Kapitel 26 "Rad des Schicksals II"

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„Gibt es irgendeine Art Suchzauber?" flüsterte Justine in die Dunkelheit.

„Ja, aber dazu fehlt mir die Magie." antwortete Natalie.

„Kannst du nicht nochmal deine Augen schließen und Charles erspüren?" schlug Joshua vor. Jonas sah ihn komisch von der Seite an.

„Einen Versuch ist es wert." Natalie zuckte mit den Schultern. Sie schloss die Augen. Einen Moment war es totenstill. Nicht einmal das Knacken des Eises war zu hören. Die Zeit schien in der Höhle stillzustehen.

Plötzlich tauchten zwei Gestalten hinter ihnen auf. Sie versuchten Anna, Justine und Stefanie festzuhalten, doch Jonas war zur Stelle und schwang sein Schwert. Er traf eine der Gestalten, die in schwarze Roben gehüllt waren. Sie fiel zu Boden und hielt sich ihre Seite, wo Jonas sie getroffen hatte. Die zweite Gestalt ging auf Jonas los, wurde jedoch von Joshua zu Boden geworfen und festgehalten.

„Sieht so aus, als müssten wir sie gar nicht mehr finden." sagte Anna unbeeindruckt.

„Diese schwarzen Roben sind natürlich auch sehr originell." bemerkte Justine schnippisch. Die eine, die von Jonas getroffen wurde, sah sie spöttisch an. „Ihr werdet noch sehen, was ihr von eurem Hochmut habt."

„Klappe." Jonas richtete sein Schwert drohend auf sie. „Beantwortet unsere Fragen und du kommst hier vielleicht lebend raus."

Sie sah ihm wütend entgegen.

„Wo ist Charles und was habt ihr mit ihm vor?" fragte Natalie.

Die Anhängerin schwieg. Sie sah Jonas immer noch mit Trotz, in den dunklen Augen, entgegen.

„Rede!" tadelte er sie. Doch sie schwieg weiterhin.

„Dann musst du uns diese Frage beantworten." Joshua, der auf dem anderen, der Anhänger saß und einen seiner Arme auf dem Rücken verdreht hatte, kam seinem Gesicht drohend näher.

„Niemals." stieß dieser, aus zusammengebissenen Zähnen, hervor. Joshua verstärkte seinen Griff um den Arm des Mannes und zog ihn weiter Stück für Stück nach oben. Bei dieser Bewegung schrie der Gefangene vor Schmerzen auf. Sein Schrei hallte in der Höhle wider. Joshua ließ jedoch nicht los. Schließlich gab der Gefangene nach. „Schon gut. Schon gut! Ich sage es euch, ich sage euch alles was ihr wollt!"

Joshua lockerte seinen Griff und er atmete erleichtert aus.

„Sie haben ihn in die Unterwelt gebracht."

„Wie habt ihr das gemacht?" fragte Natalie tonlos.

„Ich weiß nicht."

Joshua drückte wieder fester zu.

„Aaah. I-Ich weiß es wirklich nicht." heulte er auf. Natalie richtete ihren Blick auf die Frau. Diese war immer noch auf Jonas fixiert. Sie funkelten sich gegenseitig an, wie Raubkatzen, die auf den richtigen Moment zum Angreifen warteten.

„Um in die Unterwelt zu gelangen, muss man auf den Grund des Sees. Wie hab ihr es geschafft, in die Unterwelt zu gelangen und wieder rauszukommen?"

„Sie... Sie sind vor ein paar Minuten aufgebrochen, aber noch nicht zurückgekehrt." stammelte der Mann.

„Dann sind sie noch in der Unterwelt." schlussfolgerte Leichenberger.

„Danke, Sherlock." entgegnete Natalie sarkastisch. „Dann kommen sie auch nicht wieder."

„Was?!" die beiden Anhänger sahen sie mit Entsetzen in den Augen an.

„Menschen kehren aus der Unterwelt nicht einfach zurück. Ihr seid nicht Orpheus, der Hades mit schönen Melodien verführt. Ihr dachtet wirklich es wäre so einfach?"

„Or-was?" flüsterte Stefanie Anna zu. Diese zuckte mit den Schultern.

„Das heißt, sie sind dort gefangen?" fragte einer der Anhänger. Natalie nickte ernst.

„Nein! Sie werden wiederkommen!" schrie die andere Anhängerin.

„Bullshit!" rief Natalie. Ihre Wut wurde von den Wänden abgefangen und hallte in den Gängen wider. Das Eis des Berges knackte über ihnen.

Alle sahen ehrfürchtig nach oben, bis auf Natalie.

„Warum folgt ihr diesem Plan überhaupt?! Was erhofft ihr euch davon?! Magie in Mondos?! Wow, Gratulation, wenn ihr endlich das habt, was ihr wollt. Jetzt müsst ihr nur noch lernen Magie zu benutzen!" Ihre Stimme hallte wider. In der Kälte hörte man ein Klatschen. Alle sahen sich an. Dann realisierten sie, dass es aus den Gängen hinter ihnen kam. Die Anhängerin lächelte hinterhältig. Bevor irgendjemand die Zeit hatte zu reagieren, schossen weitere Menschen in Roben aus den Schatten und fielen über sie her. Sie überwältigten die Mädchen. Jonas und Joshua versuchten sich zu wehren, doch die Mitglieder hatten Waffen und legten die Läufe an die Schläfen der beiden Männer. Leichenberger ging freiwillig auf die Knie. So hockten die Verbündeten auf dem kalten Eisboden. Die beiden Anhänger, die sie zuvor bezwungen hatte, rappelten sich auf. Aus den Schatten kam eine Gestalt, die den Mädchen bekannt vorkam.

„Du!" Anna funkelte Leichenbergers Sekretärin an.

„Guter Kampf und danke, dass ihr es uns so leicht gemacht habt." sagte sie. „Und ich habe einen Namen."

„Ist uns doch egal!" entgegnete Stefanie gehässig.

„Hanna, wieso tust du das?" fragte Leichenberger. Enttäuschung schwang in seiner Stimme.

„Du hast mir doch von dieser wunderbaren Welt erzählt. Für mich ist sich nicht wirklich wunderbar. Wieso die Magie für sich behalten, wenn man sie in der Welt verteilen kann."

„Ihr seid so dumm." lachte Natalie bitter. Einer der Mitglieder funkelte sie wütend an und hielt ihr den Lauf seiner Waffe an den Kopf. „Halt die Klappe, Hexe!"

„Es war wirklich einfach das Herz zu bekommen." sagte Hanna. Sie zog es aus ihrer Tasche hervor. Das Herz schimmerte im spärlichen Licht, wie ein Kristall. Ein kleines Licht schien in seinen Inneren zu glühen.

„Und was habt ihr jetzt damit vor?" fragte Natalie herausfordernd.

„Wir bringen es nach Mondos natürlich." Hanna sah das Herz verliebt an.

„Natürlich." äffte Natalie sie nach. Wütend sah Hanna zu ihr. „Ihr werdet schon sehen, was ihr davon habt."

Hanna kehrte ihnen den Rücken zu. Der, der seine Waffe auf Natalie hielt, drehte sich für den Bruchteil einer Sekunde von ihr weg, um sich mit den anderen zu verständigen. In diesem Moment packte Natalie die Waffe und zog daran, der Mann fiel unerwartet nach vorne. Natalie nahm seinen Kopf und schlug so fest sie konnte mit ihrem dagegen. Instinktiv wich der Mann zurück, sie schubste ihn und er fiel benommen zu Boden. Niemand war auf ihre Attacke vorbereitet und niemand konnte reagieren, denn Natalie stürzte sich, ein wenig benebelt, auf Hanna und versuchte das Herz aus ihren Händen zu bekommen. Die anderen Mitglieder sahen verdutzt zu, wie die beiden Frauen sich boxten und um das Herz rangen, da befreiten sich auch die Mädchen, Jonas und Joshua. Sie hielten den Rest der Mitglieder von Natalie und Hanna fern. Hanna schrie plötzlich auf. Natalie hatte es irgendwie geschafft, sie auf den Bauch zu drehen und ihren Arm auf ihrem Rücken verdreht. Doch Hanna ließ das Herz, was sie immer noch in der anderen hielt, nicht los. Natalie bohrte ihren Ellbogen in Hannas Rücken. Ihr Schrei erfüllte die Höhlen. Man konnte hören und spüren, wie sich eine Lawine löste. Der Boden bebte und das Herannahen der Lawine war ohrenbetäubend. Das lenkte alle ab, auch Hanna schien für einen Augenblick abwesend zu sein. Das war Natalies Chance.  

Das verlorene Königreich - Das gebrochene HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt