»42« Vertrauensbruch

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𝕃 𝔸 ℝ 𝔸

Eine leise Melodie ertönt.

Ich öffne die Augen, doch es ist stockfinster.

Ich höre nur diese unfassbar schöne Stimme.

„Twinkel, twinkle, little star, how i wonder what you are. Up above the world so high, like a diamond in the sky. Twinkle, twinkle, little star, how i wonder what you are. When the blazing sun is gone, when he nothing shines upon, then you show your little light, twinkle, twinkle, all the night. Twinkle, twinkle, little star..."

„Mamà?", rufe ich. Das ist Mamà's Stimme! Das ist ihre Stimme!

„Ma", rufe ich ein weiteres Mal, als die Stimme verstummt. Das Licht geht an. Es sind die  Lichterketten, welche mein Zimmer erhellen. Die Lichterketten, die immer an meinem Fenster hingen. Moment mal... Ich befinde mich in meinem Zimmer? Langsam sehe ich mich um. Alles steht an Ort und Stelle. Es ist genauso märchenhaft wie das Zimmer von einer Prinzessin. Meine Lieblingsfarbe ist nämlich rosa und deshalb sind viele Sachen bei mir rosa: mein Bett, mein Teppich, die Gardinen. Die Wände sind weiß und gelb gestrichen. Meine Plüschtiere sitzen im Regal - sowie immer. Mein Halloweenkleid steht gewaschen in der Ecke und wartet darauf, bald schon angezogen zu werden.

„Hey, schreie doch nicht so rum, deine Schwester schläft schon! Cosa sta succedendo?", fragt sie mich, was los ist. Ich seufze leise und bin erleichtert, dass sie sich nun doch in meinem Zimmer befindet.

„Ich weiß nicht. Ich hatte nur plötzlich das Verlangen dich zu sehen", erwidere ich leise. Ein breites Lächeln ziert ihre Lippen, während sie zu mir unter die Decke krabbelt und mich feste in die Arme schließt.

„Hier bin ich. Ich werde immer kommen, wenn du das Verlangen hast mich zu sehen, Lara", sagt sie und küsst mich auf den Scheitel. Ihr Duft nach Blumen steigt mir in die Nase und lässt mich wohlig seufzen.

„Wirklich immer?", hake ich nach. Mamà nickt.

„Egal, wen du sehen willst, la mia stella", lächelt sie.

„Sobald du das Verlangen hast, kommen wir", fügt sie hinzu und streicht mir über die Haare, ehe sie mich quietschend wieder auf die Wangen küsst, sodass ich lachen muss.

„Was habe ich dich vermisst", murmelt sie und hört gar nicht mehr auf mich zu küssen.

„Wenn ich also Papà sehen will, dann kommt er auch sofort?", hake ich verwirrt nach. Er kommt dann einfach so?

„Ganz genau. Wir sind nämlich für immer in deinem Herzen. Und wir kommen immer, wenn du uns brauchst. Schließ einfach die Augen und wünsche es dir", ertönt Papà's Stimme, der plötzlich an meiner Zimmertür steht. Begeistert kichere ich.

„Papà", rufe ich erfreut.

„Siehst du?", fragt er lachend und drückt mir ebenso wie Mamà vorhin einen Kuss auf die Wange. Die selben warmen braunen Augen, die ich auch besitze, strahlen mir entgegen und erinnern mich an Kakao. Er ist es wirklich.

„Jetzt habe ich Lust auf Kakao. Kommt es auch einfach, wenn ich es mir wünsche?", frage ich. Meine viel zu hohe, kindliche Stimme wird von den Wänden zurückgeworfen, während Mamà und Papà sich ansehen und zu lachen beginnen.

„Nein, aber ich kann dir eins holen", antwortet Papà, woraufhin ich meine Arme dankbar ausstrecke und ihn umarme.

„Ich liebe euch."

„Und wir lieben dich, la mia stella..."

Ich lächle und blinzle, ehe ich die Augen öffne und in genauso strahlend blaue Augen sehe, wie meine Mutter sie besitzt.

Agonía SilenciosaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt