Meine Ausrede mit dem verspäteten Bus nahm mir meine Deutschlehrerin bedauerlicherweise nicht ab. Ganz davon abgesehen wussten alle in meiner Klasse dass ich nicht mit dem Bus fuhr sondern das fragwürdige Privileg besaß, nur eine Straße weiter von der Schule zu wohnen.
Als ich zu einer weiteren Entschuldigung ansetzen wollte, unterbrach mich Frau Braun in einem harschen Ton.
"Junge Dame, sie kommen das dritte Mal in einer Woche zu spät. Ich werde von einem Tagebucheintrag und einem Elternbrief absehen. Sie bleiben aber nachher noch hier."
Ich hatte absolut keine Lust, meine heilige große Pause für eine Moralpredigt von Frau Braun zu opfern aber in Anbetracht eines Elternbriefs betrachtete ich es als das kleinere Übel. Eigentlich hatte ich mit Maja eine Krisensitzung bei den Tischtennisplatten auf dem Schulhof halten wollen.
Die Sache mit London ging mir näher als ich zugeben wollte.
Nach einem auslaugenden Schultag, der zusätzlich von Frau Braun verschlimmert geworden war, pfefferte ich meinen Rucksack in die Ecke und meine Jacke direkt hinterher. An den täglichen Nachmittagsunterricht in englischen Schulen wollte ich auf keinen Fall denken. Mir waren schon zweimal pro Woche zu viel.
"Ist alles in Ordnung?" fragte meine Mutter mit einem Einkaufskorb in der Hand. Sie hatte Tomaten und frisches Brot gekauft. Ich liebte Bruschetta. "Dein Ernst? Wir ziehen nach London. Ich muss mein altes Leben aufgeben, meine Freunde verlassen, in ein fremdes Land und jetzt kommst du mir mit: Ist alles okay?"
Ich sollte mich nicht aufregen, wenn ich nicht noch einen weiteren dieser wunderschönen Pusteln in meinem Gesicht haben wollte. Ich atmete tief durch und blickte in die sorgenverhangenen Augen meiner Mutter.
Sie seufzte schwer. "Ich weiß, dass ist für uns alle nicht einfach. Aber sieh es doch einmal so" Weiter kam sie nicht denn mein Vater kam aus unserer Wohnküche und strahlte uns an. "Wir haben die Wohnung! Komm Lucy ich zeig sie dir." Widerstrebend folgte ich ihm an den Tisch zu einem aufgeklappten Laptop.
Naja, die Wohnung war schon cool. Schlicht und in schwarz weiß gehalten und mit zwei nagelneuen Bädern. Aber das beste war immer noch die Couch. Groß. Sehr groß. Perfekt für verregnete Seriennachmittage, die es, wenn sich das allgemeine Englische Wetterklischee bewahrheitete, zu oft geben würde.
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Hallo liebe Freunde der Sonne. Ich spüre es schon, ich werde so unregelmäßig posten...
Feel free to correct mistakes. Bin im England mode haha.
Wart ihr schonmal in London oder allgemein in England? Me: Ja :-D
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Louis Partridge FF✔️
FanfictionIhr Vater arbeitet von nun an an einer Klinik in London und gegen ihren Willen zieht ihre ganze Familie dorthin. Dialoge sind auf Englisch da ich es realistisch mache. . . . Kiss happens in chapter 18, 21 and 25 . . . Bildquelle: https://i.pinimg.c...