»44« Die Wahrheit

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„Salzstangen?"

Eine mir bekannte Stimme reißt mich aus den Gedanken und ich sehe auf, starre in die giftgrünen Augen von Danny's Vater.

„Ehm... Nein, danke", erwidere ich leise, während er sich ungefragt neben mir auf den Hausstufen niederlässt.

„Ich dachte, ich leiste dir mal Gesellschaft. Die anderen verschwinden wieder nach dem Essen und meine Mädels müssen noch ihre Hausaufgaben machen, ehe sie vielleicht einen Film mit dir gucken können. Nun, meine Frau ist gerade beschäftigt. Nimm's ihr nicht übel. Wenn es um Danny geht, würde sie sogar versuchen die Zeit anzuhalten, nur um länger Zeit mit ihm verbringen zu können. Und... ich rede gerade ganz schön viel", erklärt er und kratzt sich zum Ende hin am Hinterkopf, ehe er mir einen entschuldigenden Blick zuwirft.

„Das macht nichts. Es ist nett, dass Sie mir Gesellschaft leisten", lache ich leise.

„Klar doch. Und duze mich bitte."

„Okay, mache ich", erwidere ich und wende wieder den Blick ab, ehe ich mir alles ansehe. Das Anwesen der Kingston ist kein Haus und keine Villa - es ist eine verdammte Festung. Ich will nicht wissen, wie groß das Gebäude in Wahrheit ist und wie weit es sich erstreckt, doch trotz der Größe, des Luxus... der goldenen Verzierung an den Toren, der nur nach Geld schreit... ist das Grundstück von hohen Mauern umzingelt. Es ist ein goldener Käfig.

Und so ist Danny großgeworden...

„Sie... eh, du kanntest meine Eltern. Kannst du mir bitte mehr davon erzählen?", frage ich ihn nach einer kleinen Weile der unangenehmen Stille. Überrascht sieht Leroy mich an.

„Ja, natürlich kann ich das. Ich war vorhin ziemlich schnell und habe nicht überlegt. Ich habe aber auch nicht damit gerechnet, dass die Beiden bereits tot sind", seufzt er und legt die Salzstangen zur Seite.

„Das konntest du ja nicht wissen. Es ist schon okay. Ich war sieben Jahre alt, als... nun...", verhasple ich mich. Ich habe das Gefühl, dass er es verdient zu erfahren wie meine Eltern gestorben sind, da er mit ihnen befreundet war, doch es will einfach nicht über meine Lippen. Schluckend sehe ich auf meine Hand. Mir wird für einen Moment kotzübel und ich kann mir nicht einmal erklären wieso.

„Schon okay, du musst es mir nicht erzählen. Ich würde es zwar irgendwann gerne erfahren, aber... du musst das nicht tun. Also. Deine Eltern. Deine Mutter lernte ich auf der Toshi Gakko kennen. Sie war ziemlich gut darin zu kämpfen und ich ein echter Amateur. Zu dieser Zeit war ich... Nun, ich wollte so bald wie möglich lernen. Ich wollte schnell lernen, aber es klappte nicht so ganz. An meiner Seite standen mein Freund Ben und deine Mutter. Sie beide ermutigten mich immer wieder und lenkten mich von den schlechten Momenten in meinen Leben ab. Gegen Gabriella musste ich einmal kämpfen und habe verloren. Sie wandte eine Technik an, die niemand außer sie beherrschte. Ich schäumte vor Wut und zwang sie, mir zu helfen. Ich wollte wie sie kämpfen können und diese Technik ebenfalls beherrschen, doch sie weigerte sich, weil sie meinte, ich sei ein Arschloch und könnte nicht nett fragen - was ja auch stimmte. Nun, eines Abends ging ich mit einigen anderen Trainee's in eine Bar. Deine Mutter kam auch mit uns mit und sie verliebte sich augenblicklich in deinen Vater, der übrigens Barkeeper war. Und da kam mir die Idee. Ich freundete mich mit Leonardo an und machte mit deiner Mutter..."

„Einen Deal", unterbreche ich ihn leise.

„Genau. Einen Deal."

„Du hast ihr versprochen, sie mit meinem Vater zusammenzubringen und dafür musste sie dir Trainingsstunden geben, ja. Ich kenne die Geschichte. Mama hat sie mir einmal erzählt", lächle ich und sehe aus großen Augen zu ihm auf.

Agonía SilenciosaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt