Kapitel 6

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"Beeilt euch. Abfahrt ist in fünf Minuten!" Rief mein Vater von der Haustüre in unsere Wohnung hinein. Ich schnappte mir schnell den Rucksack, den ich zusätzlich zu der Reisetasche, die schon in dem Dienstwagen meines Vaters vergraben war, gepackt hatte und sprintete aus meinem Zimmer auf den Flur, stieß dort mit meinem kleinen Bruder zusammen und versuchte vergeblich, das Gleichgewicht wiederzuerlangen. 

Ich fiel der Länge nach auf den Boden und  riss Jaron gleich mit. Ich kämpfte mich wieder auf die Füße und lachte über die missliche Lage meines Bruders, der unter Jacken und meinem Rucksack begraben war. "Wo bleibt ihr? Sonst fahren wir ohne euch los!" Ergänzte mein Vater ungeduldig.

Als wir kurze Zeit später im Auto saßen und aus der Innenstadt Londons durch die Vorstädte fuhren wurde mir nochmals die Größe dieser Millionenstadt bewusst. Sie war einfach nur riesig. Umso kleiner kam mir dann viereinhalb Stunden das kleine Dorf vor, indem meine Großeltern wohnten. 

Als mein Vater in die Auffahrt zur Villa meiner Großeltern einbog, staunte ich erneut. Sie war nicht in dem typischen Stil für diese Gegend gebaut und der Garten machte den Kontrast zu den Nachbarshäusern noch größer. Die schwarzen Dachziegel, die frisch gestrichene weiße Fassade und die traumhafte Veranda weckten wunderbare Erinnerungen in mir. 

Doch meine gesamte Aufmerksamkeit galt allerdings dem kleinen Schuppen, der halb von der Villa verdeckt wurde und von einem weißgestrichenen Lattenzaun umfasst war. Ich riss die Autotür auf und rannte darauf zu. "Cheese, Bacon!" rief ich als ich über den Zaun kletterte. 

Die beiden Dartmoor Ponys standen unter ihrem Unterstand und machten offensichtlich gerade Siesta. Doch als sie mich hörten drehten sie sich um und blickten mich neugierigen Augen und gespitzten Ponyohren an. Ich ging auf sie zu und reichte einem von ihnen den Apfel den ich heute Morgen aus dem Obstkorb gemopst hatte. 

Es gab ein krachendes Geräusch als das Pony zubiss und ich streichelte seine dicke Mähne. War das jetzt Cheese oder Bacon? Ich trat einen Schritt zurück und versuchte einen Unterschied der Fellfarbe festzustellen, denn Cheese Fell war ein bisschen heller als Bacons obwohl beide dunkelbraun, fast schwarz waren. Und tatsächlich! Ich tätschelte Bacon den Rücken während mich Cheese mit einem so vorwurfsvollen Blick musterte, dass ich es sofort bereute, den zweiten Apfel auf der Fahrt gegessen zu haben.

"Ihr seid so groß geworden!" sagte Grandma mit ihrem niedlichen englischen Akzent bevor sie mich in eine innige Umarmung zog. Ich legte ihr unbeholfen die Arme auf den Rücken und klopfte leicht. Ich war noch nie gut gewesen, Leute zu umarmen oder zu trösten. Vielleicht gab es dazu ein Youtube Tutorial. Ansonsten war das eine echt große Marktlücke. Opa Franz beließ es zum Glück auf einem Schulterklopfen. 

Meine restliche Familie freute sich ebenfalls unglaublich die Großeltern wiederzusehen. Immerhin hatten wir sie seit 2 Jahren nicht mehr besucht. Meine Mutter wischte sich unauffällig eine Träne aus dem Augenwinkel und Opa nahm Jaron bei der Hand und ging mit ihm schon einmal ins Haus. Und auch Grandma winkte uns rein "Teatime!" rief sie fröhlich.

Grandma hatte sich bei den Scones selbst übertroffen. Fluffig und kein bisschen verbrannt. Ich bestrich meinen mit Butter und selbstgemachter Erdbeermarmelade und war im Himmel. Einzig und allein die Tatsache, dass ich meine Zunge heftig am Tee verbrannte, trübte mein Hochgefühl ein wenig. Aber die nächsten Tage würden großartig werden. Ich spürte es!

Wir redeten über dies und das und irgendwann klinkte ich mich wieder aus und ging zu Cheese und Bacon. Die beiden waren aber auch viel zu knuffig.

Louis Partridge FF✔️Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt