Kapitel 22

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• S A M •

Blinzelt öffne ich die Augen und bereue es augenblicklich, als ich von den Sonnenstrahlen, die durch das Fenster reflektiert werden, geblendet werde.

Nur langsam richte ich mich auf und fasse mir an den Kopf. Er dröhnt ziemlich schlimm.

Nachdem Nick gestern Abend nach unserem Kuss gegangen ist und ich ihn nicht erreichen konnte, kam ich auf die glorreiche Idee, meinen Frust in Alkohol zu baden. Es war definitiv nicht sonderlich schlau von mir, wie es sich jetzt herausstellt.

Ich fasse nach meinem Handy und schaue nach, wie spät es ist. Meine Augen weiten sich erschrocken, als ich feststelle, dass es schon nachmittags ist. Habe ich wirklich so lang geschlafen? Warum hat mich denn keiner geweckt?

Ehrlich enttäuscht stelle ich auch fest, dass Nick auf keine meiner Nachrichten oder Anrufe reagiert hat. Zwar hat er sie gelesen, aber nicht darauf geantwortet.

Bereut er, was passiert ist? Wenn ja, was soll ich dann tun? Würde er mir am Montag aus dem Weg gehen? Ich weiß nicht, ob ich das zulassen könnte. Es ist womöglich verrückt von mir, aber ich habe irgendwie Interesse an ihn. Und ich würde gern sehen, was aus uns werden könnte, wenn er es zulässt.

Aber dafür müsste er erstmal mit mir reden. Und ich habe das ungute Gefühl, dass er das nicht unbedingt möchte.

Meine Finger gleiten über meine Lippen, die vor einigen Stunden die von Nick berührt haben. Man könnte auch denken, ich habe all das nur geträumt, aber so war es nicht. Nein, sonst würde ich nicht dieses aufregende Kribbeln spüren, wenn ich an den Kuss zurückdenke. Und an Nick, wie er bei mir saß und seine grau-blauen Augen mich um den Verstand gebracht haben.

Das war so real, wie er danach verschwunden ist. Geflüchtet vor mir.

Wie sollte es auch sonst sein?

Seufzend werfe ich meine Decke beiseite und stehe auf. Anstatt mir jetzt den Kopf darüber zu zerbrechen, sollte ich wohl eher mit ihm reden. Um Klarheit zu schaffen. Uns bleibt gar nichts anderes übrig, als über den Kuss zu sprechen. Und nicht nur darüber, auch, dass diese Spannung zwischen uns existiert. Die kann er spätestens nach gestern nicht mehr abstreiten. Er hat es genauso darauf angelegt, dass wir uns küssen, wie ich es wollte. Er hat mich immerhin dazu aufgefordert.

Endlich traue ich mich, ihn wieder anzusehen. "Ich bin verwirrt."

"Wegen was?"

"Wenn ich dir in die Augen schaue, bekomme ich das Verlangen, dich zu küssen."

"Dann...tue es doch", entgegnet Nick nach kurzem Zögern und sieht mich erwartungsvoll an.

"Verdammt", gebe ich von mir, als mir bei der Erinnerung sofort heiß wird. Trotzdem greife ich nach dem Shirt auf dem Boden, welches ich gestern anhatte, und verlasse mein Zimmer. Auf dem Weg nach unten fällt mir auf, dass offenbar schon geputzt wurde. Aus dem Wohnzimmer höre ich die Stimmen meiner Familie, die ich auf dem Sofa antreffe.

Als Mom mich entdeckt, greift sie nach der Fernbedienung auf dem Tisch und stellt den Fernseher leiser. "Du bist wach", stellt sie fest und winkt mich lächelnd zu sich. Sie küsst mich auf die Wange und streicht mir durch die Haare, während Patrick mich amüsiert mustert. "Wow, du siehst ja noch beschissener aus, als erwartet. Was war denn los, dass du dich am Ende doch so abgeschossen hast?"

"Das frage ich mich allerdings auch", meint unsere Mutter. "Sollte es nicht ein gemütlicher Abend werden? Das Badezimmer sah heute Morgen einfach nur widerlich aus."

"Das war Max."

"Und warum hast du so viel getrunken?", fragt sie mich, woraufhin ich mit den Achseln zucke. Ich will nun wirklich nicht mit den beiden über die Sache mit Nick reden. Obwohl wir ein gutes Verhältnis haben, muss ich ihnen doch nicht alles erzählen.

"Ich habe so eine Ahnung. Hat es zufällig etwas mit deinem persönlichen Gast zu tun?", spielt Pat an, woraufhin ich ihm einen vernichtenden Blick zuwerfe.

Doch Mom hat schon angebissen. "Persönlicher Gast? Wie kann ich das verstehen?"

"Ich hatte einfach nur einen Mitschüler von mir eingeladen. Weiter nichts."

"Naja, so ist es nicht. Zwischen den beiden ist es irgendwie kompliziert...Obwohl es gar nicht sein müsste", meint mein Bruder und zuckt dann mit den Achseln. "Teenies eben, sie schaffen Probleme, wenn es sonst keine gibt."

"Pat, halt die Klappe."

Er schielt grinsend zu mir hoch. "Wenn ich so Unrecht habe, warum habe ich Nick gestern Abend aufgebracht das Haus verlassen sehen?" Als er mein bedrücktes Gesicht daraufhin sieht, richtet er sich auf. Der Spott ist verschwunden, als er sagt: "Komm schon, erzähl, kleiner Bruder."

Auch Mom sieht mich neugierig an, sodass ich schließlich nachgebe. "Wir haben uns draußen im Garten geküsst."

"Aber das ist doch großartig!", ruft Patrick aus.

Doch ich schüttle den Kopf. "Offensichtlich nicht, wenn er danach abhaut. Scheiße, ich wollte endlich Klarheit haben, was er in mir anrichtet. Und dann, als es gut lief, ist alles aus dem Ruder gelaufen."

Mom legt ihre Hand auf meine und drückt sie tröstend. "Warum denn das?"

"Jemand hat einen dummen Spruch gebracht, daraufhin ist er gegangen. Und jetzt reagiert er auf keine meiner Nachrichten." Ich zische leise auf, als das Pochen in meinem Kopf schlimmer wird. "Was weiß ich, was er jetzt über mich denkt. Dabei mag ich ihn eigentlich...irgendwie."

"Dann solltest du auf diesen...Nick?" Patrick nickt ihr zustimmend zu. "Geh auf Nick zu und versuche, dich zu erklären. Was kannst du denn dafür, wenn jemand der Meinung ist, sich zwischen euch zu drängen?", rät sie mir und lächelt mich aufmunternd an. "Schätzchen, glaub mir, wenn dieser Nick auch Gefallen an dir hat, ist die Sache schnell vergessen."

Das ist ja eben. Ich kann ihn nicht einschätzen, wie es in ihm aussieht. Ob er mich auch mag?

"Soll ich dich zu ihm fahren?", bietet Patrick an, doch ich schüttle den Kopf. "Danke, aber ich werde mit ihm am Montag reden. Es ist besser, solche Gespräche zu führen, wenn man keinen Kater hat", murmle ich und mache Anstalten, zu gehen.

Am Türrahmen angekommen hält mich Mom auf. "Dein Mittagessen ist in der Mikrowelle. Wärme es dir auf, sobald du Hunger hast."

Ich gehe wieder nach oben, da ich mich doch noch nicht so fit fühle. Schlafen kann ich zwar nicht, aber ich werde mich wohl einfach nochmal ein bisschen hinlegen und versuchen, abzuschalten.

Im Zimmer angekommen stöhne ich genervt auf, als mich wieder die Sonnenstrahlen erfassen. Mit zusammengekniffenen Augen gehe ich zu meinem Fenster und ziehe die Vorhänge zu, um sie einzudämmen. Und tatsächlich fühle ich mich augenblicklich wohler, als mein Zimmer abgedunkelter ist.

Ich mache am Schreibtisch Halt, um die dort stehende Wasserflasche zu nehmen, als mir ein paar Blätter ins Auge fallen. Ungläubig greife ich nach den Physikaufgaben von Nick, die er offensichtlich bei mir liegen lassen hat. "Das kann doch jetzt nicht wahr sein. Wie blöd kann man eigentlich sein?", murmle ich vor mich hin und ordne die Seiten nach Zahlen, als mir etwas auffällt. Ganz offensichtlich haben wir die letzten Aufgaben auf der Rückseite übersehen.

Jetzt mal im Ernst. Lehrer, die die Rückseite beschriften, sind Mistkerle. Aber dann nicht einmal darauf hinweisen, ist absolut boshaft.

Was soll ich denn jetzt machen? Wenn Nick die Aufgaben unvollständig zurückgibt, werde ihm die fehlenden Punkte abgezogen. Und dass er deshalb eine schlechtere Note erhalten könnte, sehe ich nicht ein, nachdem wir Stunden daran saßen.

Er wird sie aber auch niemals allein lösen können bis Dienstag, andererseits denke ich aber auch nicht, dass er mich nochmal fragen würde, ob wir es zusammen machen.

"Ach, verdammt", brumme ich und lege seine Hausaufgaben beiseite. Darum werde ich mich morgen kümmern.




Der arme Sam hat mit Kopfschmerzen zu kämpfen, nachdem der gestrige Abend schon ein so unschönes Ende genommen hat... 😣

Er will aber auch mit Nick reden! Nun bleibt es spannend, wie es Nick nach all dem geht 🤔

Angel Eyes [boyxboy] | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt