Kapitel 44

3.1K 229 70
                                    

• S A M •

"Es ist total spannend, älter zu werden. Man lernt jeden Tag neue Knochen kennen", sagt Marissa beinahe entzückt, als ich ihr helfe, sich auf die Couch im Wohnzimmer zu legen.

"Das habe ich gehört, Granny!", kommt es dann von Nick, der in der Küche nach Eis für ihren Fuß sucht.

Sie ist vor ein paar Minuten von einem Stuhl gestürzt, da sie der Meinung gewesen ist, am frühen Morgen die Lampen von Staub befreien zu müssen.

Die ältere Frau stützt sich gerade auf, als ich ihr ein Kissen unter den anschwellenden Fuß legen möchte. "Jetzt übertreibe nicht, mein Junge. Es ist nicht das erste Mal, dass eure Großmutter Bekanntschaft mit der Schwerkraft macht und Küsschen mit dem Fußboden austauscht ..."

Obwohl es der unpassendste Zeitpunkt dafür ist, kann ich mich nicht zurückhalten zu lachen. Und Marissa steigt ein.

Die letzten Tage habe ich durchgehen mit wenigen Ausnahmen, wo ich zuhause gewesen bin, um frische Klamotten oder Schulzeug zu holen, hier im Hause Prescott verbracht.

Am Wochenende sind wir gemeinsam mit Miley ins Kino gegangen, sie war aber schnell genervt von uns Turteltauben. Insgeheim ist sie aber nur eifersüchtig gewesen, weil Gil keine Zeit gehabt hatte, sich uns anzuschließen.

Es könnte gerade nicht besser bei uns laufen. Seit wir uns ausgesprochen haben, ist es wieder viel harmonischer zwischen uns. Ich genieße jeden Moment, den ich mit Nick verbringe.

Als dieser ins Wohnzimmer zurückkehrt und uns erwischt, entgeht mir sogleich das Lachen, denn sein Blick ist weniger auf Belustigung gestimmt. "Grandma, ich finde das echt nicht witzig. Denkst du mal bitte daran, was hätte passieren können? Stell dir vor, wir wären nicht mehr zuhause, sondern schon auf dem Weg in die Schule gewesen. Dann hättest du eine ganze Weile auf dem Küchenboden gelegen und-"

"Nun male nicht den Teufel an die Wand, Nicholas", unterbricht sie ihn und entreißt ihm im selben Moment die Kältekompresse, die sie sich auf die Schwellung presst. Ein Zischen entweicht ihren Lippen, doch dann lehnt sie sich zurück und schaut zwischen uns beiden hin und her. "Müsst ihr nicht los?"

"Ich lasse dich nicht allein-"

"Jetzt reicht es aber. Ich bin kein Kind mehr, das bemuttert werden muss", entgegnet Marissa, verschränkt aber trotzig die Arme vor der Brust. "Ihr gehört in die Schule, ihr beide! Und außerdem sollte Bonnie jeden Moment mit den Brötchen zurückkommen. Wenn etwas wäre, könnte sie sich also darum kümmern."

"Aber-"

"Nicholas."

Er gibt sich widerwillig geschlagen.

Ich halte ihm meine Hand hin und lächle, als er sie ergreift. Wir verabschieden uns von ihr und gehen dann in den Flur, wo wir uns die Schuhe anziehen.

"Diese Frau ..."

"Ja, sie ist einmalig", stimme ich zu und greife dann nach meinem Rucksack. "Aber du kennst sie doch am besten. Deine Großmutter hält nicht viel davon, Schwäche zu zeigen."

Augenverdrehend schultert er seinen eigenen Rucksack und nimmt die Autoschlüssel. "Ich hoffe bloß, dass Bonnie ein Auge auf sie hat und sich nicht von ihr bequatschen lässt."

Er öffnet die Haustür, bleibt aber ruckartig stehen, da er seinem Ex gegenübersteht.

Trevor, offenbar genauso überrascht, mich anzutreffen, schaut zwischen uns hin und her.

"Ähm ... Hey, Trevor", begrüßt Nick ihn. "Was tust du hier?"

Seine Antwort lässt auf sich warten. Doch dann findet er seine Stimme wieder. "I-ich ... Entschuldige, ich wollte dir eigentlich nur vorschlagen, dich zur Schule zu fahren", kommt es zögerlich über seine Lippen. "Aber anscheinend ... ist das nicht nötig."

Angel Eyes [boyxboy] | ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt