Kapitel 8 "Die Sonne II"

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Ein markerschütternder Schrei erfüllte das Gewölbe und hallte im ganzen Schloss wider. Natalie brach in schallendes Gelächter aus. Sie krümmte sich vor Lachen. Ihre Freunde sahen sie nur mit Entsetzen an. Joshua und Jonas sahen sich peinlich berührt an. Auch sie hatten geschrien wie am Spieß. Jonas in einem hohen, quiekenden Ton und Joshua in einem noch höheren, quiekenden Ton. Natalie lachte immer noch und handelte sich dafür böse Blicke von ihren Freundinnen ein.
„Was sollte das?" fragte Anna empört. Natalie brachte unter ihrem Lachen nur einen Satz heraus. Ihr kamen sogar schon die Tränen. „Ich dachte, dass wäre lustig. Ihr saht aus, als hättet ihr einen Geist gesehen."
„Es ist stockdunkel hier unten und wir sind in einem komischen Raum. Die Wahrscheinlichkeit, dass hier ein Geist ist, ist sehr hoch." erklärte Justine, um alle zu verteidigen.
„Ja, das stimmt." gab Natalie zu. Sie versuchte nicht mehr zu lachen, konnte sich aber ein freches Grinsen nicht verkneifen. „Was habt ihr denn in dem ‚komischen, gruseligen Raum' gefunden." fragte sie neugierig und betonte „komischen, gruseligen Raum" albern.
„Ein Portrait." Joshua räusperte sich.
„Was für ein Portrait?" fragte Natalie neugierig, immer noch grinsend. Die Mädchen zeigten ihr das Portrait und die Jungs erklärten ihr, was ihnen komisch vorkam. Natalie betrachtete das Portrait interessiert.
„Er sieht gut aus." bemerkte sie, nachdem Jonas und Joshua ihr die Lage erklärt hatten.
„Wirklich? Das ist alles, was du dazu sagst?" fragte Joshua verärgert.
„Nein." antwortete Natalie und strich ihm zärtlich über die Wange. Joshua erkannte die Geste als Scherz und zog seinen Kopf weg.
„Ich weiß auch nicht welcher König das ist." sie zuckte die Schultern. „Obwohl..." sie ging näher an das Gemälde heran. „Auf jedem Portrait muss ein Name stehen. Oder auf dem Rahmen..."
„Cool, gut, dass es keinen Rahmen hat." bemerkte Anna. Natalie untersuchte das Gemälde derweil intensiv.
„Was genau suchst du?" fragte Jonas.
„Da steht kein Name, den hätten wir auch entdeckt." entgegnete Stefanie.
„Ich suche nach Symbolen. Jeder Herrscher wird mit bestimmten Symbolen dargestellt. Die vorherige Königin mit weißen Rosen, ich mit roten Rosen." sie war so nah an dem Portrait, als könnte sie jeden Moment hineinspringen.
„Warum Rosen?" hinterfragte Justine. Natalie antwortete nicht. Sie war so in das Gemälde vertieft, sie blendete ihre Umgebung vollkommen aus.
„Die vorherige Königin Najade konnte Rosen wachsen lassen, meistens weiße Rosen. Und sie liebte Rosen über Alles. Wir haben einen riesigen Rosengarten deswegen." erklärte Jonas. „Und weil Natalie von Königin Najade ausgewählt wurde, bekam sie das Symbol der roten Rosen."
„Okay, interessant." entgegnete Anna.
„Ich musste mal alle Symbole der Königinnen und Könige auswendig lernen." sagte Natalie plötzlich. Sie sah ihre Freunde ernst an.
„Und das heißt? Hast du was gefunden?" fragte Justine. Natalie nickte und deutete auf eine Schale im Hintergrund des Bildes. Sie war gefüllt mit einer roten Flüssigkeit, die golden glänzte.
„Ist das etwa Wein?" Jonas kniff die Augen zusammen, um überhaupt etwas zu erkennen. Natalie zuckte mit den Schultern. „Oder Blut."
„Was?!" alle Beteiligten sahen sie entsetzt an.
„Wie jetzt?" fragte Anna perplex.
„Es gibt die Legende vom blutigen König in Elysion. Er war einst König von Elysion. Aber auch verflucht mit einem Blutsfluch. Er musste in Blut baden und menschliches Fleisch essen, um eine menschliche Gestalt zu bewahren, sonst würde er sich in ein hässliches Biest verwandeln."
Alle standen sprachlos im Raum und versuchten das zu verarbeiten, was sie gerade gehört hatten.
„Ihr hattet mal so einen König." Anna zögerte. „Und wir haben sein Portrait gefunden."
„Es macht Sinn, dass man das hier unten verstaut hat." bemerkte Jonas. Dann wurde es still. Eine Weile standen sie unangenehm nebeneinander und sagten keinen Ton. Natalie schlug dann vor nach oben zu gehen und das, was sie hier gefunden hatten, schnell wieder zu vergessen. Justine erinnerte Natalie an ihr Versprechen. Diese führte ihre Freundinnen die Treppe hinauf, vor denen sie Minuten zuvor gestanden hatten. Joshua verabschiedete sich für die Nacht und als Jonas versuchte, Natalie davon zu überzeugen, sie bräuchte den Leibwächter auch bei Nacht, da es nicht sicher sei, dass es im Schloss nicht spukte, zog Joshua Jonas unsanft hinter sich her. Jonas protestierte lautstark und versuchte sich zu wehren, doch gegen Joshua kam er nicht an.
„Wieso ist dein Leibwächter so klein?" fragte Stefanie, als die beiden außer Hörweite waren. Natalie wäre beinahe auf der Treppe hingefallen.

Das verlorene Königreich - Das gebrochene HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt