vi. - anemonen -

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"Darf ich dir vorschlagen, diesen Satz zu ändern?", riss Remus mich aus meinem Schreibfluss. "Da ist eine Wortdopplung im Satz danach, das hört sich nicht ganz so elegant an."

"Wortdopplung? Wo?", fragte ich und überflog den Aufsatz flüchtig.

Remus schloss die Distanz zwischen uns auf, bis er direkt hinter mir stand und beugte sich über mich, um mir den Satz zu zeigen.

"Da hast du "Durchsetzen" und im nächsten Satz "Durchsetzung"."

Ich wusste nicht wieso, aber ich hielt meinen Atem an, als ich den Stoff seines beigen Pullovers in meinem Nacken spürte erneut und der Duft nach alten Büchern.

"Entschuldige", sagte er dann, als er bemerkte, dass ich aufgehört hatte zu schreiben und stattdessen seine Hand anstarrte.

"Ich weiß nicht, wie ich das übersehen konnte", seufzte ich und tippte das Wort mit meinenZauberstab an, woraufhin es verschwand.

"Vielleicht brauchst du einfach ein bisschen Pause...", schlug er vor und zog demonstrativ das Pergament vor meiner Nase weg.

Ich stellte meine Feder in den Tintenkiel und rieb meine Gelenke.

"Darf ich?", fragte er und streckte seine Hände nach meinen aus. "Ich kenne das, wenn man eine Weile schreibt, können die Hände wirklich schmerzen."

Ich zögerte einige Sekunden und hielt ihm dann meine Hände hin.

"Woher kommt deine Liebe zu Blumen?", fragte er, währendem meine Fingerknöchel rieb.

Seine Haut war angenehm, weich und warm und der Handrücken zierte zwei große Narben, die vor mehreren Jahren verheilt waren.

"Sie wurde mir in die Wiege gelegt, denke ich", gab ich mit roten Wangen zu und starrte zu meinen Händen in seinen. "Meine Eltern haben sich durch Blumen kennengelernt."

"Dein Vater sieht nicht aus wie ein Blumenliebhaber", schmunzelte Remus und ließ seine Fingerkuppen über meine Handflächen gleiten.

"Theo? Er ist nicht mein Vater, nicht mein richtiger zumindest und erst Recht kein Blumenliebhaber."

Seine Blassgrünen Augen lagen einen Moment auf mir, bevor er sie wieder auf meine Hände richtete.

"Was ist deine Lieblingsblume?"

Wenn meine Wangen zwischenzeitlich wieder etwas an Farbe verloren hatte, war sie spätestens jetzt wieder in voller Pracht zu sehen.

Mich hatte noch nie jemand nach meinet Lieblingsblume gefragt, nicht einmal meine Mutter.

"Vergissmeinnicht."

Er schmunzelte leicht, nickte und musterte mich.

"Ist sie deine Lieblingsblume, weil sie in botanischer Sprache eine besondere Bedeutung hat oder findest du sie einfach nur schön?"

"Weißt du...", fing ich nachdenklich an. "Meine Mutter hat mir immer gesagt, dass jeder sich eine Blume aussucht, die zu einem passt."

"Und was denkst du passt zu mir?", fragte er und rieb meine Ballen, ohne mich anzusehen.

Ich nahm ihm seine Hand ab drehte sie vorsichtig einige Male und strich dann über die Narben.

"Eine Anemone vielleicht..."

Remus hob verblüfft seinen Blick und starrte mich an.

"Wie... Meine Lieblingsblumen sind Anemonen, weil ich sie als Kind immer im Fensterbrett stehen hatte, ich-..."

"Und wieso standen Anemonen bei dir im Fensterbrett?", fragte ich ihn mit einem sanften Lächeln.

"... weil ich sie mir als Kind ausgesucht habe..."

Ich ließ seine Hand los und betrachtete kurz meine Rechte, die sich nach seiner Massage gar nicht mehr anfühlte, als würde sie gleich anfangen zu krampfen.

"Und was bedeutet sie?"

"Das muss jeder für sich selbst rausfinden", murmelte ich nur.

"Du taust auf, wenn du über Sachen sprichst, die du magst", bermerkte er nach einigen Sekunden und nahm die Pergamentrolle und verstaute sie in dem Klappfach im Tisch. "Colloportus."

Ich ließ meine Augen über die Tische schweifen und nickte.

"Der vierte Tisch in der zweiten Reihe."

"Komm, wir machen Schluss für heute. Wir haben uns Abendessen wirklich verdient."

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Leute, das hier wird schmerzhaft, ich möchte euch vorwarnen.

vergissmeinnicht.  // Remus LupinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt