-Kapitel 6-

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Es war das erste Mal seit langem, dass ich nicht von Schüssen oder ähnlichem aufgeweckt wurde. Langsam schlug ich die Decken zurück und setzte mich in meinem Bett auf. Ich ließ meinen Blick durch das nun dunkle Zimmer schweifen. Ich konnte die Sonne ganz leicht erkennen. Die ersten Strahlen kitzelten mich und ein Lächeln breitete sich auf meinen Lippen aus. Ich steckte meine nackten Beine über die Bettkante und streckte mich. Ein leises Gähnen entfuhr mir. Ich stemmte mich mit beiden Händen von dem weichen Bett ab und kam etwas wackelig zum Stehen.

Meine Kopfschmerzen waren weg, aber ich fühlte mich eingeengt. Kein Wunder, schließlich trug ich von gestern noch das teure Kleid, dessen harte Steine sich schmerzhaft in meine heiße Haut bohrten und darüber trug ich immer noch meinen warmen Pullover. Langsam ließ ich meine Hand in meine Tasche gleiten und zog meine Glock 9mm hervor. Ich legte sie vorsichtig aufs Bett und lief dann langsam zum Schrank herüber in der Hoffnung dort etwas zum Anziehen zu finden. Leider war der Schrank bis auf ein paar Kleiderbügel völlig leer.

Ich konnte es ihnen nicht verübeln. Ich meine wer rechnet schon damit, dass eines tages ein Mädchen einfach hier aufkreuzen und zufällig auch noch hier schlafen und Kleidung benötigen würde. Ich wollte aber unbedingt das Kleid loswerden, also entschloss ich kurzerhand den Pullover über den Kopf zu ziehen. Nachdem ich mir auch das Kleid abgestriffen hatte zog ich mir den Pullover wieder über, immerhin wollte ich das Kleid nicht tragen, wollte aber auch nicht halb-nackt hier im Haus rumrennen.

Zum Glück war der Pullover etwas Oversized und er ging mir bis zur Mitte der Oberschenkel. Ich lief zu meinen Schuhen und zog sie mir über. Ich wollte mich gerade der Tür zuwenden und den Flur betreten, da drehte ich mich ruckartig um, lief schnurstracks auf mein Bett zu und steckte mir meine Waffe ein. Man konnte ja nie wissen und ich ging lieber mal auf Nummer sicher.

Langsam schlich ich in den Flur hinaus. Im Gang war es still. Ich schlich ihn entlang und klopfte an alle möglichen Türen in der Hoffnung Harrisons Stimme zu hören. Ich musste ihn finden, um ihn zu fragen ob ich vielleicht noch was zum anziehen bekommen könnte. Ich war am Ende des Flures angekommen. Keine Spur von Harrison. Ich stand nun vor einer großen weißen marmor Tür, die mit goldelementen versehen war und beschloss kurzerhand anzuklopfen.

Kurz darauf ertönte eine Stimme "Herein." und ich ließ vorsichtig die Tür aufgleiten. Ein Mann saß an einem schwarzen Schreibtisch in einem schwarzen Sessel und war vertieft in Dokumente, die wild verstreut vor ihm auf dem Tisch lagen. Als er mich erkannte sah er mich an und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. "Na gut geschlafen?" fragte der braunäugige Mann.

Ich hatte endlich die Gelegenheit ihn mir genauer anzusehen. Seine etwas längeren haselnussbraunen Haare waren gerade mit Haargel nach oben gekämmt, aber eine einzelne Locke hing ihm lose in die Stirn. Langsam ließ er seinen Blick über meinen Körper schweifen und plötzlich fühlte ich mich unwohl. Immerhin stand ich in nur einem Pulli gekleidet in der Tür. Ich sah ihn nur mit großen Augen an, woraufhin er kurz ausatmete und seinen Stuhl mit einem knarzen zurück schob. Langsam strich er sein Hemd glatt und kam dann auf mich zu.

"Wie kann ich dir den weiterhelfen Hübsche?" fragte er und ein Lächeln umspielte seine Lippen. "Ich wollte fragen, wann wir aufbrechen?" fragte ich vorsichtig. "Was?" fragt er erstaunt. Etwas trauriges lag in seiner Stimme. "Naja, wann bringt ihr mich wieder nach hause." fragte ich vorsichtig und senkte meinen Blick zu Boden. "Ähm ich glaube du hast es noch nicht so ganz verstanden." sagte er und lachte leise in sich hinein. Ich sah ihn mit großen Augen an. Aus irgendeinem Grund war ich den Tränen sehr nah und als eine einzelne Träne meine Wange hinunter lief erstarb sein Lächeln.

Langsam kam er weiter auf mich zu und legte seine Rechte Hand an meine Wange. Mit seinem Daumen wischte er vorsichtig und behutsam die Träne hinfort. Als er sah, dass ich es wirklich ernst meinte atmete er einmal tief ein. "Naja, es ist nicht so einfach. Wir können dich nicht zurückbringen." Erschrocken sah ich ihn an. "Wieso?" fragte ich. "Es wäre zu gefährlich für dich alleine..." gab er kleinlaut bei. "Ich bin doch nicht alleine zuhause." gab ich ihm lachend aber noch etwas unsicher entgegen. Etwas in seiner Stimme ließ mich schlimmes vermuten. Traurig sah er mich an. "Es tut mir leid" sagte er und sah mir in die Augen. "Was denn?" fragte ich ungläubig.

Und dann traf mich die Erkenntnis mit einem Schlag. Ich taumelte benommen zwei Schritte zurück und stütze mich an der großen Tür ab. Erschrocken sah er zu mir hinunter und hielt mich fest, so dass ich nicht umfallen könnte. Es konnte nicht sein, oder? Meine Eltern waren nicht. Nein, das war unmöglich. Kraftlos sah ich ihm in die Augen. Wir sahen uns ein paar Sekunden einfach nur tief in die Augen. Keiner sagt ein Wort.

Ich brach das schweigen, indem ich zu Boden sackte und in Tränen ausbrach. Ich rutsche unter seine Händen hinweg und landete auf dem kalten harten Boden. Tränen strömten mir über die Wangen. Aber ich wollte nicht das er mich so sah. So zerbrechlich und schwach. Also zog ich meinen Ärmel über meine Hand und wischte mir damit die Tränen von meinen glühend heißen Wangen. Er kniete sich vorsichtig vor mich hin und nahm meine Hände in die Seinen. "Lass uns dir erstmal was anderes zum Anziehen suchen, bevor du hier den ganzen Tag an allen Wächten halb nackt vorbeiläufst." sagte er behutsam, aber auch mit einer bestimmten Stränge in der Stimme. Langsam nickte ich und ließ mich von ihm wieder auf die Füße ziehen.

Er verschränkte seine linke Hand mit meiner rechten und drückte sie einmal fest. Dann lief er mit mir im schlepptau den Flur entlang an den Wachen vorbei, die sich vor seiner Tür angesammelt hatten. Er hielt vor einer dunklen Holztür an, welche sich mit einem leisen knarren öffnete. Behutsam zog er mich in den kleinen Raum. Er suchte kurz, bis sein Blick auf eine schwarze Kiste fiel. Er ließ meine Hand los und lief auf die Kiste zu. Er zog sie aus dem Regal und öffnete kurz den Deckel um sich zu vergewissern, dass sie alles nötige Enthalten würde. Er stand wieder auf und drückte mir die Kiste in die Hand.

Leicht irritiert sah ich ihn an und lief dann wieder zurück in mein Zimmer. Ich beschloss kurz unter die Dusche zu springen, bevor ich mich umziehen würde. Das heiße Wasser lief meinen Rücken herunter und entkrampfte meine Muskeln. Entspannt wusch ich meine Haare und trocknete mich dann ab. Ich wickelte mir ein Handtuch um und ließ meine langen Haare nass über meine Rücken fallen. Mit schnellen schritten lief ich auf die Box zu, die ich vorher auf mein Bett gestellt hatte. Vorsichtig öffnete ich den Deckel.

Ich zog eine schwarze Jogginghose und einen Passenden Pulli geraus. Der Pulli war nicht so groß wie meiner aber warm und weich. Ich konnte mich also nicht beschweren. Langsam zog ich mir den Pulli an und striff mir die Hose über. Ich band meine Haare zu einem nassen und unordentlichen Knoten auf meinem Kopf zusammen. Es klopfte an der Tür und kurz darauf stand der braunäugige Mann im Zimmer.

Als er sah, wie ich gerade meine Glock 9mm in meiner Hosentasche verschwinden ließ sah er mich an und ein Lächeln umspielte seine hellrosanen Lippen. "Die wirst du hier nicht brauchen." sagte er langsam und sein Blick wanderte an mir auf und ab. "Nur zur Sicherheit. Man weiß ja nie." gab ich mit einem unsicheren lächeln zurück.

Er schüttelte lachend den Kopf, sagte aber nichts mehr dazu. "Hast du hunger?" fragte er und unterbrach damit die Stille. Erst jetzt bemerkte ich, wie mein Magen grummelte. Immerhin hatte ich seit mehr als einem Tag nichts mehr gegessen. Langsam nickte ich und folgte ihm dann hinaus in den Flur.

~My Lover~ [T.H. x Reader]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt