xxxii. - amaryllis -

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"Alles okay bei dir?", fragte Theo, als ich die frischen Brennesseln in das aufgekochte Wasser legte.

"Ja, mir geht's gut, ich hab nur nicht-... Ich hab nur nicht damit gerechnet..."

"Weißt du, Goldie, du darfst trauern, niemand verlangt, dass du-"

"Ich kann nicht trauern...", murmelte ich leise und zerhäkselte weitere Blätter mit einem Messer, ohne ihn anzuschauen.

"Weil der Junge hier ist?"

"Nein, weil es ist, als wäre eine Fremde gestorben... Ist das komisch, Theo? Ich verspüre nicht den Drang zu weinen und zu trauern, ich bin einfach nur müde..."

"Du weißt, dass sie dich geliebt hat, oder?", wollte er nach einet kleinen Pause wissen.

"Offensichtlicherweise..."

"Nein, Goldie, ich meine das ernst... Aber du bist einfach wie dein Vater, da hat sie recht und-"

"Du kanntest meinen Vater doch gar nicht", unterbrach ich ihn und rührte den Brennesseltee um.

Theo räusperte sich kurz und nickte dann, was mich dazu brachte, ihn anzuschauen und meine Aufmerksamkeit erstmal ihm zukommen zu lassen.

"Oder kanntest du ihn doch?"

"Nur vom Hören-Sagen", erklärte er und sah mir über die Schulter. "Warum machst du Brennesseltee?"

"Remus hat Gelenkschmerzen", erwiderte ich nur und wandte mich dann von ihm ab, um die Tasse auf ein Tablett zu stellen. "Ich glaube, es liegt am Wetter."

"Goldie, du weißt es oder?"

"Hm?"

"Über Remus?"

Ich setzte ihm einen prüfenden Blick aus und nickte dann.

"Hat Lyall es dir erzählt?"

"Ich weiß es schon länger. Ich bin sehr stolz auf dich, dass du ihn nicht verurteilst."

"Woher?", fragte ich ihn mit gerunzelter Stirn.

"Weil meine Dorothy auch Lykanthropie hatte und wenn man Jahre mit einem Werwolf zusammenwohnt, lernt man es, die Zeichen zu lesen."

"Das hast du mir nie erzählt...Wie hast du ihr durch die Zeit vor dem Vollmond geholfen?", wollte ich wissen und lehnte mich gegen die Küchentheke.

"Ich hab ihr so viel Ruhe gegeben wie möglich, ihr Wärmflaschen gemacht oder kalte Lappen, je nachdem, ob ihr heiß oder kalt war...", murmelte er, bückte sich und nahm besagte Flasche heraus. "Weißt du, vor Vollmond verfallen Werwölfe in ein Fieber, ihre Knochen, Gelenke und Zähne schmerzen furchtbar, es fühlt sich für sie an, als würden sie sich langsam auflösen..."

Mich erfasste eine Welle von Mitleid, währendem ich ihm zuhörte, die Flasche entgegen nahm und sie mit dem heißen Wasser auffüllte.

"Versprich mir, dass du ihm niemals folgst, wenn er am Vollmond geht", forderte er leise.

"Werde ich nicht. Ich weiß, wie Werwölfe sind."

"Natürlich weißt du das", lächelte er und sah mich eine Weile mit väterlichem Stolz an.

"Du weinst gleich, alter Mann", schmunzelte ich, schlug ihm leicht gegen die Schulter und nahm das Tablet mit Tasse, Wärmflasche und Gewürznelken auf.

Theos Haus war alt und groß, mit knarksender Holztreppe und dunklen Möbeln, auf denen überall Blumentöpfe standen.

An einigen Wänden platzte die verblichene Farbe ab und hier und da hingen ein paar Spinnenweben, aber trotzdem würde ich nirgends lieber leben als hier, in diesem Haus mit dem riesigen Garten und dem Stück Wald.

"Ist dir heiß?", fragte ich leise, als ich mich in mein Zimmer schob, da Remus immernoch auf dem Bett saß und sich nicht zugedeckt hatte.

"Kalt, um ehrlich zu sein..."

"Ich hab dir eine Wärmflasche mitgebracht und den Tee... Wenn du möchtest, kann ich dir auch Thymian holen, der-"

"Komm einfach her, Goldie...", nuschelte er und schob sich unter die Decke.

"Du musst erst die Nelke nehmen... Hier. Behalt sie einfach für ein bisschen im Mund, dann sollte-!"

Er zog mich schwungvoll zu ihm und schlang dann seine Arme um mich.

"Remus", murmelte ich und schloss automatisch die Augen. "Der Tee..."

"Gleich...", nuschelte er in meine Haare, währendem er mit seinem Daumen über meinen Oberarm strich.

vergissmeinnicht.  // Remus LupinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt