Kapitel 38

3.1K 251 42
                                    

• N I C K •

Als ich die Trevor am See sitzen sehe, atme ich erleichtert auf. Sein Kopf ist gesenkt, er scheint nichts von seiner Umgebung mit zu bekommen, als ich zu ihm trabe.

Seit wir zuletzt miteinander gesprochen haben, sind einige Tage vergangen. Und ich habe mir Sorgen gemacht, weil er sich nicht gemeldet hat. Dass er Ärger mit seinen Eltern hatte, mit seinem Vater, der ihn von der Außenwelt abgeschottet hat.

Aber glücklicherweise hat sich Trevor vorhin gemeldet, dass er mich im Gloria Park treffen würde, wenn ich Zeit hätte. Sam habe ich hiervon nichts erzählt. Er würde sich nur wieder aufregen und dann streiten wir.

Zwar hat er sich mir gegenüber heute Mittag relativ normal verhalten, aber ich habe diese Distanz zwischen uns trotzdem gespürt. Ich möchte es nicht noch schlimmer machen, indem wir wieder deshalb diskutieren, dass ich Trevor beistehen möchte.

Deshalb habe ich ihm gesagt, ich wäre mit Miley verabredet. Nicht, dass ich mich nicht schuldig fühle, ihn anzulügen. Es ist nur eine Notlüge. Wenn sich alles ein wenig entspannt, werde ich ihm davon erzählen.

"Hey du", kommt es über meine Lippen, als ich an Trevor herantrete.

Er zuckt zusammen, als wäre er tief in Gedanken versunken gewesen, und schaut erschrocken auf.

"Entschuldige, ich wollte dich nicht erschrecken." Ich lasse mich neben ihm auf die Wiese sinken. "Wie geht es dir?"

"Sorry, dass ich mich die letzten Tage nicht gemeldet habe. Es war ein wenig ... kompliziert zuhause", gibt er murmelnd von sich und senkt den Blick wieder in Richtung Wasser.

"Was ist passiert?"

"Ich ... Ich habe meine Eltern angelogen."

"Inwiefern?"

"Dad und ich haben wieder mal gestritten. Er hat nicht verstanden, warum ich unbedingt hierherkommen wollte. Und", er zupft an einzelnen Grashalmen herum, "Meine Mutter hat wieder mal zwischen uns vermitteln wollen. Ich konnte ihr ja aber nicht die Wahrheit sagen, es würde sie verletzen."

Stirnrunzelnd warte ich darauf, dass er weiterspricht. Sein Blick ist weiterhin auf den See gerichtet, sodass er meinen fragenden Ausdruck nicht bemerkt, doch er setzt fort:

"Dad hat sie damals, als sie mit mir schwanger gewesen ist, mit seiner Exfreundin betrogen. Und sie dann ganz offensichtlich ebenfalls geschwängert. Naja, meine Mom hat ihm das zwar verziehen, aber sie denkt trotzdem nicht gerne an diese Zeit zurück. Ist ja verständlich ... Zumindest habe ich ihr deshalb gesagt, ich wäre hier, weil ich ... mir Colleges anschauen möchte. Wegen eines Basketball Stipendiums. Und dass ich ... eingeladen wurde. Aber das stimmt ja nicht ..."

"Trevor ..."

"Wenn ich ihr sagen würde, ich würde meine Geschwister kennenlernen wollen, würde es ihr Herz brechen."

"Aber es ist doch dein gutes Recht, deine Brüder kennenzulernen", versichere ich ihm, er zuckt aber nur mit den Achseln.

"Ich sag doch, es ist kompliziert. Es entwickelt sich zu einem riesigen Lügengerüst, das irgendwann einstürzen wird. Und dann ... mein Vater wird mich umbringen, wenn er davon erfährt."

Er tut mir so leid.

Seufzend rücke ich ein wenig näher an ihn heran und lege zögerlich meinen Arm um ihn. "Trevor, vielleicht ist es sinnvoller, ihnen die Wahrheit zu sagen-"

"Nein."

"Vielleicht verstehen sie es. Wenn es auch Zeit braucht, aber-"

"Du kennst meinen Vater nicht, Nick", fällt er mir wieder ins Wort. "Er wird ausrasten! Als ich rausgefunden habe, dass ich zwei Geschwister habe, habe ich ihn darauf vorsichtig angesprochen, und er ist wütend geworden. Was denkst du, wie er reagieren wird, wenn sein schwuchteliger Sohn sagt, er habe seine möglichen Brüder kontaktiert?"

"Sprich nicht so von dir. Dein Schwulsein macht dich doch nicht aus, Trevor", sage ich, als ein klingelndes Geräusch aus meiner Hosentasche ertönt. "Moment..."

Ich krame mein Handy heraus. Das Display leuchtet auf, als gleich mehrere Nachrichten bei mir eingehen. Und das von Sam.

Verdammt.

"Ist es wichtig?"

Ich öffne den Chatverlauf und überfliege die Worte seiner ersten Nachricht. Mein Hals wird trocken, als ich sie lese. Und dann auch die darauffolgenden Nachrichten.

Sam [17:08 Uhr]: Wo bist du?

Sam [17:08 Uhr]: Ich frage nur, weil du offensichtlich nicht mit Miley unterwegs bist ...

Dann hat er mir ein Foto von meiner besten Freundin und Gil geschickt, die offensichtlich gerade im Einkaufszentrum sind.

Sam [17:09 Uhr]: Du bist bei ihm, habe ich recht?

"Scheiße ...", fluche ich leise und tippe schnell eine Nachricht, als eine weitere Nachricht einfliegt, diese ist aber von Miley.

Miley [17:09 Uhr]: Warum wurde Gil von Sam gefragt, ob du mit uns unterwegs bist? Was ist los?

"Nick?"

Trevor stupst mich an, um auf sich aufmerksam zu machen.

"Entschuldige, ich ..." Ich antworte ihr nicht, gehe stattdessen auf meinen Chat mit Sam zurück, um ihm zu schreiben. "Fuck, ich habe Mist gebaut."

"Was ist los? Warum hast du Mist gebaut?"

"Es ist ..." Mir bleibt das Wort im Halse stecken, als ich das weiße Standard-Bild anstatt seines Profilbildes sehe.

Hat er mich etwa blockiert?

Meine Nachricht wird nur mit einem Haken versendet.

Ich zucke zurück, als sich eine Hand auf mein Knie legt. Trevor betrachtet mich mit schräg gelegtem Kopf. "Ist etwas passiert? Soll ich dich irgendwohin fahren oder-"

"Nein, nein. Ich ... Es ist gerade nur ein wenig kompliziert in meiner Beziehung", gebe ich verunsichert zurück.

Seine Augen weiten sich fast unmerklich. "Das liegt aber nicht an mir, oder?"

"Trevor, alles gut", unterbreche ich ihn und versuche mich an einem Lächeln. "Mein Freund und ich geraten öfters mal aneinander. Verschiedene Persönlichkeiten und so. Es ... es liegt nicht an dir, keine Sorge", lüge ich.

Er sieht nicht aus, als würde er mir glauben. "Dann solltest du vielleicht zu ihm gehen und es klären", meint er und presst für einen Moment die Lippen aufeinander. Auf einmal erscheint es so, als wäre er mit den Gedanken wieder ganz woanders. "Du solltest an deiner Beziehung festhalten, wenn dir dein Freund etwas bedeutet, Nick", sagt er dann, wenn auch immer noch nicht ganz in der Gegenwart zurückgekehrt. "Mach nicht denselben Fehler wie ich."

Frustriert lege ich mein Handy beiseite, nachdem auch meine weiteren Nachrichten nicht weiter versendet worden. "Er wird sich beruhigen ..."

"Dein Freund?"

"Andy."

Als wir uns letztes Mal im Café getroffen haben, hat Trevor mir unter anderem von seinem Freund erzählt. Seinen Erzählungen nach zufolge lässt sich Andrew oft von seinen Gefühlen leiten, manchmal auch zu sehr.

Trevor verzieht das Gesicht. "Er ignoriert immer noch meine Anrufe."

"Lass ihm Zeit. Ihr seid seit einem Jahr zusammen, das wirft er nicht einfach so weg-"

"Bisher scheint es ihm nicht zu stören."

"Trevor, komm schon-"

Aber er schüttelt den Kopf. "Ich kann nichts anderes tun, als ihm den Raum zu lassen, den er braucht. Und ich hoffe, dass er uns noch eine Chance gibt, sobald ... alles geklärt ist."

"Und ... du hast deine Brüder kontaktiert?", rufe ich seine Worte in Erinnerung, woraufhin er nickt.

"Ich habe ihnen ein Brief geschrieben..."

"Erzähl mir davon", bitte ich ihn und schiebe meine Sorgen über meine eigene Beziehung beiseite. Allerdings nehme ich mir vor, Sam später anzurufen und um Verzeihung zu bitten in der Hoffnung, dass er nicht allzu wütend ist.







Nick reitet sich wirklich immer mehr hinein ... Ob das gut geht? Ich bin mir nicht so sicher 😟

Angel Eyes [boyxboy] | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt