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„Und wieso möchtest du nicht essen?", frage ich Aurela, als sie verneinend den Kopf schüttelt, sobald ich ihr die Pommes auf den Tisch stelle. So ein schwieriges Kind aber auch! Ich will mit ihr spielen und sie verneint, ich frage sie, ob sie Hunger hat und sie bejaht. Jetzt besorge ich Essen für sie und sie will nicht. Versteh' einer dieses Kind!
„Ich habe keinen Hunger mehr", erwidert sie leise, wendet den Blick jedoch nicht vom Fenster ab. Ich runzle die Stirn. Sie scheint mir heute irgendwie traurig. Als ich bereits rein kam, waren alle Kinder am spielen, nur sie nicht. Sie saß hier auf der Fensterbank und sah hinaus. Die Betreuer, die hier mit den Kindern rund um die Uhr sind, meinten, dass sie heute noch gar nichts gegessen hat.
Ich seufze leise.
„Hat dich jemand geärgert?", frage ich sie, doch sie schüttelt bloß den Kopf. Die nussbraunen Haare sind ihr heute nicht gekämmt worden und liegen ihr wirr auf den Kopf und auch umgezogen hat sie sich nicht. Sie sitzt noch immer im Pyjama.
„Möchtest du raus gehen, Aurela?", frage ich sie. Gott, ich verzweifle hier gleich! Aurela sieht mich an. In den hellbraunen Augen, die mich an Honig erinnern, liegt eine stille Entschuldigung. Ich seufze lautlos, ehe ich mir ein Lächeln abringe und den Kopf schüttle, als könnte ich ihr somit sagen, dass es nichts zu entschuldigen gibt.
„Möchtest du mir nicht verraten, wieso du heute so traurig bist?", frage ich vorsichtig nach und lehne mich an die Fensterbank, um ihr ins Gesicht sehen zu können. Sie schüttelt den Kopf. Ich nicke. Okay, dann muss sie es mir nicht sagen, aber das bedeutet ja nicht, dass ich sie nicht aufmuntern darf!
„Hast du Angst, dass ich dich bei UNO wieder abzocke?", versuche ich mich an einen Witz, doch ihre Mundwinkel zucken nicht einmal. Ich seufze leise.
„Darf ich heute dennoch mit dir spielen? Ich habe mich so gefreut, dass ich dich heute wiedersehe", lüge ich. Tatsächlich wäre ich jetzt lieber in meinem Bett und würde schlafen. Vielleicht würden nach 'nem Nickerchen auch die Schmerzen endlich vergehen, die immer stärker zu werden scheinen. Doch stattdessen muss ich mich um ein Kind kümmern, dass nicht einmal mir gehört. Jetzt gerade ist es aber nicht mal so, dass ich sagen kann »Okay, wenn sie nicht will, dann gehe ich!«, denn so traurig kann ich sie niemals allein lassen!
„Wirklich?", reißt mich ihre niedliche Stimme aus den Gedanken. Blinzelnd sehe ich wieder zu ihr. Was ist? Wovon war nochmal die Rede?
„Eh, ja. Wirklich", stimme ich verwirrt zu. Verdammt, mein Gehirn ist heute wirklich langsamer als sonst, doch nachfragen möchte ich nicht, da ihre Augen langsam an Glanz annehmen.
„Okay, dann spiele ich etwas mit dir", erwidert sie und hebt die Mundwinkel an. Ich grinse. Okay, dann spielt sie eben mit mir und nicht andersherum.
„Davor brauche ich aber etwas zu essen! Ich habe so einen Hunger, das glaubst du gar nicht", lüge ich ein weiteres Mal. Ich habe vorhin bereits gefrühstückt, aber vielleicht würde sie essen, wenn ich es auch tue.
„Okay, dann frühstücken wir erstmal", sagt sie und springt von der Fensterbank runter. Sie greift nach meiner Hand und zieht mich hinter sich her bis zum Frühstücksraum und ich greife noch schnell nach dem Teller mit der Pommes. Die darf nicht vergessen werden!
„Danach ziehen wir dich mal um und machen dir die Haare", versuche ich so beiläufig wie möglich zu sagen, doch zu meinem Glück nickt sie bloß.
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Agonía Silenciosa
Chick-Lit[Band II] Danny Kingston. Der Mann dessen Nachname jeden einen Schauer die Wirbelsäule hinunter jagen lässt. So wunderschön sanft und arglos sein Name auch klingen mag: Er ist alles andere als sanft und arglos. Eher ist er bedrohlich und waghalsig...